»Wie ist die Stimmung, Trub? Quälen dich Alpträume?«
»Ich will nicht länger hierbleiben«, brüllte er »Schickt mich nach Hause. Ich hasse die gemeinen Zweiflügler, denen ihr gefällig seid.«
»Nicht nur Zweiflügler sind hier, Trub. Auch Vierflügler laufen einem über den Weg.«
»Sie hasse ich ebenfalls. Alle hasse ich!«
»Und dich selbst liebst du?«
»Ich weiß nicht«, sagte er höflich. »Hab‘ darüber nicht nachgedacht.«
Ich klopfte ihm auf die Schulter und tätschelte die prächtigen Flügel. Trub ist ein wunderbares Exemplar von einem echten Kampfengel.
»Du bist dumm, Trub!« sagte ich.
Er schwieg, gereizt sträubten sich die Federn.
Als ich mich erhob, war fast menschliche Trauer in seinen Augen. Dennoch sprach er gewohnt widerspenstig. »Du hast mir nicht geantwortet, Mensch.
Wann bringt ihr uns zurück?«
»Die Sternenkonferenz wird vorbereitet. Wir wollen über Verkehrsformen sprechen, über interastrale Reisen und dergleichen. Und nach der Konferenz ab, nach Hause!«
Würde er Arme gehabt haben, er hätte sie arrogant auf der Brust verschränkt. Statt dessen hüllte er sich erhaben in seine Flügel. »Die Konferenz ist mir gleichgültig. Die Zweiflügler werden über interastralen Handel piepsen. Ich kann Krämerseelen nicht leiden!«
Ich war schon in der Tür, als ich fragte: »Kannst du mich leiden? Soll ich wiederkommen?«
Finster sagte er: »Komm nur! Deine Kameraden sollen auch kommen…«
32
Die Konferenz der Sternenbewohner wurde ein voller Erfolg. Der riesige Saal der Galaktischen Empfänge war in kuppelbedeckte Sektoren unterteilt, und innerhalb jedes Sektors waren eigene Bedingungen geschaffen worden. Die Aldebaranen fanden plattdrückende Gravitation vor, die Atairen die harte Strahlung ihres wütenden Gestirns, die Wegabewohner träumerisches Halbdunkel mit üppigen Pflanzen. Nur für die Engel von den Hyaden waren keine speziellen Bedingungen vorgesehen – dieses Volk paßt sich beliebigen Bedingungen an. Viele Sektoren blieben leer. Die Ora-Konstrukteure hatten so viel verschiedene Existenzmöglichkeiten in Aussicht genommen, daß die Hälfte davon bisher noch nicht entdeckt war.
Ich saß zwischen Romero und André, mit uns hatten auch Allan, Olga, Lussin und Leonid Platz genommen, hinter uns waren die Ora-Mitarbeiter, die gerade keinen Dienst hatten. Eine beträchtliche Menschenmenge hatte sich eingefunden. Doch die Gäste waren in der Überzahl, unter ihnen wiederum die Engel. Die Sektoren waren als Amphitheater angeordnet Sessel, kleine Waldwiesen, Bäume, jedem Volk nach seinen Gewohnheiten. Vor den Sesseln waren Videophone angebracht, die jede beliebige Sprachform in die dem Hörer verständliche übertrugen. Ich sage »Hörer« aus Gewohnheit, denn nur wir und die Engel hören, den anderen wird geleuchtet, oder sie müssen sprachlich durchdrungen werden.
An einem einzelnen Tischchen mitten im Saal thronten Wera und Spychalski die Vorsitzenden der heutigen Konferenz.
André hatte sich in den letzten Tagen mit den Engeln abgeplagt und darüber Essen und Schlafen vergessen. Neues hatte er nicht erfahren. Aus den ängstlichen Atairen war nichts herauszubekommen, obwohl sie zweifellos wichtige Angaben über die Himmelsreisenden verschwiegen.
Ich forschte André aus: »Nach den Engeln bist du zu den Bewohnern des Aldebaran und der Kapella gegangen, wie war’s da?« »Genauso. Nichts.«
»Kein einziger Hinweis?«
»Ich habe doch gesagt: nichts!«
Während ich mich noch mit André unterhielt, forderte Spychalski Wera auf, über den Zweck der ersten interastralen Konferenz zu sprechen. In ihrer Rede verkündete Wera den Beginn einer neuen kosmischen Ära der Periode innergalaktischer Zusammenarbeit.
André fand, Wera bemühe sich, die interastrale Zusammenarbeit allzu rosig auszumalen. »Eine universale Wohltätigkeitsgesellschaft«, sagte er gähnend.
