Vielleicht mißfiel ihr das, jedenfalls äußerte sie ihre Unzufriedenheit nicht.
»Ich hoffe, du bist nicht eifersüchtig, wenn ich deinen Mann für ein paar Tage zu mir nehme?« sagte Olga so ernst und bewegt, daß Mary lächelte.
»Eifersüchtig bin ich nur auf ihn selbst, Olga. Denn der einzige Mensch, der mir meinen Eli unverfroren wegnimmt, ist Eli… Du kannst mir weder schaden noch helfen.«
Mary umarmte mich fest, und ich verließ die »Steinbock«.
Einen geeigneten kleinen Planeten hatten wir bald gefunden. Die einzige Schwierigkeit bestand darin, daß seine Bahn genau hinter der Bahn der Arania lag, annihilieren wollten wir aber zwischen der Arania und dem Dreifachstern. Andererseits hatte Grazi festgestellt, daß es niemals Leben auf ihm gegeben hatte und auch in Zukunft die Entstehung jeglicher Form von Leben ausgeschlossen war; mit solch einem Bastard brauchte man keine Umstände zu machen.
Den feindlichen äußeren Kräften schien eine Veränderung der Planetenbahnen gleichgültig zu sein. Drei Lastensternenflugzeuge, die entsprechend programmiert waren, zogen den Planeten hinter sich her.
Er löste sich von seiner Bahn und glitt entlang der steilen Spiralenwindung in den Raum zwischen der Arania und den Drei Staubigen Sonnen.
Ich saß im Sessel neben Olga. Sie bereitete sich auf die zweite Etappe der Operation vor, ich war im Anblick des Kosmos versunken. Ringsum herrschten Ruhe und Frieden, das war erfreulich und beunruhigend zugleich. Die »Schlangenträger«, die »Stier« und die »Steinbock«, deren Lichter nur im Vervielfacher erkennbar waren, hielten sich abseits, damit sie nicht in den Brennpunkt plötzlichen Widerstands gerieten. Die Bahnänderung befehligte Ellon, er saß im Kommandeursaal neben Oleg. Seinerzeit hatte er uns geholfen, den Räuberplaneten zum Teufel zu jagen, jetzt leitete er einen anderen Planeten entlang genauso einer Gravitationsschnecke sehr gleichmäßig und sicher auf eine neue Bahn, wo ihn der Untergang erwartete. In der Schnecke schraubten sich, eigentlich wurde sie von ihnen geschaffen, die drei automatischen Schiffe, die im Vergleich zu der ihnen folgenden Beute winzig waren.
»Die Explosionsbahn ist erreicht, Eli«, sagte Olga.
»Petri geht auf direkte Annihilationsdistanz. Bald sind wir an der Reihe, in den freien Tunnel auszubrechen.«
Wir kamen nicht an die Reihe. An die Reihe kamen die feindlichen Kräfte. Das Grauen, das sich vor meinen Augen abspielte, wird mein Gedächtnis bewahren, solange ich lebe.
Der Planet befand sich jetzt auf seiner neuen Bahn, genau zwischen den Drei Sonnen und der Arania. Die Gravitationsschnecke hatte er verlassen. Vor ihm waren die drei automatischen Sternenflugzeuge, hinter ihm die übrigen galaktischen Frachter. Das zur Annihilation verurteilte Schiff jagte neben dem Planeten einher. Die »Widder« hatte auf der Linie zwischen der Arania und den Drei Sonnen Invasionsdistanz bezogen. Die »Stier« näherte sich von der Seite. Sie sollte einen blitzschnellen Schlag gegen das verurteilte Sternenflugzeug führen, ebenso blitzschnell die Annihilatoren ausschalten und in dem Wirbel neugeschaffenen Raums zurückfliegen, während wir auf der »Widder«, gegen Einwirkungen von außen abgeschirmt, ins Zentrum des Sturmes vordrangen, auf gerader Linie zum Planeten. So war der Plan. Als ich im Vervielfacher die fliegende »Stier« sah, sah ich in Gedanken natürlich auch Petri. Der ruhige Kapitän der »Stier« betrachtete vorgebeugt das auf dem Bildschirm größer werdende verurteilte Sternenflugzeug, er hob die Hand und würde sie in der nächsten Sekunde mit dem Ruf »Feuer« sinken lassen. Aber nicht er feuerte.
