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Ich antwortete: »Es ist vorbei, Mary! Wir wollen nicht darüber sprechen.«

»Deine Stimme zittert«, sagte sie. »Deine Hände flattern! Und du weinst, Eli! Tränen rinnen dir über die Wangen! Du hast nie geweint, Eli. Selbst als unser Sohn starb, weintest du nicht. Stand es so schlecht um mich?«

»Es ist vorbei«, wiederholte ich. Ich weiß nicht, wo ich die Kraft fand, nicht laut zu schluchzen. »Und mich beachte nicht. Mir sind die Nerven durchgegangen. Du weißt ja, in was für eine schwierige Situation wir geraten sind. Und nun verzeih, ich muß ins Laboratorium. Wenn du dich nicht gut fühlst, ruf mich sofort!« Sie lächelte, da sie mich wie sonst durchschaute. Ich brauchte mich nicht mehr um sie zu sorgen.

»Geh, Eli. Ich gehe auch bald. Schau mal nach Irina.«

Fröhlich winkte ich ihr zu, als ich sie verließ. Doch vor der Tür lehnte ich mich an die Wand und schloß erschöpft die Augen. Ich hatte das Empfinden, als habe man mich, nachdem ich schon untergegangen war, herausgezogen, und ich könne nicht zu Atem kommen.

Irina lag mit geschlossenen Augen in ihrem Zimmer. Aus ihrer Ohnmacht war sie noch nicht erwacht.

Am Bett saß Olga. Ich setzte mich auf den Diwan. Olga schaute mich mitleidig an. »Du siehst schlecht aus, Eli.«

»Wir sehen alle schlecht aus, Olga. Wie geht es Irina?«

»Der elektronische Medikus erklärt, daß keine Lebensgefahr bestehe. Aber das Bewußtsein hat sie noch nicht wiedererlangt. Das beunruhigt mich.«

»Angesichts der Schwierigkeiten, die wir mit der Zeit haben, ist es vielleicht gut, daß sie ohne Besinnung ist. Besser ein ausgeschaltetes Bewußtsein als ein zerrissenes.«

Sie musterte mich immerfort, und das ärgerte mich plötzlich.

»Ist noch irgend etwas passiert, Eli, nach Mizars Tod?«

»Wie kommst du darauf, Olga?«

»Ich sehe es dir an.«

»Mary ist krank«, sagte ich. »Ihr war das Gefühl für die Gegenwart entfallen. Sie war ganz in der Vergangenheit und bildete sich ein, die zu sein, die sie gewesen war, als wir uns kennenlernten. Ich hatte Mühe, sie aus der Vergangenheit herauszuziehen.«

»Und Irina quält das Verlangen, sich zu verlieben«, sagte Olga nachdenklich. »Und sie wendet sich von denen ab, die sie lieben. Mich erträgt sie noch, du siehst, ich sitze neben ihr, und sie regt sich nicht. Das bedeutet, daß meine Gegenwart ihr angenehm ist.«

»Was kann sie fühlen in ihrer Bewußtlosigkeit?«

»Sag das nicht, Eli. Oleg kam und setzte sich neben sie, und sie begann sich unruhig zu wälzen. Und als er ihre Hand nahm, riß sie sich los.«

»Ohne zu sich gekommen zu sein?«

»Ohne zu sich gekommen zu sein. Merkwürdige Formen nimmt die Störung im Zeitstrom an. Schade, daß ich kein Psychologe bin. Ich würde den Zusammenhang zwischen den Mikropulsationen der Zeit und den Makrorissen der Psyche berechnen.«

»Ja, das ist schade. Mit solchen Berechnungen ausgerüstet, würden wir viele Gefahren vermeiden. Einstweilen wollen wir uns damit trösten, daß wir beide nicht dem Wahnsinn verfallen sind. Du hast doch wohl nicht vor, in deinem Denken in die Vergangenheit zu stürzen?«

Sie lachte leise. »Was würde das ändern, Eli?

Meine Vergangenheit ist von der Gegenwart nicht zu unterscheiden. Ob nun Vergangenheit oder Gegenwart, das Schicksal ist dasselbe.«

Anstatt zu schweigen, fragte ich unvorsichtig: »Wie soll ich das verstehen: das Schicksal ist dasselbe?«

»Ich habe dich geliebt, Eli«, sagte sie ruhig, »als kleines Mädchen und als Erwachsene. Da ist nun nichts mehr zu ändern, Eli, aber ich will, daß du weißt: Andere Gefühle hatte ich nicht! Manchmal sage ich mir: Ich wurde nur für die Liebe zu dir geboren und kannte deshalb nichts anderes im Leben.«

Ich war überrumpelt und ließ sie aussprechen. Zärtlich schaute sie mich an, klein, ergraut, aber genauso rotwangig, genauso ausgeglichen und gütig, wie sie immer gewesen war. Und plötzlich begriff ich, daß sie mir nicht ein Gefühl gestand, von dem sie jetzt gequält wurde, sondern daß sie auf ihr Leben zurückblickte, nur zurückblickte! Und diese Einsicht war so wunderbar, daß ich meine Verlegenheit überwand und ausrief: »Unsinn, Olga! In deinem Leben hat es so viele Ereignisse gegeben, so viel Erfolg und Ruhm, daß das kleine fehlgeschlagene Gefühl zu mir nicht ins Gewicht fällt! Erinnere dich, wer du bist! Ein berühmter Astronavigator, der erste weibliche galaktische Kapitän, ein großer Gelehrter, ein großer Kosmoskrieger!«

Sie schüttelte den Kopf. »Ja, du hast recht, Eli, es hat vieles gegeben in meinem Leben. Aber es hat auch die Liebe zu dir gegeben. Eine treue Liebe, Eli, die so lang wie mein Leben ist. Und als ich starb, sprach ich mit dir, und du streicheltest meine Hand, und ich sagte dir, daß ich dich geliebt habe, nur dich allein geliebt habe.«

»Schau mich an, Olga!« forderte ich.

Lächelnd blickte sie mich an, und sie legte ihre Hand auf meine. Olga war hier, in der Gegenwart, ich empfand ihre Wärme. Aber sie schaute aus der Zukunft auf mich. Jeder auf dem Schiff war auf seine Art verrückt geworden… Irina regte sich. Olga sagte: »Sie will aufstehen.

Geh bitte hinaus, Eli.«

Ich ging durch die endlosen Schiffskorridore und ballte zornig die Hände. Der Feind, gegen den ich kämpfte, war schon allein dadurch stärker, weil ich nicht ahnen konnte, woher er einen Schlag führen würde. Unweit des Kommandeursaales kam mir Oshima entgegengestürzt. Erregt flüsterte er etwas vor sich hin, krampfhaft fuchtelte er mit den Armen. Ich wußte, daß er ein geschickter Kämpfer war, ein ausgezeichneter Sportler, ein gefährlicher Fechter. Aber daß er imstande war, sinnlos zu fuchteln, hätte ich nicht erwartet. Ich packte ihn bei der Schulter. »Oshima, warum sind Sie nicht auf Ihrem Posten?«

»Lassen Sie mich, Admiral. Ich habe den Dienst Kamagin übergeben. Ich bin in großer Eile, nehmen Sie die Hand weg!«

Ich hielt ihn fest. »Ich will wissen, warum Sie es so eilig haben, Kapitän Oshima!«

Er gab den Widerstand auf. Ich war doch stärker.

Er schaute sich um und sagte, wobei er die Stimme vertraulich senkte: »Ich bin hinter O’Harusan her.

Ein Mädchen namens Frühling.«

»O’Harusan?« Ich war verblüfft. »Oshima, hier sind keine Mädchen namens O’Harusan oder Frühling!«

Mißtrauisch hörte er mir zu. »Admiral, ich müßte Ihnen glauben, kann es aber nicht. Hier ist keine O’Harusan? Aber ich denke doch nur an sie! Ich will O’Harusan treffen!«

»Dennoch gibt es sie nicht auf dem Schiff. Sie existiert nur in Ihrem Traum, Oshima! Sie phantasieren mit offenen Augen, mein Freund. Kehren Sie in den Kommandeursaal zurück!«

Meine Worte erreichten ihn nicht. Eine verdrehte Logik leitete ihn. Pedantisch hartnäckig sagte er:

»Wie kann sie nicht dasein, wenn ich an sie denke? Sie ist immer mit mir, wie kann es sie nicht geben?«

»Es gibt keine O’Harusan und hat nie eine gegeben!« schrie ich wütend. »Ein Mädchen Frühling hat es nie gegeben!«

»Dann suche ich sie, Admiral!« erklärte er enthusiastisch. »Wenn es sie nicht gegeben hat, muß ich sie finden. Es muß sie geben, das Mädchen Frühling. Ich kehre nicht ohne die zurück, die es nicht gegeben hat!«

Er versuchte an mir vorbeizukommen. Ich riß ihn zurück. Oshima bewegte sich kaum merklich, und ich stürzte. Ich war einen Kopf größer als er, anderthalbmal schwerer, aber er schleuderte mich wie eine Puppe zu Boden. Mir wurde schwarz vor den Augen.

»Admiral, Admiral!« drang Oshimas erschrecktes Rufen zu mir. »Hab‘ ich Ihnen weh getan? Verzeihen Sie mir, Admiral! Ich weiß nicht, was mit mir los ist!«