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Ellons schrille Stimme erklang: »Achtung! Rückkehr aus der Zukunft. Trägheitsflug in die Vergangenheit!«

Mizar kam aus der Zukunft, und er wurde in der Gegenwart nicht abgebremst. Äußerlich spielte sich das so ab, daß sich im Transformator in derselben Reihenfolge die mühsam pulsierende Zunge, die beiden Augen, der Rumpf und die Beine abhoben. Sekundenlang erwartete ich, daß der Hund seine Gestalt wiedergewinnen würde und freudig bellend hinausgelassen zu werden verlange. Aber der Rumpf hellte sich, ehe er völlig körperlich geworden war, wieder auf, wurde beinahe durchsichtig und verschwand. Mizar sauste ohne Aufenthalt in der Gegenwart in die Vergangenheit. Ellon beobachtete, über den Kollapsan gebeugt, die an der Schalttafel aufflammenden Lichter.

»Der Versuchshund Mizar ist in die Vergangenheit enteilt«, sagte er und trat zu Oleg. »Die Nullzeit hat er unversehrt passiert. Ich habe der Trägheit seines Flugs aus der Zukunft ein wenig Gegenzeit beigemengt.«

»Wie lange müssen wir auf Mizars Rückkehr warten, Ellon?« »Ungefähr eine Stunde, Oberkommandierender.«

Ich sagte zu Oleg: »Wenn du hierbleibst, statte ich der Stimme einen Besuch ab. Sicherlich langweilt sie sich in der Einsamkeit.«

Im Raum der Stimme schritt ich an der Wand entlang, wie Grazi das zu tun liebte. Die Analysatoren übermittelten ihr ein vollständigeres Bild des Experiments, als sie es von mir hätte erhalten können. Sie fragte mich nur, was ich zu den Flügen in eine andere Zeit meinte. Ich war von vagen Empfindungen erfüllt – Hoffnung, vermischt mit Furcht, und etwas, das sich als instinktive Feindseligkeit gegenüber solcherart Versuche mit einem Lebewesen charakterisieren ließe.

»Die Lage ist wahrscheinlich ernster, als wir vermuten«, sagte die Stimme.

»Fürchtest du wie Romero, daß uns Wahnsinn droht?«

»Der Wahnsinn hat schon angefangen.«

»Außer Irinas hat sich niemandes Bewußtsein getrübt. Abgesehen von den Maschinen, selbstverständlich. Die sind ja sofort verrückt geworden.«

»Der Maschinenintellekt ist nicht wie die Organismen durch einen Zeitstabilisator geschützt. So mußten sie eher Schaden nehmen.«

»Du stimmst auch dieser Hypothese Romeros zu?«

»Romero hat die Ursache treffend genannt.«

»Sollen tatsächlich du und auch ich den Verstand verlieren, Stimme? Bei der ersten Havarie büßtest du das Gefühl für das Jetzt‘ ein. Aber jetzt sind wir alle im Jetzt’. Das wirst du nicht bestreiten?«

Gerade dies bestritt sie. Sie sagte, daß wir bereits die Diesminütigkeit verloren hätten, genauer: Die Diesaugenblicklichkeit. Die Zeit auf dem Schiff pulsiere zwischen der nächsten Vergangenheit und der nächsten Zukunft. Sie fließe nicht gleichmäßig von der Vergangenheit zur Zukunft, sondern vibriere. Ein Krampf ziehe sie zusammen. Die Stimme spürte das Zittern der Zeit in jeder Gehirnzelle. Die Vibration zwischen Vergangenheit und Zukunft lasse auch die Gedanken vibrieren. Die Befehle, die sie den Vollzugsmechanismen erteile, zitterten. Die groben Vollzugsmechanismen würden zum Glück solche Feinheiten wie das Vibrieren von Gedanken, das Vibrieren eines Befehls nicht gewahr. Wahrscheinlich habe sich in der alten Menschengeschichte ein Diener auch nicht weiter darum geschert, ob sein Herr einen Befehl mit zittriger oder fester Stimme erteilte, für ihn sei der Inhalt des Befehls wichtig gewesen. Lange könne das nicht fortdauern. Der Moment werde eintreten, da der vibrierende Befehl aufhöre, ein Befehl zu sein. Dann werde auf dem Schiff alles ersterben.

