»Bedeutet dies, daß wir, obwohl wir den Kurs beibehalten, nicht zum Kern gelangen?« fragte ich.
»Das Licht des Kerns passiert die Grube«, antwortete Oleg. »Ob wir das im Überlichtbereich schaffen?
Was geschieht, wenn sich dort kein physischer Raum findet, der in den Tanew-Annihilatoren annihiliert werden kann? Dann fallen und fallen wir ins Bodenlose!«
»Soweit ich mich Ngoros Theorie entsinne«, sagte ich, »läßt sich ein Loch in der Metrik auch durch eine Zeitverzögerung an diesen Stellen erklären.«
»Das wäre noch schlimmer, Admiral«, entgegnete der Demiurg. »Eine Zeitverzögerung ist genauso ein Loch, bloß kommt man aus dem noch schlechter heraus als aus einem räumlichen. Ich bin entschieden gegen das Eintauchen in die Lücke!«
»Der Umgehungskurs führt durch die kugelförmige Ansammlung. Einen anderen Weg gibt es nicht«, sagte Oleg nachdenklich.
Ich wies auf die Sternenbildschirme. Nirgends war der Kosmos mit Brettern vernagelt. Warum nicht links an der kugelförmigen Ansammlung vorbeifliegen oder über oder unter ihr? Drohte denn auch dort Gefahr?
»Das ist es ja, daß Gefahr droht. Der Kosmos ist nirgends mit Brettern vernagelt, da hast du recht, Eli. Aber die Schiffsmaschine weist darauf hin, daß die Umgebung des Kerns reich an ebensolchen Metriklücken ist wie die, die sich vor uns aufgetan hat. Wir legen den Kurs nach der Gesamtheit der Sterne fest, nicht nach einem willkürlich gewählten. Und plötzlich haben die Sterne, die sich rechts und links vom Kurs befanden, begonnen, sich sehr rasch zu entfernen. Dieses Auseinanderlaufen erreicht eine Geschwindigkeit von Tausenden Lichtjahren in der Woche. Die Sterne sind keine Schiffe, sie können sich nicht aus dem optischen Raum lösen. Und eine Rotverschiebung des Lichts tritt nicht auf, folglich auch kein reales Auseinanderlaufen. Bleibt nur ein Schluß in diesen Bezirken fällt das Licht in Metriklöcher, wo sich die Inertiallinien kolossal verlängern.«
»Und die Sterne, die wir hinter uns lassen?«
»Das ist alles normal, Eli. Wir lassen ja keine Löcher in der Metrik hinter uns! Nein, der einzig sichere Weg führt durch die kugelförmige Ansammlung, einen anderen sehe ich nicht.«
»Darf ich gehen?« fragte der Demiurg. »Meine Meinung kennen Sie.«
Er empfahl sich. Oleg und ich blickten schweigend auf die Sternenhalbsphäre vor uns. Der Kugelsternhaufen war vor zwei Wochen auf den Bildschirmen erschienen, inzwischen hatten wir uns ihm im Überlichtbereich fast auf hundert Lichtjahre genähert. Er war noch weit, aber die Schiffsmaschine wußte schon eine ganze Menge von ihm. Kugelförmiger Sternenschwarm, ungefähr zwei Dutzend Lichtjahre im Querschnitt, rund fünf Millionen Sterne der späten Klassen, eilt vom Kern weg, senkrecht zur Galaxisebene, Geschwindigkeit: fünfzig Kilometer in der Sekunde. Die Geschwindigkeit war nicht groß, aber wenn man sie mit dem Alter der Sternenexistenz multiplizierte? Innerhalb von zweihundert Millionen Jahren einer geringen Frist nach kosmischen Maßstäben würde er die Galaxis ganz und gar verlassen! Er bewegte sich nicht im Raum, er floh!
Und noch eins hatten die Schiffsmaschinen bemerkt: Der mörderische Strahl, der den Roten durchbohrt hatte, war aller Wahrscheinlichkeit nach von dieser Ansammlung ausgegangen. Auf der Strahltrasse gab es keine anderen Gestirne, die ihn hätten generieren können. Sonstige Quellen, außer einem Stern der Ansammlung, entfielen, wenn man die Bahn nicht mit krummen Linien zeichnete. Und nun erwies sich, daß die Ansammlung auch das einzige zugängliche Tor zum Kern war.
»Ein Pfropfen im Flaschenhals«, sagte Oleg ärgerlich. »Oder ein Haifischmaul voller leuchtender Sternenzähne, bereit, den ungebetenen Ankömmling zu verschlingen.«
»Einen anderen Ausweg haben wir nicht?«
»Einen anderen Ausweg haben wir nicht«, bestätigte er mißmutig.
Das Geschwader schwenkte zur kugelförmigen Ansammlung ab.
