»Auch der Selbstmordmechanismus ist klar«, sagte ich zum Schluß meines Berichts über die Untersuchung der Gegner. »Sobald das Auge auf den Körper schlägt, wird das Herz gelähmt. Die zusammenhaltenden Kräfte widerstehen nicht mehr dem im Körper herrschenden hohen Druck, und der Verderber wird in Stücke gerissen. In der Barokammer halten wir achttausend Atmosphären, damit es diesen Kräften nicht gelingt, unseren toten Gefangenen zu zerfetzen. Übrigens folgt hieraus, daß man die Verderber besser nicht mit Kraftfeldern erledigt, sondern mit Strömen von harten Strahlen und Korpuskeln. Eine mächtige Gammastrahlen- oder Protonenquelle dürfte für sie tödlich sein. Schaut euch jetzt die Aufzeichnung ihrer Gehirnstrahlungen an.«
Andrés Umsicht, das Dechiffriergerät vor der Schlacht auf sämtliche Bereiche einzustellen, kam uns zugute. Wir erblickten uns selbst, an die Wand gepreßt, bleich, aber tapfer kämpfend. Wieder lief ich, den Mund wutverzerrt, auf das Zentrum der feindlichen Verteidigung zu. Vom Himmel fielen Leonid und Allan, Romero versetzte Schläge. Ich kann nicht sagen, daß die Augen der Verderber irgend etwas Schönes an uns entdeckt hätten, wir kamen ihnen, den vor Entsetzen Gelähmten und Sterbenden, eher wie Ungeheuer vor. Im großen und ganzen wurde wiederholt, was wir ohnedies wußten.
Doch die Aufzeichnung des Verderbers, den wir lebend gefangen hatten und der im Schraubstock unserer Felder gestorben war, brachte manches Neue.
Einst glaubte man, an einem Sterbenden ziehe sein ganzes Leben vorbei. Die Gehirntätigkeit Sterbender wurde untersucht, und es zeigte sich, daß ihre Gedanken verworren und bar jeder Logik sind. Dieser jedoch hatte sich vor seinem Ende, wenn auch nicht an sein ganzes Leben, so doch an ein beträchtliches Stück davon erinnert. Vor uns tauchte ein wilder Planet auf, der ganz aus Blei und Gold geschaffen zu sein schien Metallberge wechselten mit Metallfeldern, in Gärten wuchsen Kristalle metallischer Gräser und Sträucher. Und überall waren Unmengen von Verderbern – ihre Augenköpfe flammten, sie krochen, schwärmten aus und gruben und waren so gleichförmig, daß einem übel werden konnte. Über ihrer unheimlichen Welt hing ein glanzloses Gestirn, etwa 30mal größer als die Sonne.
Als die Vorführung beendet war, fragte mich Wera: »Ist dir aufgefallen, daß der zweite Verderber weder den Gehirnen seiner Artgenossen noch denen der Sigmabewohner eingeprägt war?«
»Das ist natürlich, denn unter normalen Bedingungen ist er ja unsichtbar. Uns ist es erst nach einem schweren Kampf gelungen, ihn der Unsichtbarkeit zu entreißen.«
»Habt ihr herausbekommen, woraus der Unsichtbarkeitsmechanismus besteht?«
»Nein, Wera, das haben wir nicht herausgefunden.«
»Mir scheint, die Unsichtbaren sind die Krieger der Verderber«, sagte Wera. »In den Hyaden, wo sie in Schlachten verwickelt waren, haben sich keine Angaben über ihr Aussehen erhalten. Das ist kein Zufall. Diese aber, die Tassenförmigen, sind höchstwahrscheinlich Arbeitsindividuen und Gefangenenaufseher. Obwohl sie in so großer Zahl gegen euch antraten, ist keiner mit dem Leben davongekommen! Die Unsichtbaren haben anders gekämpft, ein Leben von ihnen gegen ein Leben von uns.«
»Manches an den rätselhaften Handlungen und Eigenschaften der Verderber läßt sich physikalisch erklären«, bemerkte Olga. »Ihre Unsichtbarkeit ist einfach zu deuten. Ich glaube, unsere Gegner sind tiefer als wir in die Natur der Gravitation eingedrungen.«
Sie begann mit den alten Gelehrten Newton, Einstein und Ngoro. Ihre Formeln erfaßten nur die feststehende Schwerkraft.