Es war derselbe Strahl, der verfluchte Strahl, der den Roten Stern zerfetzt hatte. Diesmal war er kleiner und dehnte sich nicht wie ein verderbenbringendes leuchtendes Rohr durch den ganzen sichtbaren Raum, sondern schoß aus der rauchigen Ferne hervor und verschwand. Und er fuhr nicht in den Planeten, nicht in die schleppenden Sternenflugzeuge vor ihm, nicht in die begleitenden hinter ihm, auch nicht in das zum Öffnen des kosmischen Tores bestimmte Schiff neben ihm, sondern genau in die »Stier«! Eine Explosion, ein rasender Feuerball, ein Wölkchen glühenden Staubs, das war’s, was wir an der Stelle sahen, wo eben ein drohendes Schiff geflogen war, ausgerüstet mit vollkommenen Maschinen, bemannt mit Menschen und Demiurgen. Es gab kein Schiff mehr, es gab keine Menschen mehr, es gab keine Demiurgen mehr, nicht einmal Leichen waren übriggeblieben! Es gab nur Staub, leuchtenden, sich ausbreitenden, erlöschenden Staub. Und dann beobachteten wir noch, wie die Sternenflugzeuge davor und dahinter die streng berechneten Bahnen wechselten, aufeinanderprallten und sich zu einem einzigen lodernden Haufen vermengten. Explosion um Explosion bezeichnete das Ende der Schiffe. Und wir konnten ihnen nicht helfen, wir mußten zugrunde gehen wie sie, wie zuvor unsere Freunde auf der »Stier« zugrunde gegangen waren. Ich preßte das Gesicht an den Vervielfacher. Zum lodernden Gemisch der Schiffe hin stürzte, steuerungslos, die »Steinbock«. Ich biß mir die Hand blutig, brüllte vor Wut und Verzweiflung. Ich konnte, wollte ihren Untergang nicht sehen, es trieb mich vom Vervielfacher fort. Ich bezwang mich, denn ich mußte sehen, mußte alles sehen, um zu begreifen, was geschah. Und um an den Schuldigen der Katastrophe schreckliche Rache zu üben, falls ich am Leben blieb!
Wie durch ein Wunder schwenkte die »Steinbock« plötzlich ab und jagte ins staubige Dunkel davon. Die »Schlangenträger« hatte den Kurs schon eher gewechselt und flog auf einer stetigen Kurve um das Epizentrum der Katastrophe.
Erschöpft lehnte ich mich im Sessel zurück. Und erst da bemerkte ich, daß Olga mich verzweifelt rüttelte.
»Eli! Eli! Komm zu dir!« flehte sie. »Unsere Schiffsmaschine streikt, ich kann den Triebwerken keinen einzigen Befehl übermitteln! Wir rasen auf die Frachter zu!«
Ich weiß nicht, wie schnell mir Olgas verzweifelter Ruf bewußt wurde. Wahrscheinlich ernüchterte mich ihr vor Entsetzen verzerrtes Gesicht, ich hatte bisher nicht vermutet, daß sie fähig sei, Entsetzen zu empfinden. Nun hatten sich die Umstände so gefügt, daß ihre unwandelbare vernünftige Ruhe wie fortgefegt war.
Und ich begriff in diesem ersten Augenblick des wiederkehrenden Bewußtseins, daß ihr blindes Entsetzen nicht auswuchern durfte. Was mit dem Schiff auch geschah, der Kommandant war verpflichtet, einen klaren Kopf zu behalten, sonst stand es vollends schlecht um uns.
»Keine Panik!« schrie ich. »Gehen wir auf Handsteuerung über!«
Aber wir konnten auf gar nichts übergehen, die Handsteuerung funktionierte ebensowenig wie die automatischen Systeme. Ich starrte, als hätte ich hundert Augen, auf die Handsteuerungstafel neben meinem Kommandeursessel, griff, als hätte ich hundert Finger, nach den Knöpfen und Hebeln, nichts war intakt! Und plötzlich fiel mir ein, daß es eine Kette gab, die man nicht abschalten, nicht blockieren konnte, die als einzige keinem gedachten Befehl, sondern nur einer mechanischen Schlüsseldrehung gehorchte die Kette eines Systems von Ladungen, die das Schiff sprengten. Das war meine Kette, in der Schule hatte ich sie berechnet, einst kannte ich jeden ihrer Kontakte, jede Leitungsverbindung. Sie war nur dazu bestimmt, das Schiff in einer außergewöhnlichen Situation von innen her zu vernichten. Das war eine Kette der Verzweiflung, nicht der Hoffnung. Nur sie konnte uns jetzt retten.
»Der Schlüssel!« brüllte ich und packte Olgas Hand. »Der Schlüssel zu den Sprengkammern!«
Sie prallte zurück. Ihr ohnehin angstbleiches Gesicht wurde kreideweiß. »Vielleicht geht es gut ab!« stammelte sie. »Eli, Eli, ich habe noch Hoffnung…«
Ich hätte sie erwürgen können. Es gab keine Hoffnung. Wir jagten genau auf die Schutthalde der Sternenflugzeuge zu.
»Närrin! Ich denke nicht an Selbstmord! Gib sofort den Schlüssel, Olga!«
Zitternd knöpfte sie sich die Jacke auf. Der Schlüssel hing ihr auf der Brust. Ihre ungelenken Finger konnten das Kettchen nicht lösen. Ich zerriß es und hatte den Schlüssel. Ich stürzte zu der abseits stehenden Tafel. Sie besaß nur eine versiegelte Öffnung.