»Grazi dubliert dich, doch er sagt nichts dergleichen«, erwiderte ich zweifelnd.

»Bald wird auch er es spüren. Bald werdet ihr alle es spüren, Eli. Die Zeit fiebert immer stärker. Die Vibration wird größer. Der Raum zwischen Vergangenheit und Zukunft, in dem die Zeit pulsiert, rückt allmählich auseinander. Und jede Vibration hinterläßt eine Spur-Vergangenheit sammelt sich an, Zukunft konzentriert sich. Wenn die Unvereinbarkeit von Vergangenheit und Zukunft zu groß wird, reißt die Zeit erneut. Schwerlich werden wir so leichten Kaufs davonkommen wie voriges Mal. Damals brachen wir aus der zerrissenen Zeit zwischen den beiden Sonnen aus, aber was geschieht, wenn die Zeit auf dem Schiff selbst reißt?«

»Entsetzlich! Stimme, gibt es eine Chance zur Rettung?«

»Nur eine sofortige Stabilisierung der Schiffszeit.

Der Stabilisator ist jetzt wichtiger als der Transformator.«

Ich wurde ins Laboratorium gerufen. Auf dem Fußboden lag der leblose Mizar. Seine Augen waren weit aufgerissen, die Zähne gefletscht, das Fell hatte sich gesträubt. Schweigend betrachteten die Anwesenden den toten Hund. Orlans drohende Stimme brach die Stille.

»Ellon, du versprachst, Mizar werde die Nullzeit wohlbehalten passieren. Du hast gelogen.«

Ellon hatte den Kopf so weit eingezogen, daß über den Schultern nur die Augen zu sehen waren, trüb und kläglich.

»Orlan, ich habe nicht gelogen. Mizar hat die Nullzeit wohlbehalten durcheilt. Wir alle haben es gesehen… Er entschwand lebend in die Vergangenheit. Alle haben es gesehen…«

»Aber tot ist er zurückgekehrt. Hast du eine Erklärung dafür, Ellon?«

Ellon sagte kaum hörbar: »Ich werde eine Erklärung suchen. Vorläufig habe ich keine.« Ellon und seine Helfer trugen Mizar zum Untersuchungstisch, und ich erzählte den Freunden von den Befürchtungen der Stimme.

»Geh lieber wieder zu ihr«, riet ich Grazi. »Womöglich verliert sie die Nerven.«

»Ich werde mit Ellon über die Zeitvibration sprechen«, sagte Orlan.

Ellon trat so niedergeschlagen heran, daß er mir leid tat.

»Die Stimme weist daraufhin, daß die Zeit auf dem Schiff zwischen Vergangenheit und Zukunft vibriert und die Amplitude sich vergrößert. Wann nimmt der Schiffszeitstabilisator die Arbeit auf, Ellon?« fragte Orlan.

»Unverzüglich werde ich mich mit ihm befassen, Orlan. Ich lasse den Transformator einstweilen ruhen und schalte den Stabilisator von der Mikrozeit auf die Schiffszeit um«, sagte Ellon rasch.

Orlan entgegnete kalt: »Du hast mich nicht verstanden, Ellon. Ich frage nicht, wann du dich mit dem Stabilisator befassen wirst. Du interessierst mich nicht. Wann wird der Stabilisator funktionstüchtig sein, Ellon?«

»Morgen«, antwortete Ellon demütig.

Ich warf einen letzten Blick auf den toten Hund und verließ mit Oleg das Laboratorium. Im Korridor sagte ich zu ihm: »Oleg, wenn wir beide aufgeben, werden die Folgen entsetzlich sein. Was auch mit den anderen geschehen mag, wir dürfen uns von der Zeitvibration nicht unterkriegen lassen. Und wenn dennoch ein Riß zwischen Vergangenheit und Zukunft entsteht, so halte dich an die Zukunft, bleibe in der Zukunft, Oleg, falle unter keinen Umständen in die Vergangenheit!«

Er lächelte traurig. »Du hast recht – wir beide müssen durchhalten.«

Ich betrachtete ihn. Er hatte müde Augen – rot, entzündet, geschwollen. Ich seufzte. Nur zweier Leute auf dem Schiff war ich in gewissem Maße sicher, meiner und seiner. Und das war furchtbar! Aber warum das furchtbar war, durfte ich ihm nicht sagen.

4

Es war schon spät, als ich in unsere Wohnung kam.