Mitunter ärgerte mich sein Ernst, wenn ihr es wissen wollt, ich hätte mir einen etwas leichtsinnigeren Ehemann gewünscht.«
»Sie haben mit Eli eben nicht in der Himalajaschule studiert«, erwiderte André.
Romero wandte sich an André: »Lieber Freund, viele, darunter auch ich – schamvoll bekenne ich es—, glaubten Sie tot, denn es sah nicht so aus, als wären unsere Feinde hinter menschliche Geheimnisse gekommen. Ich hielt es für unwahrscheinlich, daß die Verderber es nicht fertigbringen sollten, von Ihnen, falls Sie lebten, herauszupressen, was Sie wußten. Sie hatten Glück, wenn man eine so traurige Tatsache wie die Geistesverwirrung als Glück bezeichnen kann…
An diesen Ausweg hatte niemand von uns gedacht.«
»Ich selbst hatte ihn gewählt! Bewußt und methodisch brachte ich mich um den Verstand. Ich will Ihnen erzählen, auf welche Weise.«
Entsetzt hatte er Foltern erwartet. Der Tod wäre der beste Ausweg gewesen, aber er wußte, daß man jede seiner Bewegungen beobachtete, die altertümlichen Selbstmordmethoden-Messer, Schlinge, Verweigerung von Nahrung und Trinken, durchgebissene Venenwaren hier nicht anwendbar. Da beschloß er, sich den Verstand zu verwirren.
»Nein, nicht den Kopf zerschlagen«, André kam unseren Fragen zuvor, »sondern das Schema der Kommunikationen und Verbindungen im Gehirn verwirren, sozusagen ummontieren. Das Gehirn ist eine vielgestaltige Konstruktion; wird sein Schema in irgendeinem Abschnitt gestört, folgt noch kein allgemeiner Bewußtseinsverlust. Dennoch gibt es unvergleichlich mehr Wirrnisvarianten als Schemata, die das Bewußtsein gewährleisten. Darauf baute ich meinen Plan.«
»So erschien das graue Böckchen?«
»Ich wählte das Böckchen, weil die Zerstörer dieses Tier bestimmt noch nie gesehen hatten und das Märchen von dem alten Frauchen und dem Wolf nicht kannten, hier konnten sie nirgends einhaken. Fortwährend dachte ich an das Böckchen, stellte mir nur sein Bild vor. Was auch von außen auf mich einstürmte, welche Gedanken mir sonst kamen, auf Essen, Drohungen, Angst, Zureden, auf alles antwortete ich mit einem Gedanken, mit einem Bild, das Böckchen, das graue Ziegenböckchen… Ich schaltete mein Gehirn auf das Böckchen, alle Winkel, alles Geheime und Offenbare darin arbeitete nur dafür. Und allmählich nistete sich das Wesen mit den Hörnern und den Hufen in jeder Gehirnzelle ein, verdrängte alle anderen Bilder, jede andere Information. Ich stürzte mich in völlige geistige Leere, aus der erst ihr mich herausgeführt habt!«
Romero und Lussin fragten, ob André eine Audienz beim Großen Zerstörer gehabt und er das Dasein der Verderber kennengelernt habe. Er antwortete, er habe nur danach getrachtet, sich aus dieser Welt auszuschalten, und seine Augen nicht aufgesperrt. Dann sagte er vorwurfsvolclass="underline" »Du hörst uns ja gar nicht zu, Eli!«
»Verzeih. Ich habe über ein schwieriges Problem nachgedacht.«
»Was für ein Problem?«
»Schau, wir haben die Schiffsmaschinen außer Betrieb gesetzt, und wir haben das ungefähr nach deiner Methode getan, indem wir die Schemata der inneren Verbindungen verwirrten.«
»Wir können darüber nachdenken«, sagte André gähnend. »Selbstverständlich ist die Schiffsmaschine nicht einfacher als ein menschliches Gehirn, aber auch nicht sehr viel komplizierter.«
»Wollen wir jetzt nicht schlafen?« fragte Romero. »Wir sind müde nach der Schlacht, und morgen werden wir es bestimmt auch nicht leicht haben.«
Ich erwachte, als der Stern hinter dem Horizont hervorrollte.
»Die Kolonnen sind aufbruchbereit, Admiral«, meldete Oshima.