Viele Male habe ich den Sternenhimmel in den offenen Haufen der Plejaden und des Perseus beschrieben. Auch diesen würde ich gern, ohne Scheu vor Wiederholungen, ausführlich schildern. Wenn ich es nicht tue, dann nur deshalb nicht, weil das Bild, das sich mir bot, zu denen gehörte, die man gemeinhin unbeschreiblich schön nennt. Die kugelförmigen Haufen, jetzt weiß ich das, sind mit den offenen nicht zu vergleichen. Man stelle sich ein Himmelsgewölbe mit zweihundert irdischen Monden, tausend Venussen und hunderttausend Siriussen vor, an dem außerdem noch deutlich die übrigen fünf Millionen Sterne funkeln, denn nicht einer ist weiter als zehn Lichtjahre entfernt, dann wird man begreifen, daß es unmöglich ist, diese Pracht zu beschreiben. Ein Detail allerdings muß ich hervorheben. Ich sage »Detail«, dabei beruht darin vielleicht das Wesen der Erscheinung, die Kugelhaufen benannt ist. Der innere Raum ist hier völlig durchsichtig, derart durchsichtig, daß die leeren Kosmosbezirke dagegen wie Staubwolken wirken. Wir, die wir uns aus dem Nebel gelöst hatten, freuten uns ganz besonders an der Weite ohne Staub und Gas.
Wenn die »Steinbock« dereinst zur Basis zurückkehrt, können sich die Menschen und unsere Freunde an den Stereofilmen weiden, die die majestätische Schönheit und verblüffende Sauberkeit dieser der Galaxis entfliehenden Sternenwelt festgehalten haben.
Selbst denjenigen, die nichts von irgendwelchen Musiken der Sternensphären hören wollten, kamen unwillkürlich solche Vergleiche in den Sinn wie Sternenharmonie, Symphonie der Gestirne derart identisch mit bezaubernder Musik war dieses bezaubernde Reich des Lichts und der Reinheit.
Viele Sterne hatten Planeten. Sorgfältig fixierten wir jeden. Sie besaßen ideale Bedingungen für Eiweißleben : mäßig heiße Sonnen ich sagte schon, daß die Sterne hier hauptsächlich später Klassen waren, gelborange, rötlich-, durchsichtigen Kosmos. Atmosphären, die den irdischen ähnelten, Wasser und Festland.
Aber nirgends waren vernunftbegabte Zivilisationen aufzuspüren, nicht einmal einfachste Lebensäußerungen fanden sich. Schöne leblose Welten so glitten sie an uns vorbei. Mary hätte einen der prächtigen Planeten besucht, um ihn mit Leben zu infizieren, wären wir dazu aufgelegt gewesen. Doch keiner von uns vergaß, daß wir uns durch dieses Sternentor, das geradezu ein Paradeeingang war, in eine andere Welt begaben. Was erwartete uns?
»Das Paradies, bevor es besiedelt wurde«, sagte Mary seufzend, die durch den Vervielfacher einen Planeten beobachtete.
»Ein Paradies für den Export«, scherzte ich düster.
Ich spielte darauf an, daß der Sternhaufen mit einer Geschwindigkeit von zwei Zehntausendsteln des Lichts aus dem Schoß der Galaxis flüchtete.
»Wenn du die Flucht des Haufens der Tätigkeit irgendwelcher vernunftbegabter Kräfte zuschreibst, begabst du sie dann nicht mit allzu großer Macht?«
»Ich stelle Fragen, ohne vorher die Antworten zu programmieren«, parierte ich.
Im stillen programmierte ich selbstverständlich die Antworten. Ich strapazierte mein Gehirn mit schwierigen Problemen. Alle bekannten Kugelhaufen waren auf allen Achsen gleichmäßig weit vom Kern entfernt, dieser entfernte sich ebenfalls von ihm. Warum verdunstete der Galaxiskern, um es einmal so auszudrücken, Kugelhaufen? Was zwang sie, an die Peripherie zu fliehen, während bei den einzelnen Sternen dergleichen nicht zu beobachten war? Von welchen Kräften wurden die Gestirne so sorgfältig gemischt, daß die Kugelhaufen durchweg aus Sternen später Klassen bestanden, die für das Eiweißleben am günstigsten sind? Warum traf man bei ihnen so oft, hundertmal öfter als bei gewöhnlichen Sternen, Planeten an?
Die Kugelhaufen fliegen nur nach außen, senkrecht zu der Ebene, wo sich in der Galaxis die Hauptmasse der Sterne befindet, überlegte ich mir. Es ist, als suchten sie das Weite. Warum? Tausende Warum! Wo mögen die verflixten Ramiren stecken? Sie wüßten sicherlich der Rätsel Lösung.