Wir wollten wissen, welche Beschlüsse gefaßt worden waren. Wera belächelte unsere Ungeduld.
Sie war derart gründlich, daß sie niemals mit dem Ende anfing. Ich wunderte mich immer wieder, wie seltsam in ihr Pedanterie mit Ungestüm, Gewissenhaftigkeit mit Leidenschaft verknüpft waren.
»Ich muß euch gratulieren, Freunde«, sagte sie zu André und Romero. »Die Große hat uns unaufhörlich über wichtige Gedanken informiert, die den Menschen gekommen sind. Darunter war auch Ihrer, André, mit den Galakten zusammenzuarbeiten und ihnen zu helfen, und deiner ebenfalls, Pawel, der auf die in den unbekannten Galaxisbezirken lauernden Gefahren verweist. Ich rate aber, nicht stolz zu sein, denn ähnliche Gedanken hatten Tausende.«
Sie kam auf die Beschlüsse des Rates zu sprechen:
Die Sternenkonferenz auf der Ora war bestätigt.
Gründlich sollte erforscht werden, ob es möglich sei, ein interastrales Bündnis der vernunftbegabten Wesen unseres Galaxiswinkels zu schließen. Eine neue Aufgabe war gestellt: ausführliche Nachrichten über die Galakten und die Zerstörer einzuholen. Die Menschheit mußte auf Überraschungen gut vorbereitet sein. Der Rat empfahl, eine Große Galaktische Flotte aufzubauen.
»Ihre Idee, Schiffe zu bauen, die zehnmal leistungsfähiger sind als die heutigen, ist angenommen worden«, sagte Wera zu Olga. »Aber wir werden nicht nur zwei Versuchsexemplare herstellen, wie Sie vorgeschlagen haben, sondern eine Serie von hundert Schiffen. Und noch etwas Angenehmes Für Sie:
Das Kommando über das erste galaktische Geschwader wird Ihnen übertragen. Auch du darfst dich freuen, Bruder«, sagte sie zu mir. »Es ist technisch unmöglich, die gigantischen galaktischen Kreuzer auf der Erde zu bauen. Deshalb wurde beschlossen, einen Planeten in eine spezialisierte kosmische Werft umzuwandeln. Die Wahl ist auf den Pluto gefallen. Der Merkur wird sich auf die Herstellung von Aktivstoffen für die Tanew-Annihilatoren spezialisieren. Das sind die wichtigsten Empfehlungen des Rates. Wenn die Menschheit sie bestätigt, werden sie Gesetz.«
Ich freute mich tatsächlich, und ich war stolz auf den Pluto. Allan und Leonid erkundigten sich, wann wir zur Ora fliegen würden. Wera antwortete, die Vorbereitung der Expedition erfordere noch einen Monat, doch die Kapitäne der Sternenpflüge würden eher zum Pluto reisen.
15
Wera, Romero und ich verließen die Erde am 15. August 563 der neuen Ära in der letzten Gruppe. Bevor wir den interplanetaren Expreß bestiegen, unternahmen wir einen Flug über der Erde. Sie war schön. Ich versank in ihrem und der Sonne Anblick.
Wir verabschiedeten uns für lange von ihnen.
Im Salon des Planetenflugzeugs vergaß ich rasch die Erde. In Gedanken ging ich schon auf dem Pluto spazieren.
Nichts ist langweiliger als die interplanetaren Linienschiffe, diese altertümlichen Raketenkutschen mit ihrer Photonenzugkraft. Selbst ihr Äußeres – sie gleichen langen, häßlichen Zigarren – hat sich seit dreihundert Jahren nicht verändert. Ihr Tempo ist geradezu prähistorisch – zum Mond brauchen sie fünf Minuten, zum Mars vierundzwanzig Stunden, für einen Flug zum Pluto gar eine Woche. Keiner dieser »Expresse« ist imstande, sich schneller als vierzigtausend Kilometer in der Sekunde fortzubewegen. Und die Gravitatoren funktionieren nicht in jedem Expreß einwandfrei, manchmal spürt man die Schwere zunehmen. Nur die Schwerelosigkeit überwinden sie mühelos, aber es wäre lächerlich, würden sie vor einer so kinderleichten Aufgabe passen.
16
Jenseits des Uranus holen die Expresse auf, sogar unser Rumpelkasten schaffte ein Zehntel der Lichtgeschwindigkeit. Der Pluto funkelte in den Bullaugen, wuchs aus einer Erbse zu einem Apfel. Rings um ihn flammten die winzigen künstlichen Sonnen auf, an seinen Polen erhoben sich Dunstprotuberanzen die Werke für Wasserdampf und synthetische Atmosphäre arbeiteten seit kurzem mit voller Leistung und lieferten stündlich zehn Millionen Tonnen Wasser und zwei Milliarden Tonnen Stickstoff-Sauerstoff-Gemisch.
