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Um den Engel stand es schlimmer. Mit Flügeln und Krallen kämpfte er vortrefflich, seine Körpermasse wußte er geschickt einzusetzen, aber mit dem Feld operierte er schlecht. Ein Feld wird durch Verstand und Empfindung wirksam. Trub begriff nicht, daß allein der Wunsch, sich zu verteidigen, bereits Verteidigung war. Für ihn existierte nur die sichtbare und wahrnehmbare Welt. Was man nicht berühren konnte, gab es für ihn nicht so war dieser tapfere Naivling eingestellt.

»Rühr dich nicht, wenn die Verderber auftauchen, sondern schrei sie an: Zurück, zurück! Schrei es im stillen, verstanden?« redete ich auf ihn ein »Und wenn du es im stillen nicht kannst, dann brülle laut, das wirkt auch!«

»Man muß sich auf sie werfen und sie mit den Zähnen zerreißen!« beteuerte er aufgeregt und versuchte sich aufzurichten. Er nahm die Flügel zu Hilfe, sie versagten ihm den Dienst, er stöhnte und verzog das Gesicht vor Schmerz.

Da zeigten sich die Verderber. Gleichzeitig krochen sie von allen Seiten heran, schoben sich hinter den Wänden hervor, kamen die Straße herauf, von den unheildrohenden Strahlen ihrer Augenköpfe angekündigt. Blutrote Flammen zuckten, wurden heller, es war, als wären wir mitten in einem windgepeitschten Brand. Um nicht geblendet zu werden, ließen wir die Helme herab und setzten die Lichtfilter an unseren Spezialanzügen in Betrieb.

André, der endgültig zu sich gekommen war, öffnete das Köfferchen mit dem Dechiffriergerät und stellte es auf sämtliche Bereiche ein.

»Bist du verrückt geworden, was soll das?« flüsterte ich.

»Das stört nicht. Ich bin überzeugt, daß sie miteinander reden und daß das Strahlen ihrer Köpfe damit zusammenhängt.«

Ich bin ein Mensch von anderem Schlag als André.

Der bevorstehende Kampf nahm mich ganz und gar in Anspruch. Ich war mir nicht sicher, ob wir den Angriff abwehren würden, aber daß wir unser Leben nicht billig hingeben würden, wußte ich genau.

Olgas erregte Stimme erklang in mir: »Eli, halte stand, Hilfe ist unterwegs!«

Vielleicht war auch irgendwo in der Nähe eine Videosäule mit ihr und Wera aufgeflammt, ich konnte mich nicht umsehen, ich behielt die Verderber im Auge.

Immer mehr krochen hervor, sammelten sich, stellten sich im Halbkreis auf, näherten sich gemächlich. Ich durchschaute ihren Plan, dem eine einfache Rechnung zugrunde lag. Die Stärke ihrer Gravitationsfelder war zum Quadrat der Entfernung um gekehrt proportional wenn sie es um die Hälfte verminderten, verstärkten sie ihren Schlag um das Vierfache. Offenbar hatten sie die Absicht, nicht von fern anzugreifen, sondern den Ring methodisch einzuengen, soweit es der Widerstand unserer Felder erlaubte, dann ihre Anstrengungen plötzlich zu summieren und einen kurzen Vernichtungsschlag zu führen.

Ich begriff: Sofern wir ihren Plan nicht durch kreuzten, würden sie uns zerquetschen. Wir waren ihnen gegenüber ungeheuer im Vorteil, da wir schnell laufen konnten. Von diesem Vorteil gedachte ich Gebrauch zu machen.

»Konzentriert eure Felder auf mich, wenn ich losrenne!« befahl ich. »Diesen leuchtenden Schildkröten werde ich gleich beweisen, daß sie den Menschen nicht das Wasser reichen!«

»Eli«, sagte Lussin. »Sei vorsichtig! Wir konzentrieren!«

Ich stürzte mich auf den nächsten Verderber Er war etwas weiter als die anderen vorgekrochen und bezahlte seine Unvorsichtigkeit mit dem Leben Zu beiden Seiten durch die Bemühungen meiner Freunde geschützt, brachte ich den Verderber durch mein Feld wie mit einem Schwert zur Strecke. Seine Fetzen segelten noch durch die Luft, als ich mein Dolchfeld durch seinen Nachbarn rammte. Die Verderber wichen zurück, unruhig verstärkten ihre Köpfe das ohnehin grelle Licht, jetzt waren sie wie Scheinwerfer. Trotz der dichten Lichtfilter schmerzten mir die Augen. Mein Körper wurde wie von einem Schraubstock zusammengepreßt, ich keuchte vor Schmerz. Der Druck hielt nur einen Augenblick an, ließ sofort nach, nahm erneut zu und schwand abermals die Verderber hieben mit Gravitationsimpulsen auf mich ein, und meine Freunde wehrten die Schläge mit ihren Feldern ab. Ich schwankte, spürte, daß ich das Bewußtsein verlor, doch bevor ich zu Boden ging, gelang es mir, noch einen Verderber zu zerfetzen André und Lussin kamen angelaufen, und ich sank ihnen in die Arme. Hurtig schleppten sie mich in den Schutz einer Wand.

