Die neuen Abteilungen wurden genau wie unsere von Aureolen glutroter Flammen umfaßt, wie bei unseren schnellten orangefarbene Blitze aus ihnen heraus, und die zweiten Lussin und Kamagin schwenkten die gleichen Laserklingen wie unsere. Den neuen Abteilungen flog ebenfalls tausendstimmiges Brüllen, Pfeifen und Kreischen voraus.
»Phantome!« rief André, der als erster die Erstarrung abgeschüttelt hatte.
Oshima, Orlan und Gig erkannten rasch, was für eine Armee in den Kampf eingegriffen hatte.
Oshima gelang es, noch eine dritte Salve abzugeben. Feuerströme ergossen sich auf die Phantome. zermalmten sie und verwandelten sie in Plasma. Unsere Unsichtbaren gerieten mit den feindlichen Gespensterabteilungen ins Handgemenge. Die geflügelten Gespensterpferde bäumten sich, die künstlichen Engel wichen entsetzt aus, und die künstlichen Menschen sanken mit Todesschreien nieder. Man konnte sich vorstellen, wie wütend Gigs unsichtbare Krieger kämpften. Eine Zeitlang glomm die Hoffnung in mir daß nicht alles verspielt sei.
»Es ist Zeit, Schluß zu machen. Unsere sind genug verprügelt worden, Admiral!« sagte Romero ernst Indessen waren die beiden Donnerschleuderer, der lebendige und der künstliche, schrecklich zusammengestoßen und versuchten einander zu vernichten ein rotes Blitznest umflocht ihre Köpfe. Ein Drachen stürzte ab. Bei der Entfernung konnte ich nicht erkennen, ob er von Lussin oder Pseudo-Lussin geritten wurde.
Ich räusperte mich, damit meine Stimme nicht zitterte, und befahl André: »Funke den allgemeinen Rückzug!«
Die Heerführer vernahmen den Befehl und führten ihre Abteilungen nach und nach zurück. Trub war so in Fahrt, daß er den Befehl nicht beachtete. Seine Engel stachelten sich mit Gebrüll an und fielen mit der früheren Erbitterung über die Gespensterengel her.
Dennoch drohten sie zu unterliegen.
»Unverzüglich zu Trub!« befahl ich Romero. »Die Engel zurückziehen!«
Romero sprang auf einen Stabspegasus, und bald darauf verließen die Engel das Schlachtfeld.
Ich stieg vom Hügel und ging ins Lager.
In Marys Sanitätsstelle herrschte Hochbetrieb. Sanitäter-Engel kamen mit Verwundeten geflogen. Die verletzten Drachen krochen allein, die Pegasusse mußten getrieben werden. Selbst mit beschädigten Flügeln legten sie es darauf an, sich in die Luft zu erheben.
Die Schmerzen ertrugen sie ruhig, keiner wieherte böse, wenn die Chirurgen-Engel ungeschickt Skalpelle in die Krallen nahmen.
»Mary, mir war, als sei Lussin abgestürzt«, sagte ich. »Wo ist er?«
»Lussin ist leicht verwundet, um den Donnerschleuderer steht es schlecht.«
Lussins Kopf war verbunden, einen Arm trug er in der Schlinge. Bekümmert blickte er mich an. Der Donnerschleuderer lag bewußtlos auf der Seite. Seine Augen waren geschlossen, die herrliche Kampfantennen-Korona war zerdrückt, von den Spitzen rannen noch die bläulichen St.-Elms-Lichter, die den Tod ankündigten.
Ich kniete mich hin und hörte sein Herz ab. Es klopfte ungleichmäßig und gedämpft, mitunter erstarb es. Schweigend stand ich auf. Es gab keine Hoffnung.
»So ein Freund!« flüsterte Lussin weinend.
»Kopf hoch, mein Lieber!« sagte ich. »Jeder von uns könnte heute anstelle des Donnerschleuderers sein.«
15
Wir hatten eine Niederlage erlitten, aber dabei erfahren, worauf sich die Verteidigung der Station gründete. Während der Schlacht hatten die Analysatoren die physischen Parameter der Phantome festgestellt. Diese Gebilde waren wahrhaftig phantastisch fast ohne Masse, doch optisch undurchdringlich, ein Bündel uns unbekannter Energiestrahlen.
»Ich hatte darauf hingewiesen, daß die Automaten Kraftfelder sind, fähig, jede Körpergestalt anzunehmen«, erinnerte Orlan düster.
