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»Das Gedicht heißt übrigens ,Dem Gedächtnis Chopins’. Ich weiß nicht, ob er Ihnen bekannt ist, Eli.

Und daß sich die Maschine des Gedächtnisses erinnerte, kann nur bedeuten, daß sie das Bewußtsein wiedererlangt. Die erste und wichtigste Eigenschaft des Bewußtseins ist das Gedächtnis! Ach, großartiger Eli, großartiger Eli, wissen Sie, welche Macht das Gedächtnis über den denkenden Verstand hat? Das Gedächtnis ist die einzige Garantie für Unsterblichkeit, der Katalysator, der jeden beliebigen Augenblick in Ewigkeit verwandelt, der einen zitternden Augenblick für immer unvergänglich und unverweslich konserviert!«

Schwulst braucht Romero nicht auszuleihen, aber so hatte er noch nie zu mir gesprochen.

»Welch eine Ode an die Erinnerung, Pawel!«

»Heut nacht war Ihre Schwester bei mir. Erschrecken Sie nicht, mein Freund, einstweilen bin ich nicht verrückt. Ich weiß, daß Wera schon lange tot ist. Vor meiner Abreise von der Erde besuchte ich ihre Asche im Pantheon. Sie war bei mir in meiner Erinnerung, nur in meiner Erinnerung! Mein Leben ist ja plötzlich Erinnerung an mein Leben, und das war so schön, Schwager! Wera und ich waren uneins, Sie wissen das, Sie wissen alles, Admiral, nein, Sie waren noch nicht Admiral, Sie waren ein Jüngling… Ich holte Wera auf dem Pluto ein, und ich eilte zu ihr ins Hotel, dorthin, wo sie und ich schon gewesen waren, in demselben Zimmer, Eli… Ich kniete vor ihr nieder, küßte ihre Füße, und sie kniete ebenfalls nieder, und sie weinte und küßte mich, und sie freute sich unendlich, daß ich zurückgekehrt war, daß sie mir verzeihen konnte… Eli, mein Freund, mein Schwager, ich bin Ihnen so dankbar für den Befehl, Ihrer Schwester nachzueilen, Sie haben mich zu neuem Leben erweckt. Wir knieten voreinander, das war gewiß komisch anzusehen, aber wir freuten uns und weinten, und wir küßten einander, und das war heute nacht, in der glücklichen heutigen Nacht, Eli!« Er taumelte. Der Übergang vom Bewußtsein zum Fieberwahn erfolgte so plötzlich, daß ich Romero nicht unterbrechen, sondern ihn nur auffangen konnte, als er zur Seite sank. Er zuckte zusammen und kam zu sich. Seine Augen waren kummervoll verschleiert vor bitterem Glück!

»Was ist mit mir? Was habe ich gesagt?« fragte er.

»Wir sprachen davon, daß die Schiffsmaschine das Bewußtsein wiedererlangt, Pawel. Lassen Sie uns nun hören, worüber Ellon, Orlan und Grazi so hitzig diskutieren.«

Ellons Gespräch mit Grazi und Orlan verdiente unsere Teilnahme. Ellon wies nach, daß es für die Mechanismen eine Kleinigkeit sei, einen Ausgang in die Zukunft zu schaffen. Man brauche, um in die Zukunft abzugehen, die Zeit nur zu beschleunigen, ohne ihre Richtung zu ändern. Die natürliche Zeit laufe von der Vergangenheit zur Zukunft, der Kollapsan treibe sie an, und fertig! Schwieriger sei eine Reise in die Vergangenheit. Dazu müsse der Lauf der Zeit ins Gegenteil verkehrt werden. Der Kollapsan bewerkstellige auch diese Transformation. Aber wie verhielten sich die Objekte dazu, denen die Zeit das Vorzeichen ändere? Die toten Gegenstände spürten den Wechsel nicht, sie seien gleich in Vergangenheit und Zukunft. Doch Organismen gingen zugrunde, wenn die Zeit nicht auf besondere Weise umgedreht würde.

»Die den Galakten so angenehmen natürlichen Gewebe der Lebewesen überstehen den Sprung durch die Nullzeit nicht.« Ellon grinste schadenfroh. »Die künstlichen Organe aber ertragen ohne weiteres die Wende zum Rückwärtslauf.« Der Galakt erhob sich majestätisch, so daß er Ellon überragte. »Du sagtest: Drehung der Zeit auf besondere Weise, Ellon? Wie ist das zu verstehen? Und warum ist es für natürliche Gewebe so gefährlich, die Null zu durchschreiten?«

»Weil die Nullzeit der Stillstand aller Prozesse ist.

Steinen und Metallen macht das nichts aus, für Lebewesen ist das der Tod.«

Ich entgegnete, daß wir beim Zusammenstoß der beiden Sonnen den Stillstand der Zeit, den Verlust unseres »Jetzt« für einen gewissen Moment schon erduldet hätten. Ellon stimmte nicht zu. Der Stillstand habe nicht lange gedauert. Wir seien erstorben, nicht gestorben, denn sogleich sei der natürliche Zeitenstrom wiederhergestellt worden. Eine Drehung der Zeit aber komme einer Explosion gleich.