Wir hatten, vom Engel natürlich abgesehen, noch nie Gelegenheit gehabt, gegen Feinde auf Tod und Leben zu kämpfen, und der erste Erfolg berauschte uns. In jedem von uns schien der Kämpferinstinkt erwacht zu sein, der vor vielen Generationen überwunden worden war.

Die Verderber rückten erneut im Halbkreis gegen uns an. Ich weiß nicht, weshalb, doch ich war plötzlich überzeugt, daß sie ihren Angriffsplan geändert hatten. Ihr Zentrum schob sich vorsichtiger heran als die Flanken, sie versuchten, uns seitlich zu umfassen und uns dann, Feld gegen Feld, durch zwei Gegenschläge zu zermalmen. Und wenn ich erneut vorgeprescht wäre, hätten sie im Zentrum den Rückzug angetreten und mit meinen des Flankenschutzes beraubten Freunden seelenruhig abgerechnet. Ihr Plan war auf einen derart kurzsichtigen Gegner zugeschnitten, daß ich Verachtung für sie empfand. Damals wußte ich noch nicht, daß man einen Feind nicht für dümmer als sich selbst halten darf, wenn man nicht will, daß er einen überlistet »Wir wiederholen unseren Angriff ebenfalls, doch anders«, sagte ich. Mein Plan stützte sich auf Schnelligkeit und gemeinsames Handeln.

Als sie nah genug heran waren, stießen wir gegen ihre linke Flanke vor. Ich hatte genau kalkuliert, und meine Rechnung ging auf. Während wir eine Flanke angriffen, entfernten wir uns von der anderen und schwächten dadurch ihren Schlag, mit dem Zentrum brauchten wir während des kurzen Scharmützels nicht zu rechnen.

Diesmal zerfetzten wir, da wir nicht mit einem, sondern mit vier geballten Feldern zuschlugen, sechs Verderber, worauf die ganze linke Flanke ihr Heil in der Flucht suchte. Wir konnten nicht die Verfolgung aufnehmen, sondern mußten uns dem Zentrum und der zweiten Flanke zuwenden. Durch kurze Vorstöße zwangen wir auch die zurückzuweichen.

Das Schlachtfeld war mit den Resten vernichteter Feinde übersät und von einer dunklen Flüssigkeit, ihrem Blut, bedeckt.

Im Schutz der Mauer schöpften wir Atem.

Doch diese Teufelskreaturen hatten aus den Mißerfolgen gelernt. Sie hatten erkannt, daß sie sich den Klingen unserer Kraftfelddegen darboten, wenn sie in Kette angriffen. Jetzt näherten sie sich in drei kompakten Gruppen, etwa zwanzig Köpfe in jeder.

Wanst an Wanst, Auge an Auge. Dasselbe, womit wir sie beim zweiten Ansturm auseinandergejagt hatten, wandten sie gegen uns an, ein vielfach verstärktes, zur Faust geballtes Feld. Wir könnten noch so rasch vorstoßen, es würde uns nicht gelingen, einen derart summierten Kraftstrom auseinanderzuwirbeln. Die Zeit, die uns noch zum Leben blieb, wurde durch die Geschwindigkeit bestimmt, die uns die Feinde näher brachte.

André, der sich nach dem Überfall des ersten Verderbers noch nicht erholt hatte, war gelassen.

Ich ahnte, woran er dachte.

»Du schaffst es noch, unser Sternenflugzeug zu rufen und einen Abschiedsgruß an deine Frau und deinen Sohn zu übermitteln«, sagte ich und wandte mich ab.

Die Verderber beeilten sich nicht. Sie wußten, daß wir in ihren Feldern waren. Umsichtig griffen sie an.

André rief das Sternenflugzeug. Noch nie hatte mein impulsiver Freund so klar und ruhig gesprochen.

»Jeanne! Oleg!« diktierte er. »In wenigen Minuten bin ich nicht mehr. Ich liebe euch. Seid glücklich!«

»Umarmen wir uns, Freunde«, sagte ich. »Und dann hauen wir zum letztenmal auf sie ein. Es hat keinen Sinn, die Sache lange hinzuziehen.«