Выбрать главу

Obwohl Irina das Dechiffriergerät auf alle Bereiche eingestellt hatte, gab es keinen Kontakt. Wenn der Arane irgendwelche Signale generierte, so erreichten sie uns nicht.

Irina sagte verzweifelt: »Sicherlich ist er ein denkendes Wesen, leider sind unsere Empfänger außerstande, ihn zu verstehen.«

»Dafür versteht er uns, scheint mir, und ganz ohne Spezialempfänger«, sagte Orlan nachdenklich.

Ihn machten, genau wie mich, der kluge Blick der unteren Augen und die Schärfe des oberen stutzig.

Ich hatte das Gewese mit dem Dechiffriergerät satt und stand auf. Auch Mary erhob sich. Ich nickte ihr zu, und sie trat mit mir dicht vor den spinnenförmigen Kosmonauten. Ich weiß nicht, was mich trieb, ihn unverwandt anzustarren. Wahrscheinlich war Orlans Bemerkung schuld. Mich empörte der Gedanke, daß er uns verstand, vielleicht sogar kaltblütig studierte, während wir wie die Versuchskaninchen warteten, bis er geruhte, uns klar anzusprechen. Ich bin nicht sicher, ob es mir gelang, meiner Stimmung präzisen Ausdruck zu verleihen, meiner Gereiztheit erinnere ich mich jedenfalls.

Beinahe feindselig ließ ich den Blick von den mächtigen achtgliedrigen Beinen zu dem runden, mit schwarzen Härchen bedeckten Hinterleib wandern, vom Hinterleib zum Kopf auf dem die Haare aufrecht standen, die wie Arme oder Schlangen waren vom Kopf zu dem dreiäugigen, rundmäuligen, brauenlosen Gesicht. Den Blick der unteren Augen, die dunkel, rund und traurig waren, ertrug ich. Nach wie vor schauten sie nur, ohne jegliche Herausforderung, das obere Auge jedoch funkelte böse, feindselig, ich mußte mit ihm kämpfen; wütend starrte ich, nahm meinen ganzen Willen zusammen, um den Strom der Mißgunst, der ihm entströmte, zu parieren, um die Feindseligkeit, die scheinwerfergleich gegen mich flutete, zu zerstreuen, zu sprengen, zu zerschmelzen.

Mary faßte erschreckt meine Hand. »Eli, was hast du? Du bist so rot!«

»Laß mich!« zischte ich. »Diesem Sternenfahrer werde ich zeigen, daß er keinem stumpfen Vieh, sondern einer höheren Kraft begegnet ist!«

Heute frage ich mich verwundert, woher ich diese Worte nahm, diesen leidenschaftlichen Zorn. Der spinnenhafte Wanderer hatte uns ja nicht beleidigt, und unkontrollierbare Gefühle standen keinem an, mir, dem wissenschaftlichen Leiter der Expedition, schon gar nicht. Und wahrscheinlich hätte ich im nächsten Augenblick die Kraft gefunden, mich zu beherrschen. Flüchtig sah ich Orlans Überraschung, Grazis vorwurfsvollen Blick, ich hörte Lussin traurig seufzen, all das hätte seine Wirkung auf mich nicht verfehlt, hätte der Sternenwanderer mich nicht selbst besänftigt. Das obere Auge trübte sich plötzlich, unterschied sich nicht mehr von den unteren, es waren harmlose Augen, die da schauten, die zu verstehen trachteten. Sie konnten Erstaunen wecken, Interesse, sogar Mitgefühl, nur nicht Raserei. Und ich schämte mich meines Ausbruchs. Kleinlaut sagte ich: »Ich gehe. Zweifellos werden wir Kontakt mit dem Unbekannten haben. Allerdings bin ich nicht überzeugt, daß das in der nächsten Minute geschieht.«

Der Kontakt kam in der nächsten Minute zustande. Ich hatte noch keine drei Schritte in Richtung Tür getan, als die Stimme des Fremdlings ertönte. Der Arane drückte sich in unserer Menschensprache aus.

Nein, er drückte sich nicht in unserem Sinne aus.

Zu einer Lufterschütterung, die Klang genannt wird, kam es nicht. Da er unseren Sprechapparat nicht besaß, hätte er auch gar nicht sprechen können. Seine Stimme erklang in unseren Gehirnen, und bei jedem anders, der Natur des Hörers gemäß. Der Arane leitete seine Rede unter Vermeidung der Ohren unmittelbar in die Gehirnzellen. Er brachte die Gehirnsubstanzen zum Schwingen, in dem Chaos der Wellen, die in unseren Denkzellen wirbelten, wählte er unbeirrt diejenigen, welche die Empfindung der Sprache hervorriefen. So erzeugt ein Druck auf den Augennerv die Empfindung, daß Licht aufleuchte. Wenn wir zurückkehren, falls wir zurückkehren!-, werden Spezialisten diese Sprache ohne Worte erforschen, die Musik ohne Töne. Letztlich liegt dasselbe Prinzip unseren Dechiffriergeräten zugrunde, wenn sie auch nicht so ungezwungenen Kontakt mit andersdenkenden Wesen herzustellen vermögen.

