Die Aldebaranen schreiben keine Bücher, ihre Kenntnisse überliefern sie mündlich Einige ihrer Mitbürger sind von Kindesbeinen an auf Einprägungen spezialisiert. Diese gelehrten Aldebaranen sind von jeglicher anderen Arbeit befreit, und wenn sie im Alter zu dem Gehörten noch das Erlebte hinzufügen, sind sie Ausbünde von Weisheit. Kurz vor ihrem Tode vermitteln sie ihre Kenntnisse neuen Erfahrungsbewahrern, sie alle werden liebevoll Alte genannt, das Wort Alter ist gleichbedeutend mit Weiser. Eine Auskunft von den Alten einzuholen ist nicht leicht, sie überstürzen sich nicht, und als Greise verknöchern sie geradezu da buddeln sie in der Bibliothek ihrer Erinnerungen länger als ein Einarmiger im Garten. Die Jungen operieren weit ungezwungener mit ihren Kenntnissen.
Hinter der Hügelfläche der Aldebaranen öffnete sich ein zweiter Hotelabschnitt ein See mit felsigen Ufern. In die Felsen waren Höhlen eingebaut, die einzigen Wohnstätten in dieser trostlosen Einöde.
Darinnen wohnten die Gäste von der Kapella, ebenso umfangreich und plump wie die Aldebaranen, dabei noch ungesprächiger. Wir lernten einen von ihnen kennen und holten kaum ein paar Worte aus ihm heraus. Mißtrauisch musterte er uns mit seinem Gürtel vorgewölbter Augen, und meiner Ansicht nach hinderte ihn nur die Höflichkeit des Gastes, uns den Rücken zu kehren. Aber diese Wesen sehen ja nach allen Seiten, es war durchaus möglich, daß er uns von Anfang an den Rücken zugewandt hielt. Als er sich zum Sprechen entschloß, entdeckten wir, daß er sich klar und präzise auszudrücken wußte. Er blinkte uns mit seinem Hut zu, daß es sich hier leben lasse, dann kroch er in seine Höhle.
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Danach sah ich der Begegnung mit den Atairen voll Ungeduld entgegen. Das Hotel »Sternbild Adler« war ein mittelgroßes Gebäude aus Metall, fensterlos ein Kasten, auf den Boden gestellt.
Im Vestibül zogen wir uns durchsichtige flexible Spezialanzüge an.
Hinter dem Vestibül tat sich ein hoher leerer Saal auf. Seine einzige Verzierung, wenn man das so nennen kann, war eine Kette von Scheinwerfern, die dicht unter der Decke angebracht war.
Die Scheinwerferkette leuchtete matt auf. Sofort erglühten rings um uns fast durchsichtige Silhouetten, grüne und violette. Zweifellos waren das lebendige Wesen, obwohl sie Phantomen ähnelten: halb gigantische Spinnen auf dünnen Beinchen, halb Kugeln mit starren Härchen. Sie stießen sich mit den Härchenbeinen vom Boden ab und sammelten sich um uns. Wir standen in einer Wolke solcher Wesen.
»Die Spinnenähnlichen aus dem Sternbild Adler«, sagte Wera. »Sie sind nur unter harter Bestrahlung zur Ausübung ihrer Lebensfunktionen fähig.«
Ich programmierte: »Bezirk Adler, harte Bestrahlung.« Romero wollte sich nicht geschlagen geben. Wera unterhielt sich mit den Atairen, und er flüsterte mir ins Ohr: »Diese Wesen sind zwar durchsichtiger als unsere Medusen, aber keinesfalls schöner.«
Während die Atairen Wera umschwebten, sie mit Fragen bestürmten und ihre Fragen beantworteten, schilderte Spychalski nur und Romero die lebensweise dieser Wesen. Der Atair ist ein Stern der Klasse A mit einer Oberflächentemperatur von neuntausend Grad, die harten Komponenten in seiner Strahlung sind stärker als die der Sonne. Eiweißorganismen wären auf den Planeten des Atair von dem schonungslosen Gestirn bald ausgerottet. Da vollzog sich ein Wunder an Anpassung was dem Leben auf den Atairplaneten den Tod gebracht hatte, wurde ihm förderlich. Die Zellen in den Organismen der Atairen funktionieren nur unter der Wirkung der harten Strahlen, die von diesem Stern ausgesandt werden. Jedes der Wesen, die uns umringten, war selber eine Quelle von Radioaktivität, sogar ihre Gedanken trugen die tödliche Strahlung in sich, während sie dachten, töteten sie. Sonderbar ist die Lebensweise dieser für uns gefährlichen, doch ihrem Charakter nach gutmütigen Wesen:
In der Dämmerung, wenn der Atair aufgeht, erwachen sie und werden sichtbar, mittags erreicht ihre Lebenstätigkeit das Maximum, gegen Abend, wenn der Strom der Röntgenstrahlen nachläßt, werden sie schlaff und sinken in Lethargie, aus der nur die Gammastrahlen sie erwecken können.