»Ich müßte deine Leiche in die rückläufige Existenz drehen, Admiral!«

Ellon hatte nur eine Methode gefunden, um lebende Organismen in die Vergangenheit zu befördern.

Man müsse im Transformator ein Lebewesen in die Zukunft werfen, im geraden Lauf der Zeit. Wenn es sich dort nicht halte und zurückfalle, dürfe es in der normalen Zeit nicht aufgehalten werden, sondern man müsse es weiter fallen lassen, in die Vergangenheit hinein. Das werde ein Fallen auf Grund der Trägheit sein, nicht unter der Einwirkung äußerer Kräfte.

Eine Bewegung auf Grund der Trägheit der Zeit sei stets eine Bewegung zum Punkt der realen Existenz hin, so sei die Natur der Zeit nun mal. Und wenn ein aus der Zukunft in die Gegenwart fallendes Wesen auf Grund der Trägheit in die Vergangenheit gerate, so werde die Bewegung in die Vergangenheit, die sich rasch verzögere, die normale, die gerade Bewegung, und der Übergang durch die Nullzeit vollziehe sich ohne Erschütterungen. Dann müsse man den rückläufigen Gang der Zeit mit Hilfe des Kollapsans beschleunigen, und man könne das Versuchsobjekt in jede beliebige Vergangenheit schicken. Alle zurückgelegten Jahrmillionen stünden einer neuen Besiedelung offen!

Es war Zeit, Mizar in unsere Zeit zurückzuholen.

Ellon drehte den Gegenzeit-Hebel an der Kollapsanschalttafel. Im Transformator trübte sich etwas, ein Schatten flirrte und verwandelte sich in eine gierig Kühle hechelnde Hundezunge, und etwas höher glommen zwei Lichtchen auf, zuerst matt, dann immer heller, die sich rasch in glänzende Hundeaugen verwandelten. Im Zeittransformator zeichnete sich Mizar ab, lebendig, und es trieb ihn zu uns.

»Ich bin bei euch, bei euch!« meldeten die Geräte sein jubelndes Gebell.

Die Luke wurde geöffnet, und Mizar kam wie eine Kugel herausgeschnellt. Er warf sich Romero an die Brust, und Romero fiel hin. Das gleiche Schicksal ereilte mich, und nach mir geriet Grazi von einem Stoß des massiven Hundekopfs ins Wanken.

Freudig umarmte ich Mizar. »Beruhige dich, Tollwütiger!

Erzähle, was hast du auf deiner unwahrscheinlichen Reise gesehen?«

Mizar hatte nichts gesehen, ringsum war Nebel gewesen, unzählige Jahre hindurch, und dann waren Sterne erschienen, sie jagten dahin und flammten unheilvoll. Im großen und ganzen war alles wie auf den Sternenbildschirmen gewesen. Kälte hatte er nicht empfunden, er hatte keine Zeit gehabt, hungrig zu sein, aber es hatte so große Hitze geherrscht, daß er vor Durst fast umkam.

»Gleich wird man dir zu trinken geben«, sagte Ellon.

Während Mizar Wasser schleckte, bereitete Ellon den Transformator für eine neue Zeitreise vor. Ich fragte den Demiurgen, ob man den Flug in die Vergangenheit nicht auf morgen verschieben könne, damit Mizar sich ausruhe. Er entgegnete, nicht nur die Zeit dieser Minute, sondern auch die vergangene warte nicht. Ich umarmte Mizar erneut und erkundigte mich, ob Irina ihm über das Experimentprogramm alles gesagt habe. Der Hund lächelte. Jedermann weiß, daß Hunde nicht allein mit dem Schwanz vortrefflich lächeln, sondern auch mit den Augen und mit dem Maul, und Mizars verhaltenes Lächeln war besonders anmutig. Ja, er lächelte, selbst in Augenblicken höchster Freude erlaubte er sich kein vulgäres Gelächter.

So sind übrigens viele Hunde. Das Feingefühl liegt ihnen im Blut.

»Ich bin soweit, Eli. Zunächst schicke ich ihn in die Zukunft, durch die Zukunft dann in die Vergangenheit, und in der Vergangenheit werden die Erde und Wald sein. Wo ist Irina?«

»Sie ist unpäßlich. Der Erfolg deines Experiments ist die Medizin, die sie am dringendsten braucht.«

»Ich werde alles Erforderliche tun.«

Und zum dritten Mal sahen wir, wie sich Mizars großer schöner Körper in eine Nebelsilhouette verwandelte, wie in der Leere noch kurz die beiden Augen leuchteten und die rote Zunge für den schon unsichtbaren Körper Kühle hechelte. Im Laboratorium erschien wieder Oleg. Irina war bewußtlos, an ihrem Bett wachte Olga. Oleg fürchtete um ihr Leben. Die Menschen und die Demiurgen hatten das Geschwader mit den besten Arzneien versorgt, darunter auch solche gegen Gemütskrankheiten, aber kein einziges wirkte. Der Medizinautomat hatte dreimal unterschiedliche Diagnosen gestellt und unterschiedliche Behandlung festgelegt, in seinem Gedächtnis fanden sich keine Kenntnisse über Irinas Krankheit, so ungewöhnlich war sie.