Unten liefen die Freunde. Andrés Schreie hatten sie hergeführt, ich konzentrierte mein Feld, um nicht überwältigt zu werden. Die stumme Verbissenheit des Kampfes nahm mich ganz in Anspruch. Leonid blieb unter mir stehen und hob den Kopf.
»Wo seid ihr?« rief er besorgt. »Ich sehe euch nicht! Wo seid ihr?«
Etwas Hartes und Kaltes wurde mir auf den Mund gedrückt. Ich riß mich los und brüllte hinunter:
»Konzentriert eure Felder auf mich! André wird hochge…«
Diesmal wurden mein Kopf und mein Hals so gründlich gepreßt, daß ich keine Luft mehr bekam.
Rote Streifen tanzten vor den Augen. Zugleich spürte ich mein geschwächtes Feld erstarken. Ich war nahe daran, das Bewußtsein zu verlieren, dennoch konnte ich klar denken, wandte das Feld nicht sofort an, sondern sträubte mich nur mäßig, um nicht fortgeschleppt zu werden. Als ich es nicht länger ertrug, riß ich mich mit aller Gewalt los.
Meine Gegner hatten damit offenbar nicht gerechnet. Wie Flaumfedern wirbelten sie auseinander. Einer, den es erwischt hatte, stürzte in die Sichtbarkeit und landete neben mir. Ich nahm mir nicht die Zeit, ihn anzuschauen, sondern sprang auf und schrie nach einer Aviette. Neben mir startete Romeros Aviette.
»Paßt auf, sie sind unsichtbar!« rief ich noch.
Dann hörte ich Leonid, der die Ortungsgeräte im Planetenflugzeug einzuschalten befahl.
Als ich hoch genug war, hielt ich an, Romero verharrte ebenfalls. Wir lauschten, oh André noch um Hilfe rief. Er tat es nicht, aber ich hatte den Eindruck, als vernähme ich Röcheln und stoßweises Atmen. Nach diesen Lauten richtete ich mich, während ich mit den Kraftlinien die durchsichtige Luft abtastete. Wie ein Blinder, der suchend seine Arme vorstreckt, dehnte ich mein Feld aus, bemüht, die in der Höhe ringende unsichtbare Gruppe zu erhaschen. Doch weder ich noch Romero entdeckten etwas.
»Wir müssen rationeller suchen«, sagte Romero, der zu mir geflogen war… Geben Sie zu, dieses blinde Hin und Her…«
»Sie haben André bereits fortgezerrt. Es fragt sich, wo sie sich verborgen halten. Wir suchen sie über dem Schlachtfeld, dabei haben sie den Planeten vielleicht schon längst verlassen. Wir müssen die Sternenflugzeuge rufen.«
In den Sternenflugzeugen wußte man bereits von dem Unglück. Die Ortungsgeräte der »Raumfresser« und der »Steuermann« suchten den Raum rings um den Planeten ab. Sie sind derart empfindlich daß sie einen Knopf in einer Entfernung von hunderttausend Kilometern ausmachen. André und seine Entführer waren größer als ein Knopf, und die Sternenflugzeuge waren bei weitem nicht hunderttausend Kilometer vom Planeten entfernt, aber nicht einmal Spuren wiesen auf die Verderber hin. Wir wußten damals noch nicht, daß sämtliche Typen unserer Ortungsgeräte vor den Abschirmmethoden unserer Feinde versagten. Wirksame Kampfmittel gegen die Unsichtbaren mußten wir erst noch erfinden.
Ich weiß nicht, wie lange wir umherjagten. Romero und ich schwangen uns auf, sausten hinab, rasten in alle Richtungen. Lussin und Allan hatten sich zu uns gesellt. Vier Kraftfelder tasteten jedes Luftmolekül ab. Die gigantischen Felder der Ortungsgeräte unserer Sternenflugzeuge und die breiten Kraftkegel des Planetenflugzeugs lagerten sich darüber. Umsonst.
Romero kam wieder zu mir geflogen. »Die Raumfresser« hat angeordnet, die Suche aufzugeben. Für die Rückkehr haben wir eine Viertelstunde Zeit. Es ist noch etwas Wichtiges geschehen.«
Ich war erschöpft und fühlte mich wie ausgebrannt.
Nachdem ich am Planetenflugzeug gelandet war, schleppte ich mich zum Eingang. Leonid empfing mich niedergeschlagen.