Indessen befinden sich die Prozesse der Natur meist nicht im Gleichgewicht. Die Verderber operieren glänzend mit den Wechselfeldern, die nicht mit den Formeln von Newton und Einstein und nicht einmal mit den verallgemeinerten Reihen von Ngoro zu beschreiben sind.
Die Fähigkeit, rasch wechselnde Schwerefelder zu beherrschen, ist ein großer Vorteil unserer Gegner.
Hätte der Gravitationsschlag gegen die Sigma den Charakter eines Gleichgewichtsfeldes angenommen, das gleichermaßen den Planeten zum Kreuzer und den Kreuzer zum Planeten zog, dann wäre die Sache so ausgegangen, daß der Kreuzer auf den Planeten gefallen wäre, denn der Planet hat eine unvergleichlich größere Masse. In Wirklichkeit aber hat der Kreuzer die Oberfläche des Planeten in einen Ozean von Staub und Trümmern verwandelt und ist ruhig von dannen geeilt, ohne überhaupt gespürt zu haben, daß der Planet ihn ebenfalls anzog. Im Nahkampf werden die Schiffe der Verderber stets die Oberhand über uns gewinnen, folglich dürfen wir es nicht zum Nahkampf mit ihnen kommen lassen das war die erste Schlußfolgerung.
Die zweite ergänzte die erste. Die Verderber kennen ebenfalls die Umwandlung von Raum in Materie, nutzen aber nicht die Gegenreaktion die Umwandlung von Materie in Raum. Offenbar haben sie sie nicht entdeckt. Das ist auf eine Art verständlich, denn neue Raumvolumen schwächen die Schwerefelder, nach deren Verstärkung die Verderber streben.
»Die Bildung von Raum ist ein sicherer Schutz gegen sie«, sagte Olga. »Aber unsere Vorräte an annihilationsfähigem Stoff sind nicht allzu groß wiederholten kosmischen Schlachten sind wir nicht gewachsen. Nun zur Natur ihrer Unsichtbarkeit. Des Rätsels Lösung liegt meiner Ansicht nach auch hier in ihrer Fähigkeit, besondere Felder von hoher Intensität zu schaffen wir wollen sie Mikroschwerefelder nennen. Ich habe die Leiche des Unsichtbaren gesehen. Sein Körperbau paßt glänzend zu der Funktion eines unsichtbaren Kämpfers. Der Herzgravitator erzeugt rings um den Körper einen Kegel gekrümmten Raumes. Ein Lichtstrahl, der auf den Kegel fällt, durchdringt ihn nicht und wird nicht reflektiert, sondern herumgebogen, wonach er auf die Fortsetzung seines ursprünglichen Weges gelangt. Alles, was sich innerhalb des Kegels befindet, der Verderber wie auch seine Beute-, ist unsichtbar für das Auge und gewöhnlichen Ortungsgeräten unerreichbar.«
Ich fragte sie: »Hast du nicht den Eindruck, Olga, daß die Nachrichtenmittel der Verderber vollkommener als unsere sind? Meiner Ansicht nach haben sie ein sich rasend schnell ausbreitendes Agens gefunden und halten mit seiner Hilfe im Überlichtbereich ausgezeichnet Verbindung.«
»Ja, die Möglichkeit besteht«, sagte Olga. »Hieraus ergibt sich noch eine Schlußfolgerung: Im Überlichtbereich bändeln wir mit den Verderbern besser nicht an, wenn sie in großer Zahl auftreten.«
Das Alarmsignal gellte im Schiff. Leonids herrische Stimme erklang. »Alle an die Plätze! In der Optik Schiffe des Gegners! Zum Kampf!«