die Große Staatsmaschine, die Große Akademische Maschine und die Auskunftsmaschine arbeiten dort unermüdlich. Tag und Nacht, ohne auch nur für eine Sekunde innezuhalten, schon bald zwei Jahrhunderte. Ich blickte auf das rote Gebäude und dachte, daß heute dort eines der schwierigsten Rätsel gelöst wurde, die je vor der Menschheit gestanden hatten, und daß vielleicht das Wohlergehen der Erde davon abhing, ob die Maschinen es richtig entwirrten. Weit fortfliegen würde ich von dieser Stelle, wo es zwischen den hundert Milliarden Elementen der Großen auch meinen eigenen Winkel zu einer Million Zellen gab, meine Beschützerin, meine weise, leidenschaftslose Lehrerin und Führerin. Manchmal habe ich mich über die Beschützerin geärgert, habe sie gefühllos und unnütz genannt und mich sogar meiner ironischen Einstellung gegenüber den lenkenden Maschinen gerühmt. Doch ehrlich gesagt, ich bin ihr verbunden, wie man selten einem Menschen verbunden ist. Sie wendet wachsam Gefahren von mir ab, behütet mich vor Krankheiten und unbedachten Schritten. Und wenn mich etwas plagt, dringt sie da nicht bis zu den Ursachen für Unstimmigkeiten und Mutlosigkeit vor und stellt sie als wichtiges soziales Problem vor die ganze Gesellschaft hin, wenn sie das verdienen? Und wenn mir eine Idee kommt, die für die Menschen nützlich sein könnte, habe ich da nicht die Gewißheit, daß die Beschützerin sie aufgreift, auch wenn ich sie vergesse, sie in den Kode der Großen eingliedert und diese dann unverzüglich realisiert oder der ganzen Menschheit zur Beurteilung vorlegt, sofern solche Aufmerksamkeit angebracht ist? Ich dachte auch daran, daß die Beschützerin, die klein ist, nicht größer als ich selbst, Teil der Großen, Stillschweigen bewahrte, wenn ich mich irrte, falsch handelte, ohne anderen zu schaden. Kein Freund wahrte Geheimnisse wie sie. Nein, für mich war sie nicht einfach ein klug erdachter, kunstvoll zusammengesetzter Teil einer riesigen Maschine, sondern ein eigentümlicher Teil meiner selbst, meine Verbindung zur Menschheit, Millionen Hände, von mir jedermann hingestreckt! Bald würden diese Bande abbrechen, die Große mit ihren hundert Milliarden Elementen ließ sich nicht auf ferne Reisen mitnehmen!
Ich verspürte Lust, ein letztes Mal die Macht der uns dienenden Maschinen zu erproben. Ich befahl der Beschützerin, zu erkunden, wer das Mädchen sei, das mir während des Gewitters aufgefallen war. In meinem Hirn leuchtete die Antwort auf:
»Der Auskunftsmaschine genügt das Material nicht.«
Ich lehnte den Kopf an einen Oleander und dachte an das Mädchen, an den kurzen Wortwechsel unter dem Vordach, wo wir vor dem Sturzregen Schutz gesucht hatten, und ich sah sie vor mir zornig, dunkeläugig, mit schmalem Gesicht, langem Hals und breiten Brauen…
»Jetzt genügt das Material«, erklang die Stimme der Beschützerin. »Das Mädchen heißt Mary Glun, stammt aus Schottland, hat einen Kursus auf dem Mars absolviert. Dreiundvierzig Jahre alt, ledig. Ihre Leidenschaft gilt der Züchtung von Pflanzenformen für Planeten mit hoher Gravitation und harter Strahlung.«
13
Am nächsten Morgen deutete nichts in der Stadt darauf hin, daß tags zuvor ein Fest gefeiert worden war. Wäre ein Fremder in der Hauptstadt erschienen, er würde nicht geglaubt haben, daß dort fünfzehn Millionen Menschen ansässig waren, so leer und still waren die Straßen Die Kinder waren noch nach dem Fest in die Gärten und Schulen vor der Stadt gebracht worden, die Erwachsenen arbeiteten wieder in den Werken und Instituten Wenn in den Straßen um sich blickende Leute auftauchten, dann waren das ohne Frage Touristen.
Besonders viele bevölkerten die Museumsstadt. Ehe ich die Staatsmaschinen-Verwaltung erreichte, überholte ich ungefähr zehn Touristengruppen.
Vor dem Gebäude traf ich Romero und André »Du bist nicht zu uns gekommen« sagte André »Jeanne hat auf dich gewartet.«
»Ich hatte ein wichtiges Gespräch mit Wera«
Die Ergebnisse meines Gesprächs mit Wera kannte André bereits von Romero Beide gratulierten mir zu meiner Nominierung. Romero und André wirkten besorgt. Auch Allan, Olga und Leonid die sich im Vestibül zu uns gesellten, sahen unruhig aus.