»Ich habe mich mit den gefangenen Augenköpfigen unterhalten, Eli«, teilte Orlan mit. »Sie betrachten mich immer noch als ihren Vorgesetzten. Ich glaube, wir brauchen sie nicht zu bewachen, sie werden als Abteilung marschieren.«
Gig lachte schallend. Die Lebensfreude dieses Skeletts hätte für ein Dutzend Menschen gereicht. »Ein Triumph bei den Unsichtbaren!« erklärte er prahlerisch. »Wer gestern dagegen gekämpft hat, wird heute dafür kämpfen. Ohne zu zögern, ohne zu schwanken, gehen sie für mich, ihren geliebten Vorgesetzten, durchs Feuer. Aber du begreifst, Eli, da uns gestattet ist, die Unsichtbarkeit abzulegen und uns auf den Boden herabzulassen… als dritte Kolonne zu marschieren, nach den Menschen und den Engeln, wie Oshima angewiesen hat, ist nichts für die Unsichtbaren, Admiral, nein, das ist nichts für uns!«
Er war getröstet, als ich erklärte, seine Abteilung werde die Spitze bilden. Gig entfernte sich, um die Unsichtbaren antreten zu lassen, und so keck klapperte das Skelett durchs Lager, daß die Menschen und die Engel erschauerten und die Pegasusse böse wieherten. Nur die phlegmatischen Drachen verhielten sich ruhig, als Gig vorüberschritt.
»Ich habe Aster in eine Aviette gelegt«, sagte Mary.
»Wir werden ihn nicht mehr tragen.«
»Du sollst dich auch in eine Aviette setzen.«
Sie lächelte mühsam. »Ich ertrage alles, was du erträgst.«
13
Nicht nur durchs Fernglas, sondern auch mit unbewaffnetem Auge war die Station zu erkennen. Manche Festungen auf der Erde mit ihren Forts, Schießscharten und Geschützen sahen imposanter aus.
Wir lagen auf einem Bleifelsen, und ich teilte meine Gedanken Romero mit, der mit mir heraufgeklettert war.
»Ich erlaube mir den Hinweis, lieber Admiral«, entgegnete er pedantisch, »daß die mächtigste menschliche Festung nicht einmal einen gewöhnlichen kleinen Steinberg zertrümmern würde, während diese bescheidene Anlage den Weltraum aufwickelt.«
Ich wußte nicht schlechter als Romero, welche Funktionen die Station hatte. Trocken sagte ich:
»Klettern Sie hinunter, Pawel, rufen Sie Oshima und Kamagin, ich hole Petri und Orlan.«
Orlan und Petri saßen in einer Vertiefung, die den ganzen Grat durchschnitt. Ich rief, und sie kamen herab. Unten warteten schon Romero, Oshima und Kamagin auf uns.
»Ein Vakuum!« sagte Oshima. »Wir haben niemanden gesehen, und wir wurden auch nicht entdeckt.«
»Offenbar ist die Station verlassen«, bestätigte Kamagin. »Ich würde es riskieren, sie anzupirschen.«
Orlan hatte den Kopf tief zwischen die Schultern gezogen. Ich hatte bemerkt, daß Orlan über alles, was die Station betraf, ungern sprach. Im Zerstörerreich galt es als Verbrechen, Angelegenheilen der Metrikstationen zu erörtern. Orlan konnte seine langjährige Furcht vor verbotenen Themen nicht abschütteln.
»Ich würde es nicht riskieren«, sagte er zurückhaltend.
»Gehen wir ins Lager, und berufen wir einen Kriegsrat ein«, schlug ich vor.
Unser Lager befand sich etwa zehn Kilometer von der Station entfernt, und wir mußten weit laufen, ehe wir es erreichten.
Als wir uns dem Lager näherten, sahen wir in der Luft die geflügelten Wächter. Trubs Engel hatten es übernommen, Patrouille zu fliegen, und sie kamen ihren neuen Pflichten eifrig nach.
Ich zerbrach mir den Kopf, wie wir handeln wollten, gelangte aber zu keinem Schluß. Die Station hatte Lussin entdeckt, der auf dem Donnerschleuderer zur Aufklärung ausgeritten war. Er war vorsichtig genug gewesen, umzukehren, sobald er die flachen Kuppeln erblickte. Unsere Maßnahmen waren einfach:
Wachtposten auf dem Boden und Patrouillenflüge in der Luft. Oshima hatte darauf bestanden, ich hielt das alles für überflüssig. Anlagen von so gigantischer technischer Kompliziertheit wie diese kosmischen Werke, die die Raumstruktur änderten, mußten vollkommene Schutzmethoden besitzen. Die Beobachtungsposten der Metrikstation konnten nicht schlechter als unsere Ortungsgeräte sein. Man hatte nicht die Absicht, sich vor uns zu schützen, nur deshalb waren wir nicht entdeckt. Bedeutete dies, daß man uns als Freunde ansah? Vielleicht war auf der Station längst alles umgekommen keine Lebewesen mehr, keine arbeitsfähigen Automaten? Kamagins Vorschlag leuchtete mir ein: Wenn man uns nicht in einer Entfernung von zehn Kilometern vernichtete, dann würde man es auch nicht in einer Entfernung von zehn Metern tun, da gab es praktisch keinen Unterschied.