»Ich verstehe euch«, sagte der Arane zu jedem in dessen Sprache. »Und ihr werdet mich verstehen. Ich bin ein Flüchtling aus den Untergehenden Welten.

Wir waren sechs. Wir wollten eine Wende unserer Zeit herbeiführen, in eine ferne Zeit gehen und uns in ihr behaupten. Das ist uns nicht gelungen, aus der fernen Zeit sind wir in unsere gefallen. Meine Kameraden sind bei der ersten Wende umgekommen. Sie ertrugen die Zukunft nicht. Sie konnten nur in der Gegenwart leben. Ich bin unversehrt geblieben, doch beim Sturz aus der fernen in unsere Zeit verlor ich das Bewußtsein. Ihr habt mich gerettet. Stellt Fragen!«

Ich würde gegen die Wahrheit verstoßen, erwähnte ich nicht, mit welchem Erstaunen wir dem spinnenförmigen Astronauten zuhörten. Ich will den Ursachen nachgehen, denn sie sind wichtig. Wir waren schon Wesen begegnet, die noch viel seltsamer aussahen. Auch die unmittelbare Rede, von Gedanke zu Gedanke, ohne die Mitwirkung von Dechiffriergeräten, war nicht besonders merkwürdig hatte nicht auf diese Weise einst Orlan seine Mitteilungen meinem Gehirn eingeflößt? Es gab also keinen Anlaß, verwundert zu sein. Dennoch tauschten wir verwirrt Blicke, keiner konnte sein Erstaunen verbergen. Da ich nun alle späteren Ereignisse abwäge, finde ich nur einen Grund: Allzu rasch und einfach war der Kontakt mit dem Wanderer zustande gekommen. Unsere Sprache, unsere Art zu denken, unsere Logik und unsere Gefühle verstand der Arane perfekt. Das war unfaßbar, wir waren verblüfft, ohne uns dessen deutlich bewußt zu sein. Wir waren sogar ein wenig erschrocken, weil es einem Fremdling mühelos gelang, in unsere Gedanken einzudringen und in uns mit eigener Stimme in unserer Sprache zu sprechen. Das war nicht nur überraschend, sondern auch gefährlich, wir spürten das sofort. Und wir achteten dann weniger auf den Inhalt als vielmehr auf die Art und Weise der Übertragung. In alten Zeiten scherzte ein Witzbold:

»Das interessanteste an einem sprechenden Pferd ist nicht der Sinn seiner Rede, sondern die Tatsache, daß es überhaupt redet.« Eine Analogie zu dem sprechenden Pferd war vorhanden. Ich hatte lauthals geprahlt, daß der Unbekannte einer höheren Kraft begegnet sei. Mit seiner Ansprache gab er bescheiden zu erkennen, daß wir einer höheren Vernunft begegnet waren.

Als erster faßte sich Romero. »Wenn Sie erlauben, werde ich das Gespräch mit dem verehrten Zeitenwanderer führen«, sagte er zu mir und wandte sich an den Aranen: »Also, lieber Sternengast, Sie sind ein Flüchtling aus den Untergehenden Welten. Gestatten Sie die Frage was sind das für Untergehende Welten?«

Im Gehirn eines jeden erklang die Antwort: »Ihr werdet sie bald sehen. Ihr habt Kurs auf die Untergehenden Welten genommen.«

»Gehören Sie zu den Bewohnern der Untergehenden Welten?«

»Sie sind von solchen wie ich und meine toten Freunde besiedelt.«

»Die Frage der Beschaffenheit Ihrer Wohnplätze lasse ich mit Ihrer Erlaubnis einstweilen beiseite. Jetzt interessiert mich ein anderes Problem. Sie fliehen aus den heimatlichen Sternenhorsten, wenn ich Ihre.., hm… Untergehenden Welten Aber warum haben Sie für die Flucht einen Kollapsar gewählt? Ein so entsetzliches Ereignis wie ein Kollaps ist doch an und für sich verderblicher als jede andere Erscheinung in der Sternenwelt.« »Unsere Welten sind von der Zeitkrankheit befallen. Wir haben eine mürbe Zeit, oft birst sie. In euren Gehirnen lese ich den Namen einer furchtbaren Krankheit, die einst in euren Welten grassierte. Wir haben Zeitkrebs.«

»Zeitkrebs!« riefen wir beinahe wie aus einem Munde.

»Ja, Krebs! Dieser Ausdruck vermittelt die beste Vorstellung von der Krankheit der in den Untergehenden Welten verrinnenden Zeit. Aus ihr wollten wir in eine beliebige andere, vergangene oder künftige ausbrechen, wenn sie nur gesund war. Ein Wechsel der Zeit ist bei einem Sternkollaps möglich, da sie dort transformiert wird. Gegen die verstärkte Gravitation waren wir geschützt. Wir gerieten, wie wir es gewünscht hatten, in die Zeitinversion. Aber die Zukunft behielt uns nicht.«