Sogar Trub war erschüttert. »Wir Engel nehmen es mit jedem stofflichen Feind auf. Gegen Phantome sind wir aber machtlos. Der Kampf gegen Gespenster ist nicht unser Element.«
In der Schlacht gegen die Phantome halten wir weniger eine physische als mehr eine psychologische Niederlage erlitten. Ich entgegnete den in Panik Verfallenen: »Es ist blanker Unsinn, daß der Gegner immateriell sei. Selbstverständlich handelt es sich um Phantome, aber sie sind durchaus materiell, da sie aus Energiefeldern zusammengesetzt sind. Ist ein Kraftfeld etwa keine Materieform? Unsere Darstellungen auf den Raumbildschirmen und in den Videosäulen besitzen noch weniger Masse als jedes beliebige Phantom, warum erbleicht ihr nicht beim Anblick eines Raumbildschirms? Das Merkwürdige der Phantome besteht keineswegs in ihrer scheinbaren Immaterialität, sondern darin, daß es ihnen gelungen ist, uns glänzend zu kopieren. Da liegt das Rätsel, das physikalische Rätsel. Wir müssen es lösen, um nicht auf neue Listen hereinzufallen. Nicht vor überirdischen Kräften dürfen wir zittern, sondern uns über ein neues wissenschaftliches Problem klarwerden. Das ist es, was ich jetzt von allen fordere.«
»Das physikalische Rätsel der Phantome ist einfach zu lösen«, sagte André. »Wenn der Gegner außerordentlich schnell arbeitende Analysatoren hat, so können sie leicht sämtliche Besonderheiten unserer Struktur darstellen. Dann bereitet es keine Mühe, eine Gestalt zu bauen, die optisch mit unserer identisch ist. Die Videosäulen, die der Admiral erwähnte, funktionieren nach demselben Prinzip.« »Einfach, leicht, bereitet keine Mühe!« sagte Oshima ärgerlich.
»Wir haben erbärmliche Videosäulen, sie sind nichts weiter als optische Abbilder, während die Feinde über Kraftbilder verfügen. Das ist ein Unterschied.« »Leider ist an etwas Ähnliches bei uns nicht zu denken«, sagte Romero seufzend und unterstützte damit Oshima. »Ihre Erklärungen kann ich zur Kenntnis nehmen, scharfsinniger André, aber schwerlich wird einem von uns leichter davon.«
André hörte sich die hereinhagelnden Einwände bescheiden an, ohne jemanden zu unterbrechen, und ich spürte, daß er eine Überraschung vorhatte. Jedenfalls sah das dem früheren André ähnlich. Seine Augen blitzten schelmisch. Es war, als koste er schon den Sieg über seine Widersacher aus. Ich hatte stets an Andrés Genius geglaubt und begann zu hoffen, daß sich die Dinge glücklich wenden würden.
»Nicht leichter?« fragte er. »Ich hatte gerade die Absicht, den feindlichen Phantomen unsere eigenen entgegenzustellen, die vielleicht einfacher in der Struktur, aber fürs Auge überzeugend wären.«
»Auch für andere Gespüre, um dieses hier heimische Wörtchen zu gebrauchen?« fragte ich. »Du weißt, André, bei den Verteidigern der Station beschränken sich die Analysatoren nicht nur auf das Sehvermögen.«
»Ich habe keineswegs vor, mit ihnen zu konkurrieren. Ihre Phantome kämpfen real, meine sollen nur die Taktik des Gegners durcheinanderbringen, damit er seine Schläge auf die Gespenster und nicht auf uns lenkt. Die wahren Phantome, vor denen Trub Angst hat, sollen nicht auf ihrer, sondern auf unserer Seite kämpfen.«
Romero wiegte zweifelnd den Kopf. Auch Oshima.
Petri und Kamagin waren skeptisch. Orlan hatte sich wieder in seine Uniform der Leidenschaftslosigkeit zurückgezogen. Doch dem leicht zu begeisternden Gig gefiel Andrés Idee, und Trub freute sich ebenfalls, daß auf die Horde von Phantomen eine blutrünstige Gespensterschar losgelassen werden sollte. Er malte sich das Bild in lebhaften Farben aus.
»Ein Kampf von Gespenstern gegen Gespenster ist leider gespenstisch. Wir brauchen reale Ergebnisse« sagte Romero.
»Nicht so hastig, Pawel. Stimmt, Gespenster sind Gespenster, dennoch werden sie real kämpfen. Und die Operation beschränkt sich nicht auf ihren Kampf, sondern fängt damit erst an. Das optische Heer dient nur als taktisches Lockmittel. Während die Phantome durch den Kampf gegen unsere Gespenster abgelenkt sind, bereiten wir die Vernichtungsoperation vor Die Geräte zeigen, das sich der Widerstand des Feindes aus zwei gegensätzlichen Wirkungen zusammensetzt, bedingt kann man sie rechtes und linkes Feld nennen. Wenn die rechten und die linken Felder zusammentreffen, löschen sie einander nicht aus, sondern bilden einen eigentümlichen Knoten. Plus mit Minus ergibt in der Mathematik Null, doch im Leben erzeugen die rechte und die linke Hand, sobald sie sich vereinigen, einen Händedruck. Die Phantome sind weiter nichts als Verbindungen von rechten und linken Wechselwirkungen, die Brennpunkte ihrer Verschmelzungen. Die elektrischen Geschütze von Oshima, die Laser der Menschen und die Blitze der Geflügelten haben die Felder zerrissen, ohne deren Symmetrie zu vernichten, die Hauptkraft des Gegners blieb unangetastet. Wir müssen die Harmonie zerschlagen, von innen heraus die Parität der Felder sprengen, nur das garantiert unseren Sieg. Die im Troß gefundenen Generatoren vermögen jedes beliebige Feld des Gegners nachzubilden«, schloß André.