»Schau mal, gegen wen du gekämpft hast, Eli«, sagte er und deutete auf einen Kasten.
Ich hatte gemeint, sterbende Verderber zerstiebten zu Staub und Fetzen, und nicht daran gezweifelt, daß auch der sichtbar gewordene Unsichtbare längst über die Oberfläche des Planeten zerstreut sei.
Allmählich wurde mir bewußt, daß dieser, sofern er ein Verderber war, wenig denen glich, gegen die wir vorher gekämpft hatten. Dieser war ein Mittelding zwischen einer gepanzerten Geschwulst und einem Menschen.
»Wissen Sie, woran mich dieses Scheusal erinnert?« flüsterte der staunende Romero. »An jene Figuren aus Stahlgeflecht und Eisenschrott, mit denen die Bildhauer der letzten Jahre des Kapitalismus das Publikum schreckten.«
Mir war nicht bekannt, daß solche Bildhauer gelebt hatten, niemals hatte ich ihre Werke gesehen. Das Wesen in der Kiste war nur aus Knochen oder Stäben zusammengesetzt, eine zentrale Säule, zwei Beine, zwei Arme, zwei Ringe von der Dicke unseres Halses an der Stelle, wo bei uns die Hüften sind, und anstelle des Kopfes der funkelnde, jetzt erloschene Auswuchs, der einer Ananas glich.
Lussin hatte seltsame Tiere und vogelköpfige Götter gezüchtet und sich mehr als ich mit Lebewesen befaßt. Er hob einen Beinknochen, der beim Sturz aus der Unsichtbarkeit gebrochen war.
»Schau, Eli, Muskeln und Nerven, im Innern auch Blutgefäße. Bei uns stützen die Knochen bei ihnen die Hülle. Eine zuverlässige Körperkonstruktion.«
»Die Sternenflugzeuge mahnen zur Eile!« sagte Leonid. »Wir nehmen die Kiste ins Planetenflugzeug mit und starten. Länger dürfen wir nicht bleiben.
Die letzte Mitteilung: Ein Kreuzer der Verderber nähert sich.«
11
Wenig später waren wir im Sternenflugzeug. Sobald unser Planetenflugzeug in der »Raumfresser« verschwunden war, entfernten sich beide Schiffe eilends von der Sigma. Wera stellte keine Frage, unseren Kampf mit den Unsichtbaren hatte sie auf dem Bildschirm beobachtet. Ich fragte, warum man uns verboten habe weiterzusuchen. Wir hatten André den Feinden überlassen, es mußte Entsetzliches geschehen sein, wenn man sich zu diesem Befehl entschlossen hatte!
»Der Raum ist voller Gravitationsschwankungen«, antwortete Wera. »Die Dechiffriergeräte haben eine Depesche der Unsichtbaren abgefangen. Zum Glück hattet ihr den Kode richtig entwirrt, wir konnten sie lesen. Der Depesche zufolge befindet sich André nicht mehr auf dem Planeten. ,Haben einen Steinfingrigen gefangen‘, heißt es in dem abgefangenen Gravigramm. ,Zerstörer Nummer hundertdreißig ist tot. Wir begeben uns auf unseren Stützpunkt. Kommt uns sofort holen. Es ist Zeit, mit dem Planeten Schluß zu machen.«
Alle, die keinen Wachdienst hatten, waren im Observationssaal. Neben mir saß Wera. Schweigend harrten wir neuer Ereignisse. Dann setzte sich Olga zu uns. Sie hatte das Kommando Leonid übergeben, er hatte jetzt Dienst.
»Eli« sagte Olga, »wir leiden alle. So ein schrecklicher Tod…«
»Er ist verschwunden«, sagte ich. »André ist nicht tot, sondern entführt worden.«
In diesem Augenblick kam die Kugel der Verderber zum Vorschein. Es war tatsächlich so, als springe sie aus dem Nichts, haargenau, wie es die Kosmonauten von der »Mendelejew« geschildert hatten. Sie erschien schlagartig, ungeheuer groß und raste bremsend auf die Sigma zu.
Wir hielten den Atem an und ließen kein Auge von ihr.
Niemand hatte bemerkt, wie aus ihrem Flug ein Gravitationsschlag wurde. Alles, was auf der Sigma war, Städte, Wälder, Ebenen, bäumte sich auf wie unter einem gigantischen Pflug. Eine ungeheure Flutwelle schoß empor, die nicht Wasser im Ozean war, sondern harte Planetenmasse, eine Woge von Steinen.