Auf der Ora wurden sie zu bestimmten Stunden bestrahlt, ansonsten schliefen sie Es war auch dafür gesorgt, daß sie arbeiten konnten. Die Atairen sind hervorragende Baumeister, sie errichten Gebäude, ziehen Kanäle. Hinter diesem Saal erstreckte sich ein Platz, voll von ihren Schöpfungen. Atairen sind auch vorzügliche Maler, leider sind ihre Bilder ein wenig grausam: Sie werden nicht mit Farben, sondern mit radioaktiven Stoffen gemalt, sonst könnten die Künstler ihre Werke nicht sehen.
»Auf baldiges Wiedersehen!« sagte Wera bedauernd und winkte ihnen zu, während wir uns entfernten. Wie eine Schar flimmernder Phantome geisterten sie über ihr.
»Nun ins Hotel ‚Sternbild Lyra‘ zu den denkenden Schlangen vom Planetensystem Wega«, schlug Spychalski vor.
Schlangen sind die einzigen Wesen, die ich nicht mag.
25
Wie sich in mir alles zusammenkrampfte vor der Begegnung mit den Kriechtieren, die sich auf einem fernen Stern, einem der schönsten Sterne des irdischen Himmels, zu vernunftbegabten Wesen entwickelt hatten! Die Wega ist heißer als der Atair, ihre Strahlung enthält mehr harte Komponenten, was für Scheusale mußten da die Wegabewohner sein, wenn schon die Atairen so gräßlich aussahen?
Zunächst war es dunkel. Nur Gewächse waren ringsum düstere Bäume, dichte Gesträuchkappen, würzig duftende Blumen. Plötzlich flimmerten allenthalben orangene Flämmchen, die matt waren wie alles in diesem dämmrigen Park. Sie irrlichterten vor den Bäumen. Mir verschlug es die Sprache, die Kehle war mir wie zugeschnürt, es war wie ein Anfall. Ein Menschengesicht blickte mich an, ein ungewöhnliches Gesicht, schöner als jedes menschliche! Ich schaute um mich. Ebensolche Gesichter lugten von der Seite, von hinten.
Gewiß, sie erinnerten an Schlangen. Ihr Rumpf war schlangenhaft, sehr biegsam, ihr menschliches Gesicht und die Arme, die etwas kürzer und dünner waren als unsere, bewiesen, daß wir keine Schlangen vor uns hatten. Erst später fiel mir auf, daß sie keine Beine besaßen. Ihr Rumpf endete in einem Zapfen. Sie bewegten sich vorwärts, indem sie sich auf dem Zapfen drehten, und zwar so schnell, daß sie zu flirrenden Säulen wurden. Bei jener ersten Begegnung mit den Wegabewohnern sah ich das nicht. Ich bemerkte nicht einmal, daß sie sich drehend näherten, erblickte sie erst, als sie neben uns standen und uns tönend und leuchtend begrüßten. Ich war wie verzaubert und konnte den Blick nicht von ihnen lösen.
Sie trugen verschiedenfarbige, halb durchsichtige Gewänder-Kleider oder Umhänge. Das Ungewöhnlichste an den Wegabewohnern sind ihre Augen, Sie flammen auf und erlöschen, wechseln ihre Farbe.
Die Wegabewohner sprechen mit den Augen!
»Fangen wir an!« sagte Wera… Ich wüßte gern, wie sich unsere Gäste fühlen.«
Das war Weras Standardfrage, doch mir zitterten die Hände, als ich das Dechiffriergerät hob. Die Kugel leuchtete auf und tönte, sie äußerte Farben und Laute. Als sie verstummte, antwortete ein Wegabewohner, indem er sang und seine Augen flammen ließ. Phantastisch schön. Mit heiserer Maschinenstimme übersetzte die Kugel seine Antwort in unsere Sprache. Es war der in allen Sternenwelten übliche Austausch von Liebenswürdigkeiten: »Uns geht es hier ausgezeichnet. Wir sind dankbar für die Gastfreundschaft. Unserem Volk werden wir berichten, wie gut und mächtig die Menschen sind.«