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Niemand hatte das Recht, das Siegel zu entfernen. Ich riß es ab, führte den Schlüssel ein und drehte ihn vorsichtig. Ruhig, hörst du, ruhig! rief ich mir in Gedanken zu. Ein Drittel der Umdrehung, der erste Kontakt, ein Fehler ist nicht zu korrigieren!

Eine schwere Explosion erschütterte das Schiff. Der rechte hintere Teil, derselbe, wo unsere drohenden Kampfannihilatoren eingebaut waren, hörte auf zu existieren. Eine mächtige Sternenfestung hörte auf zu existieren, die in der Lage gewesen war, Planeten zu zerstören und feindliche Flotten zu zerstreuen. Aber das Sternenflugzeug selbst lebte, obwohl es seine Bewaffnung eingebüßt hatte. Der schreckliche Stoß hatte es nach links abgetrieben, und es jagte, das verderbliche Feuer meidend, seitwärts fort – und das geschah möglicherweise in der letzten Sekunde, die uns zur Rettung verblieben war.

Olga schrie auf und fiel in den Sessel.

Eine Weile schwiegen wir. In den Kommandeursaal drangen die Geräusche des Schiffes nicht, doch in allen Räumen und Korridoren liefen Menschen und Sternenfreunde verwirrt umher. Sowohl das Grauen vor dem unvermeidlichen Untergang als auch die Freude über die unerwartete Rettung war ihnen vollauf zuteil geworden. Ich weiß nur nicht, was die Nerven stärker belastete, die Todesfurcht oder die Befreiung davon.

Olga sagte mit schwacher Stimme: »Ach, Eli, solch eine Katastrophe! Ich begreife nichts! Was ist das für eine Kraft, die unsere gegen Fremdeinwirkung geschützten Schiffsmaschinen blockieren konnte? Warum schweigst du, Eli? Ich hab‘ Angst, sprich doch, ich begreife ja nichts!«

Ich sagte möglichst ruhig: »Ich habe geschwiegen, weil ich alles begreife. Die Ramiren haben uns den Krieg erklärt. Sie haben Allans Geschwader und deinen Mann ausgelöscht, Olga. Jetzt sind wir an der Reihe.«

Sie schaute mich groß an, beinahe wie von Sinnen.

»Ich bin es gewohnt, dir zu glauben, Eli, deine Worte habe ich nie bezweifelt. Aber sie konnten doch nicht wissen, daß ausgerechnet Petri die Operation beginnt, nicht ich, nicht Kamagin, nicht Oshima, sondern Petri! Das wußten nur wir auf den Schiffen. Dennoch haben die Ramiren allein Petri angegriffen!«

»Wir haben auch etwas abbekommen. Vergiß nicht, daß unsere Schiffsmaschinen blockiert sind«, entgegnete ich finster. »Und die Frage, wie sie unsere Pläne erfahren konnten, ist einfach zu beantworten.

Ein Kundschafter hat sich bei uns eingeschlichen!«

»Sagtest du Kundschafter, Eli?«

»Mißfällt dir das Wort? Dann sagen wir Spion, Späher, Aufklärer, Lauscher, Spitzel, Verräter oder Geheimagent, nimm, welches du willst! Und er befindet sich auf dem Flaggschiff. Auf der ,Steinbock’, Olga!«

Dritter Teil

- Das zerrissene Band der Zeit -

1

An Wiederherstellung war nicht zu denken. Im Schiffsrumpf klaffte eine riesige Wunde. Die Konstrukteure hatten alles getan, damit ein möglicher Gegner die Annihilatoren nicht in seine Gewalt brachte, ja nicht einmal erraten konnte, was für Maschinen sich im rechten Heck des Sternenflugzeugs befanden.

Nach der Besichtigung der Zerstörungen bekannte Olga: »Ich wäre nicht daraufgekommen, daß sich die Bahn des Schiffes auf diese Weise korrigieren läßt.

Vernichtung der Annihilatoren… Eine völlig unzulässige Abwehrvariante… Ich trug den Schlüssel wie eine Berlocke oder ein Medaillon. Wieso ist er dir eingefallen, Eli?«

»Wahrscheinlich deshalb, weil ich in den letzten Tagen nur Unzulässiges denke«, sagte ich. »Meine Gedanken sind allein von Unwahrscheinlichkeiten in Anspruch genommen. Außerdem habe ich mich in der Gefangenschaft, nachdem wir Orlan die ,Bootes‘ unbeschädigt ausgeliefert hatten, erinnert, daß es noch einen Ausweg gegeben hätte, die Vernichtung der Annihilatoren.«

»Zum Glück konntet ihr euch damals auf eine Verwirrung der Schiffsmaschinen-Schaltung beschränken.« »Was heute offenbar die Feinde für uns erledigt haben«, sagte ich voll Bitterkeit.