»Eine Brüderschaft vom Himmel fallender synthetischer Mehlklöße. Die große Vereinigung der Sternenbewohner ,Ab die Post«.«
Sein Spott verletzte mich. Vorwurfsvoll fragte ich ihn, ob er es nicht sei, der kürzlich eine Symphonie über die Harmonie der Sternenwelten verfaßt habe.
»Stimmt«, versetzte André gleichmütig. »Und jetzt bin ich für die kosmische Kameradschaft. Aber mögen auch die Sternenbrüder ihre Ärmel hochkrempeln.«
33
Die letzten Tage unseres Aufenthalts auf der Ora waren mit Gesprächen ausgefüllt, mal konferierten die Menschen untereinander, mal die Menschen mit Gruppen von Sternenbewohnern. Auf einer Konferenz bei Spychalski wurde beschlossen, daß die beiden größten galaktischen Schiffe, die »Raumfresser« und die »Steuermann«, die Reise in die Tiefe der Galaxis fortsetzen sollten.
Wera erklärte, warum diese Reise nicht aufgeschoben werden konnte. Die Expedition zur Ora hatte zwei Aufgaben, von denen erst eine erfüllt worden war, die organisatorischen Grundlagen für ein künftiges interastrales Bündnis waren gelegt.
»Doch irgendwo im Sternenbereich wohnt das uns ähnliche hochentwickelte Volk der Galakten«, sagte Wera. »Wir haben nichts Neues über sie erfahren.
Dieses Volk hat mächtige Feinde, auch über sie wissen wir nichts. Unsere Arbeit, eine Kameradschaft der Sternenbewohner zu schaffen, bleibt ungesichert, wenn wir nicht erkunden, ob dem geplanten Bündnis irgendeine Gefahr droht. Andererseits kann die Sache vorangetrieben werden, wenn wir uns der Hilfe der Galakten versichern. Wohin die Schiffe auf Suche schicken? Von wo sind die Galakten ins Sternbild Hyaden und auf den Atair gekommen? Höchstwahrscheinlich aus den Plejaden, dem Sternhaufen, der den Hyaden benachbart ist Also besteht unsere nächste Aufgabe darin, einen Sprung zu den Plejaden zu wagen, wo noch kein Mensch gewesen ist. Ich werde mit der ,Raumfresser‘ fliegen«, schloß Wera. »Für den Abtransport der Gäste von der Ora und die Absendung der Schiffe zur Erde ist Martyn Julianowitsch verantwortlich.«
Spychalski lächelte bekümmert in seinen grauen Schnurrbart hinein. »Ich hatte gehofft, daß Sie mich alten Mann auch auf die weite Reise mitnehmen würden. Aber es sieht so aus, als würde ich mein Leben als Wächter auf diesem kleinen Planeten beschließen.«
»Nein, als Vertreter der Menschheit auf einem Sternenvorposten. Und wir werden Ihre Sucharbeiten fortsetzen.«
Als die Konferenz zu Ende war, fragte ich Romero: »Schließen Sie sich uns an, Pawel, oder kehren Sie zur Erde zurück?«
Trocken antwortete er: »Im Altertum wurde der Wert des Mannes danach gemessen, ob er gegen die Feinde zu kämpfen verstand. Die ,Raumfresser‘ hat einen Sonderauftrag Feinde auszumachen.«
Tag für Tag flogen Schiffe zum Arktur, zum Aldebaran, zur Kapella, zum Fomalhaut und zur Wega ab.
Schließlich sollte eine Flottille aus drei Sternenflugzeugen mit den Engeln zu den Hyaden starten.
Schreiend und flügelschlagend bestiegen die Geflügelten die Schiffe. Die Engel, die wir kannten, kamen gestürzt, um sich zu verabschieden, mit ihrem Wehklagen und Jammern steigerten sie noch den Wirrwarr.
Dann erschien Trub in der Menge, und es gab einen Skandal.
Er bemerkte uns, schleuderte die Verwandten mit seinen mächtigen Flügeln beiseite und drängte sich quer durch den allgemeinen Strom. Er brüllte, seltsamerweise an mich allein gewandt: »Eli! Eli!
Eli!« Dann umfaßte er mich mit seinen Flügeln und kreischte: »Ich will nicht fort! Ich bleibe bei den Menschen!«
André versuchte dem tobenden Engel ins Gewissen zu reden, doch er ereiferte sich immer mehr: »Ich fliege mit den Menschen. Ich will nicht zurück!«
Ich suchte Spychalski auf und erklärte ihm, was vorgefallen war.
»Sie wollen den Engel mitnehmen?« fragte Spychalski verwundert.