»Das Wasser reicht bisher noch nicht aus, aber die Atmosphäre ist bereits der irdischen vergleichbar, es atmet sich dort wie bei uns im Gebirge«, sagte ich.
»Das Interessanteste au!« dem Pluto sind die Luftwerke«, sagte Wera. »Von ihrer Arbeit hängt jetzt ab, ob es uns gelingt, den Pluto in ein galaktisches Werk umzubauen.«
Als wir uns dem Pluto näherten, fragte Wera, was für gigantische Blöcke über dem Planelen kreisten. Es waren neun, ein Block ragte wie ein Berg zwischen Hügeln hervor.
Ich sagte feierlich, wie es sich für solch einen Augenblick gehört: »Das ist der Stützpunkt der Sternenpflüge. Jener riesige ist die »Raumfresser«, das Flaggschiff der galaktischen Flotte. Hier verabschieden wir uns endlich von den Photonenraketen.«
17
Eine galaktische Expedition vorzubereiten ist in jedem Falle schwierig, unsere trug zudem noch besonderen Charakter für sie wurden ungeahnte Reserven von Aktivstoff benötigt, der die Rolle eines Zünders bei der explosiven Umwandlung von Masse in Raum spielt. Aktivstoff wird vom Merkur geholt.
Die Sternenflugzeuge kreisten über dem Pluto und warteten auf den letzten Transport.
Wera besichtigte den Planeten, und ich begleitete sie. Der Beschluß des Großen Rates, den Pluto zu einem galaktischen Werk auszubauen, war durch Jahre intensiver Arbeit auf diesem Planeten vorbereitet worden. Von allen Sonnenplaneten ist der Pluto am meisten auf Arbeit eingestellt, und bislang ist er der einzige moderne interastrale Hafen. Zu langen Reisen starteten die Schiffe einstmals vom Mars, sogar von der Erde, dann sahen die Leute ein, daß Handwerkelei bei der Erschließung des Kosmos unzulässig sei. Alle Ressourcen der Menschheit wurden aufgeboten, um die Ora zu schaffen.
Zuerst besuchten wir eins der Atmosphärenwerke.
Die Anlage rückte in einer Breite von etwa zwei und einer Länge von rund zehn Kilometern über die Oberfläche des Planeten vor und schnitt dabei eine Bodenschicht ab. Als wir am Werk eintrafen, hatte die Schneidewand einen Granithügel erreicht.
Vor unseren Augen sank der Hügel zusammen, er schmolz wie in Feuer dahin. Bald war keine Spur mehr von ihm übrig, und das Werk kroch weiter. Auf der verlassenen Stelle breitete sich eine schwarze Schicht künstlichen Bodens, der gedüngt und mit Pflanzen- und Blumensamen versehen war.
Über dem Werk tosten Winde – Tausende Tonnen produzierter Luft wurden jede Sekunde in die Atmosphäre gejagt. Ich hielt Wera in möglichst großem Abstand von den Wirbelstürmen, dennoch wurde ihr der Hut vom Kopf gerissen. Beinahe wäre ein Unglück geschehen. Romero stürzte dem Hut nach, wurde von den Luftströmen zu Boden geworfen, und wir mußten ihm zu Hilfe eilen.
Leonid und ich klammerten uns an Pawel, Allan kam gerannt, um uns zu unterstützen. Zu dritt zogen wir Romero von dem tobenden Luftabgrund fort, in den er um ein Haar geraten wäre.
»Wenn ihr nicht gewesen wäret, würde ich schon unter den Wolken fliegen«, sagte er. Sein Gesicht war bleich.
»Ich meine. Sie wären zu Sauerstoff und Stickstoff verarbeitet worden«, versetzte ich. »Und fünf Minuten später hätten wir Sie eingeatmet, Pawel.«
»Wie wir wahrscheinlich jetzt meinen Hut atmen« bemerkte Wera. »Warum gibt es keinen Zaun um das Werk?«
»Hier ist sonst niemand«, erklärte ich. »Die dreitausend automatischen Werke sind in Wüstengegenden aufgestellt worden. Und Exkursionen von der Erde zum Pluto sind nicht erlaubt.«
»Und werden nicht erlaubt, solange ihr nicht mit der Montage eurer Staatsmaschine für zehn Millionen Beschützerinnen fertig seid«, bestätigte Wera. »Ein Unglück wie dieses, das Pawel beinahe zugestoßen wäre, ist auf der Erde längst undenkbar.«