Inzwischen war klargeworden, daß auch die Schiffsmaschine vorläufig nicht wiederherzustellen war. Äußerlich wirkte sie genauso unbeschädigt wie kürzlich die Schiffsmaschine der »Rammbock«. Aber wenn diese, Ursachen und Folgen verwechselnd, schlecht und recht funktioniert hatte, so nahm jene weder Signale entgegen, noch gab sie welche ab. Sie arbeitete einfach nicht. Es lag eine unfaßbare Kompliziertheit in der Wortverbindung: Arbeitete einfach nicht!

Dafür gelang es, die Handsteuerung in Ordnung zu bringen. Die »Widder« bewegte sich wieder, freilich auf primitive Weise, außerstande, Situationen überschnell zu bewerten und sich rasch im Raum zu orientieren. Sie war nur in dem Maße schnell, präzise und verständig, wie es die diensthabenden Steuerleute waren. Für galaktische Fahrten taugte ein solches Schiff nicht mehr.

Auch die Nachrichtenübermittlung klappte wieder, und von Oleg traf eine Depesche ein. »Was ist mit euch? ‚Widder’! Was ist mit euch? Gebt Bescheid!«

Dann empfingen wir eine Einladung auf das Flaggsternenflugzeug für Olga und mich und eine Information über die Verluste. Drei Viertel des Geschwaders waren untergegangen, die »Stier« und zwölf von den vierzehn galaktischen Frachtern. Auf der »Steinbock« und der »Schlangenträger« waren die Schiffsmaschinen ebenfalls gestört, und die Mechaniker konnten eine schnelle Wiederherstellung nicht garantieren. Olga und ich bestiegen ein Planetenflugzeug. Auf der »Steinbock« warf sich mir Mary an die Brust. Sie weinte, als wäre ich tot. Ich wischte ihr die Tränen ab und riet ihr, mich anzuschauen. Ich lebte, war rüstig und gesund und gedachte es noch lange zu sein.

»Mir wurde schwarz vor Augen, als ich sah, wohin es die ,Widder‘ trug!« Sie starrte mich an, als glaubte sie immer noch nicht, daß ich leibhaftig vor ihr stand.

»Ihr wart dem Epizentrum der Explosion so nah!«

Erst jetzt ging mir ein, was man auf der »Schlangenträger«

und der »Steinbock« durchgemacht hatte.

Ich hatte um sie gebangt, doch sie hatten mehr Grund gehabt, um uns zu bangen.

Romero sagte mit kummervoller Miene und in dem zitierenden Ton, den er anschlägt, wenn er zu Beispielen aus der Historie Zuflucht nimmt: »Die ,Stier‘ ist den Feinden zum Opfer gefallen, lieber Admiral. Wir müssen, wie betrüblich es auch ist, zugeben, daß sie mächtiger sind als wir.«

»Ob sie mächtiger sind, weiß ich nicht, aber listiger sind sie, Pawel.«

Zu dem bedrückten Oleg sagte ich: »Die Vergangenheit läßt sich nicht zurückholen, wir wollen an die Zukunft denken. Ich stelle dir eine Frage, beantworte sie mir möglichst genau. Eure Schiffsmaschine setzte zweimal aus, nicht wahr? Sie streikte, arbeitete dann sekundenlang weiter und streikte erneut nun endgültig. Sehe ich das richtig?«

»Stimmt genau«, sagte er erstaunt. »Welche Schlußfolgerung ziehst du?«

»Eine sehr wichtige«, versicherte ich und verlangte eine Konferenz in kleinem Kreis: die Kapitäne der Sternenflugzeuge, ich, Romero, Grazi, Orlan, Vagabund.

Dann ging ich in den Konservierungsraum. In einem durchsichtigen Sarkophag, ewig unwiederbringlich und ewig unverweslich, lag Lussin, so natürlich, wie schlafend, anzusehen, daß ich nicht nur so einfach dastehen und ihn betrachten konnte. Ich sagte zu ihm: »Lussin, du weißt, ich habe nie Rache geübt.

Nicht einmal für meinen Sohn, der auf dem Dritten Planeten ums Leben kam. Er unterlag in einem direkten Kampf mit einem direkten Feind, der in jenem Augenblick stärker war als wir. Nein, ich habe Aster nicht gerächt, du weißt das, Lussin! Du bist gütig, du bist zartfühlend, Lussin, du hättest es mir nicht erlaubt. Aber dich werde ich rächen! Du bist das Opfer von Heimtücke, bist nicht in einem ehrlichen Kampf gefallen. Ich muß dich rächen, Lussin! Auch Petri und die Kameraden von der ,Stier’! Auch Allan und Leonid! Auch die Aranen, einst ein mächtiges, heute ein jämmerliches Volk, das die Wissenschaften vergessen hat und in Aberglauben versunken ist! Streite nicht, Lussin! Sei über meine Härte nicht empört. Die Feinde lassen uns keine andere Wahl. Es fällt mir schwer, unendlich schwer, Lussin! Aber vergiß nicht: