Einen anderen Ausweg haben wir nicht!«
So sprach ich mit ihm, schüttete ihm mein Herz aus, bekannte ihm, was ich selbst Mary nicht bekannt hätte. Und ich verließ den Konservierungsraum zwar nicht beruhigt, aber doch voller Klarheit. Ich hatte die Zweifel abgeschüttelt und wußte, daß ich mir von nun an Rührseligkeit nicht gestatten würde. Unser Weg würde schwer sein, vielleicht lang, ich würde ihn bis zum Ende gehen! Niemand kennt seine Zukunft.
Der Weg ist tatsächlich lang, aber er nimmt ein Ende!
Die Konferenz sollte in einem absolut abgeschirmten Raum stattfinden, diese Forderung hatte ich gestellt. Und Oleg hatte keinen besseren als die Behausung des Drachens gefunden, in den anderen abgeschirmten Räumen hätte Vagabund nicht Platz gehabt. Als ich kam, hatten sich die anderen bereits eingefunden. Kamagin und Oshima teilten mit, was auf der »Schlangenträger« und der »Steinbock« vorgefallen war. Olga fügte ihre Schilderung über die Ereignisse auf der »Widder« hinzu. Ein unbekanntes Feld hatte auf allen Sternenflugzeugen die Schiffsmaschine von den Ausführungsmechanismen abgeschaltet, auf der »Schlangenträger« und der »Widder« einmal, auf der »Steinbock« zweimal. Das kurzfristige nochmalige Einschalten hatte wenige Sekunden gedauert, aber das war ausreichend gewesen, um den Kurs zu ändern und den Untergang zu verhüten. Die Handsteuerung auf der »Widder« und der »Steinbock« hatte sich rasch wiederherstellen lassen, auf der »Schlangenträger« war sie überhaupt nicht blockiert gewesen. Bevor die Schiffsmaschinen nicht repariert waren, konnten die Sternenflugzeuge weder die Fahrt zum Kern fortsetzen noch zur Basis zurückkehren.
Die »Widder« hatte so stark gelitten, daß sie nur noch als galaktischer Frachter Verwendung finden konnte.
Auf diese Weise waren von dem großen Geschwader nur zwei wenig leistungsfähige Sternenflugzeuge und drei Frachtschiffe übriggeblieben.
Oleg wandte sich an mich: »Die Konferenz ist auf deinen Wunsch einberufen worden, Eli. Du hast versprochen, eine wichtige Mitteilung zu machen. Wir hören, Eli.«
Zunächst stellte ich dem Drachen eine Frage.
»Vagabund, vermag sich ein biologisches Gehirn, ein mächtiges Gehirn, sagen wir deins, in die Arbeit einer Schilfsmaschine einzuschalten, aber nicht so, wie wir das tun, indem wir Kommandos erteilen, sondern indem es gewissermaßen die Arbeit aller ihrer Ketten dubliert?«
Der Drachen blickte mich an, ohne sich wie sonst ironisch zu geben. Die Frage war zu ernst, um sie mit Witzchen auszuschmücken. »Du verlangst zuviel von einem gewöhnlichen biologischen Gehirn, Eli. Eine Schilfsmaschine rechnet mit einer Geschwindigkeit von Billionen Kombinationen in der Sekunde, ein biologisches Gehirn ist dazu nicht fähig. Ein biologisches Gehirn ist nicht mathematisch, nicht analytisch, es legt nicht die Anatomie von Situationen bloß, sondern erfaßt sie mehr landschaftlich… So habe ich auf dem Dritten Planeten gearbeitet.«
»Du sagst, Vagabund: ein gewöhnliches, biologisches Gehirn, und beweist sogleich seine Ungewöhnlichkeit. Aber lassen wir das. Gut, mag es kein biologisches Gehirn sein. Wennschon ein denkender Mechanismus gleich der Schiffsmaschine geschaffen wurde, so können auch Konstruktionen erscheinen, die sie übertreffen. Und wenn solch eine Konstruktion, solch ein denkender Höchstleistungsmechanismus in unserem Geschwader mit den Schiffsmaschinen im Einklang arbeitete und diese brüsk zu hemmen wünschte, so würde das die Natur der Havarie erklären, nicht wahr?« Vagabund schwieg. Oleg bemerkte mißtrauisch:
»Zunächst muß bewiesen werden, daß sich so ein mächtiges feindliches Gehirn real auf einem der Schiffe befindet.«
»Es befindet sich auf der ,Steinbock’.«
»Sein Name!« schrie Ellon.
Er ließ den Kopf nicht gerne in die Höhe schnellen, jetzt übertraf er Orlan dabei. Die tiefliegenden Augen des Demiurgen flammten, der riesige Mund krümmte sich raubgierig. Ich wette, Ellon glaubte, ich spiele auf ihn an. Kalt sagte ich: »Beruhige dich, Ellon. Hätte ich auf dich gemünzt, wärest du nicht eingeladen worden. Der Spion heißt Oan.«
Ich hielt inne, damit man über meine Behauptung nachdenken konnte. Dann redeten alle gleichzeitig.
Oleg verlangte Beweise. Ich bat, mir Fragen zu stellen. Kamagin sagte, man müsse so schnell wie die Schiffsmaschine sein, um im Einklang mit ihr zu arbeiten und jeden ihrer Impulse durch Gegenimpulse zu verfälschen; ein Lebewesen, wie das eben erklärt worden sei, schaffe das nicht; wahrscheinlich gelte es nachzuweisen, daß Oan kein Lebewesen, sondern eine Konstruktion in der Gestalt eines Lebewesens sei.
Oshima fügte hinzu, daß die Schiffsmaschine eine beträchtliche Menge spezifischer Energie spezialisierter Felder verbrauche, woher beziehe Oan heimlich derartige Energie? Olga äußerte sich ebenfalls zweifelnd. Der Spion, der sich in die Arbeit der drei Schiffsmaschinen eingemischt hatte, müsse seine Kommandos mit Hilfe irgendwelcher Felder auf die anderen Sternenflugzeuge übertragen. Im Raum seien keine fixiert worden. Er habe doch wohl nicht eine physikalische Wirkung ohne physikalische Felder herbeigeführt! Orlan bemerkte, daß der Spion die Absichten der Astronauten erfassen müsse, ohne bei ihren Gesprächen zugegen zu sein, daß er ihre Gedanken auskundschaften müsse; doch selbst die Demiurgen brächten das nicht fertig, obwohl die Technik des Erspähens und Erlauschens im Zerstörerreich auf der Höhe gewesen sei, das bezweifle sicherlich niemand!
»Und wir sind doch so gut abgeschirmt!« sagte Grazi.
»Ich kann mir nicht vorstellen, wie zum Beispiel von hier Informationen hinaussickern könnten. Und unsere anderen Räume sind, obwohl kleiner, nicht schlechter abgeschirmt!«
»Kurzum, er muß etwas Übernatürliches an sich haben«, schloß Oleg.
Ich antwortete allen zugleich: »Was heißt übernatürlich? Unseren Vorfahren wäre die Fähigkeit, Raum zu annihilieren und sich mit Überlichtgeschwindigkeit fortzubewegen, übernatürlich erschienen, doch wir sind gewöhnliche Sterbliche. Ich behaupte eins: Wir sind auf merkwürdige Erscheinungen gestoßen, deren Erklärung vielleicht nicht weniger merkwürdig ist!«
Und ich erinnerte daran, wie wir Oan kennengelernt hatten. Er hatte in irgend so einer Gegenzeit in andere Welten tauchen wollen. Wenn das stimmte, so war es erstaunlich, denn es widerspräche dem, was wir bisher vom Lauf der Zeit im Weltall wußten. Oans Gefährten hatten den Tod gefunden, er allein war unversehrt geblieben. War das nicht abermals erstaunlich? Er hatte ein Sternenflugzeug gestohlen, dessen Konstruktion auch uns unklar war, und es sogar fertiggebracht, sich technisch seiner zu bemächtigen und in den Kosmos auszubrechen. Er hatte einen kollabierenden Stern ausfindig gemacht, sich in ihn gestürzt und sich dann aus der tödlichen Umklammerung gelöst, war die Kette der Erstaunlichkeiten nicht gar zu lang? Und all diese Taten, die das Können und das Wissen der Menschen, der Demiurgen und Galakten übertrafen, waren von dem Vertreter eines halbwilden Volkes vollbracht worden! War das nicht die größte Erstaunlichkeit? Wer war er unter den Seinen? Einer von ihnen oder ein Fremdling? Er hatte angedeutet, daß die Grausamen Götter in Aranengestalt unter den Aranen lebten. Und so einer war er, dieser spinnenförmige Denker und Ingenieur – ein Spion der Ramiren im Lager der Aranen! Seinem Wesen nach war er Kundschafter, nur getarnt durch äußere Wohlanständigkeit.
»Und sobald Oan mit uns Bekanntschaft geschlossen hatte, wechselte er den Beruf eines Spähers bei den Aranen gegen den Beruf eines Spähers bei uns«, fuhr ich fort. »Selbstverständlich konnte er sich nicht in einen Menschen, einen Demiurgen, einen Galakten, Engel oder Drachen transformieren. Wir sind wenige, wir hätten den Betrüger sofort entlarvt. Aber in der bisherigen Gestalt eines Aranen unsere Pläne erkunden, unsere Maschinen außer Gefecht setzen, das konnte er. Und nun will ich beweisen, daß Oan nicht nur ein schmutziger Spion und gefährlicher Diversant ist, sondern auch ein gemeiner Terrorist. Lussins Tod ist keineswegs auf irgendwelche Zufälligkeiten zurückzuführen. Der Schuldige ist er. Seht auf den Bildschirm.«