So gelassen wie vor zwei Tagen als wir uns die erste Mitteilung über Galakten und Zerstörer angehört hatten, war niemand mehr. Nur Lussin war ruhig. Er labt sich nur von seltsamen Tieren aus der Fassung bringen.
Romero zeigte uns das Gebäude. Die drei Mechanismen die Große Staatsmaschine, die Große Akademische Maschine und die Auskunftsmaschine sind in mehrgeschossigen Kellerräumen untergebracht. Wir stiegen nicht hinunter, da es dort langweilig ist Millionen von Arbeits- und Reservezellen auf Gestellen, Milliarden von aktiven Elementen, für ein ungeschultes Auge ein wildes Durcheinander von Verbindungen. Wir sahen uns die Sitzungssäle an. Hier ist alles großartig. Der Große Rat tagt im Blauen Saal, die Decke imitiert den Sternenhimmel. Wir wurden in den Orangefarbenen Saal gebeten, die Arbeitsstätte der Großen Akademischen Maschine. Er faßt ungefähr fünftausend Personen. Gegen zehn Uhr morgens waren alle Plätze besetzt. Wir sieben wurden in eine Loge geführt. Vorn war der leere Kubus des Raumbildschirms aufgestellt. Alles, was auf dem Bildschirm erscheint, wird über die Stereophone der Erde gesendet. Die heutige Übertragung sollten auch die Sonnenplaneten sehen, solche Bedeutung wurde ihr beigemessen.
Kurz vor elf Uhr zeigte sich ein Mann auf dem trüben Raumbildschirm.
»Martyn Spychalski«, flüsterte André.
Neugierig musterte ich den berühmten Kosmonauten. Seine Schiffe waren unvergleichlich weit in die Sternenräume vorgedrungen, er hatte in Gegenden geweilt, wo vor und nach ihm niemand gewesen war. Obwohl er hundertneunundvierzig Jahre alt war, sah er prächtig ans, sogar seine Stimme hatte jugendlichen Klang.
Er erzählte von der Expedition zum Flammenden B, und wir betrachteten nacheinander die neun Planeten dieses Sterns. Der Stern und die Plane ten sind gewöhnliche Himmelskörper, wie es ringsum eine Menge gibt. Als jedoch die geflügelten Planetenbewohner ins Bild kamen, wurde im Saal geflüstert und gelacht. Sie erinnerten wahrhaftig an die Vorstellungen, die die Alten von Engeln halten. Die Engel vom Flammenden B unterscheiden sich kaum von den Geflügelten, die die übrigen hundertdreißig Himmelskörper in den Hyaden bevölkern sie sind vielleicht etwas kleiner, und es finden sich weniger Vierflüglige unter ihnen. Die Engel sind jähzornig und händelsüchtig, ohne Rauferei läuft bei ihnen eine Versammlung selten ab. Man zeigte uns ein Scharmützel auf einem städtischen Platz die Daunen von ihren Flügeln hüllten alles wie in Nebel, und von ihrem Gezeter gellten uns die Ohren.
Die Wohnstätten auf den Planeten dieses fernen Sterns in den Hyaden schienen uns äußerst armseligeingeschossige Baracken mit so schmalen Türen, daß die bedauernswerten Engel nicht hineinfliegen können. Sie müssen hineinkriechen, wobei sie sich die Flügel ramponieren. Auf den zentralen Himmelskörpern der Hyaden lebt sich’s bequemer, dort stehen Paläste mit breiten Einflugsportalen zur Verfügung.
Man zeigte uns auch, wie sie schlafen in einer Reihe auf dem Fußboden ausgestreckt, in Enge und Finsternis, aufspringend und aufschreiend, wenn ihre Alpträume sie übermannen. Und dann flammten eins nach dem ändern die entschlüsselten Traumbilder auf.
Zuerst erblickten wir eine Gestalt. Sie tauchte aus den Nebelschwaden des Vortraums auf und gewann an Leuchtkraft, je tiefer der Traum wurde.
Bald war klar, daß das ein Mensch und doch kein Mensch war, ein Wesen, geringer und doch größer als der Mensch. Ruhig blickten uns riesige Augen an, die voller Klugheit und Güte waren, sie nahmen ein Drittel des Gesichtes ein, lange Locken fielen auf die Schultern herab. Der Galakt hob eine Hand, fünf Finger wanden sich daran, bewegten sich nicht wie unsere. Er kratzte sich das Kinn mit einem dieser wendigen Finger und legte die Hand auf die Brust zwei Finger vorgestreckt, drei zum Handrücken zurückgebogen. Die Hände beeindruckten mich mehr als das Gesicht.