Vagabund brauchte seine Lungen nicht anzustrengen, um zu antworten: »Ich kränke sie nicht, sondern mache sie mit mir bekannt.«
»Warten wir auf sie«, flehte ich, als der Engel und der Pegasus nicht mehr zu sehen waren.
»Warten – das dauert zu lange!« murmelte er geringschätzig, kehrte um und raste genauso geschwind zurück.
Als wir uns näherten, bemerkten wir Dampfwölkchen über dem Pegasus, auch Trub war abgehetzt.
Gewöhnlich erreichten feuerspeiende Drachen kaum ein Drittel der Geschwindigkeit des Vagabunden.
»Na?« bestürmte mich Lussin.
»Ich habe dir doch schon gesagt ausgezeichnet! Was hast du eigentlich noch von dem früheren unbeweglichen Träumergehirn, ausgelassener Vagabund.«
»Alles!« prahlte der Drachen und bäumte sich. Ich mußte mich an seinem Kamm festklammern, um nicht abzurutschen. Hingerissen schrie er, ohne auf mich zu hören: »Und es sind keine Träume mehr, es ist Wirklichkeit!«
Wir flogen zum Übungsplatz der Drachen zurück.
Unterwegs hätte sich beinahe eine Katastrophe ereignet. Der Drachen, der bis dahin geruhsam seine Flügel bewegt hatte, brüllte plötzlich freudig auf, schwang sich empor und jagte noch ausgelassener als zuvor davon.
Ich konnte mich auf dem Kamm nicht halten und segelte abwärts. Hätte Trub mich nicht im Flug aufgefangen, wäre ich wahrscheinlich auf der metallischen Oberfläche des Planeten zerschellt. Sorgsam trug mich der Engel zum Boden hinunter, neben uns ließ sich der Pegasus nieder. Lussin und Trub waren weiß wie Wasserschaum, ich hatte ebenfalls wenig Ähnlichkeit mit einem Helden. Der Pegasus wieherte wütend und schlug aus. Die instinktive Feindschaft seines Stammes gegen die Drachen hatte neue Nahrung gefunden.
—Der davonstürmende Drachen verwandelte sich rasch in einen dunklen Punkt.
»Den sticht wohl der Hafer, was?« fragte ich.
»Die Liebe«, sagte Lussin. Ihm fiel ein Stein vom Herzen, als er sich vergewissert hatte, daß ich unverletzt war. Nun war er erneut bereit, sich an jeder Handlung des Drachens zu begeistern.
Von Lussin erfuhr ich, daß in seiner Herde vier Drachenweibchen waren, und Vagabund fühlte sich als richtiger Mann.
Entschlossen hatte er die anderen Drachen verdrängt und flirtete hartnäckig mit allen vier Drachenweibchen zugleich, seiner besonderen Zuneigung erfreute sich jedoch das weiße, es war jünger und koketter als die anderen. Sobald das weiße Weibchen in der Luft erschien, drehte Vagabund auf, daß man vom bloßen Zusehen Angst bekam. Eben war in der Ferne das bunte Weibchen vorbeigeflogen.
»Ich bin froh, daß sich das bunte Weibchen gezeigt hat und nicht das weiße«, sagte ich.
Nach etwa zehn Minuten sahen wir Vagabund wieder. Er raste an uns vorbei und schrie uns im Fluge etwas zu. Eine dicke Rauchschleppe wand sich hinter ihm.
»Eilt er nun zu der Weißen?« fragte ich.
»Zur Station«, sagte Lussin. »Er muß zum Dienst.
André duldet keine Verspätungen.«
Noch eins, bevor ich vom Dritten Planeten Abschied nehme. Asters Körper war auf die »Bootes« gebracht worden. Dort lag er in einem durchsichtigen Sarkophag. Kürzlich hörte ich, daß auf Gold und Blei dieses Planeten Moos sprieße der erste Anflug von Leben. Ein besseres Denkmal für Aster kann man sich nicht wünschen.
4
Unweit des Flammenden Sterns empfing uns ein Schiff der Galakten. Wir mußten in den Einsteinschen Raum tauchen bei den Galakten sind wie bei den Menschen Überlichtgeschwindigkeiten in der Umgebung von Planeten verboten.
Das Planetenflugzeug bestiegen wir zu viert – Romero, Mary, Lussin und ich.
Orlan und Gig nahmen wir nicht mit, sie schienen sich zu freuen, daß nicht sie die ersten waren, die den Galakten gegenübertreten sollten. Oshima hielt die Vorsicht der Galakten für verdächtig.
»Wenn es euch schlecht ergeht, werdet ihr das nicht mitteilen können. Wenn alles in Ordnung ist, wird man nichts dagegen haben, daß ihr mich darüber informiert. Also, an dem Tag, da ich die Stimme des Admirals nicht höre, der mir mitteilt, daß alles in Ordnung ist, werde ich wissen, daß es euch schlecht ergeht.«
»Und dann greifen Sie, tapferer Oshima, die Galakten an und vernichten ihr Sternenflugzeug zusammen mit uns. Habe ich Sie richtig verstanden?« fragte Romero schmunzelnd.
»Ich werde je nach den Umständen handeln«, antwortete Oshima kurz.
Auf dem Bildschirm des Planetenflugzeugs wuchs eine grünliche Kugel, die den Kreuzern der Zerstörer glich.
Wir stürzten darauf zu wie auf einen Planeten. Bevor wir aufschlugen, öffnete sich ein Tunnel, und wir wurden sanft hineingesaugt.
Die Anlegemethode erinnerte an die auf unseren Schiffen übliche, und wir erwarteten, auf einen Anlegeplatz für leichte kosmische Schiffe zu gelangen.
Statt dessen stürzten wir in Finsternis. Das Licht er losch unvermutet in sämtlichen Räumen unseres Planetenflugzeugs.
Eine unbekannte menschliche Stimme sprach zu uns: »Beunruhigt euch nicht. An euch wurden drei Prozent Künstlichkeit entdeckt. Sobald deren Charakter geklärt ist, läßt man euch heraus.«
»Auf der Erde werden Astronavigatoren, die von weit her kommen, ebenfalls kontrolliert«, überlegte Romero laut. »Dort schützt man sich vor Krankheitserregern, nicht vor Künstlichkeit.«
»Künstlichkeit ist schlimmer, als es Bakterien sind«, ertönte dieselbe Stimme. »Eure ist ungefährlich. Ihr könnt aussteigen. Freunde.«
Licht flammte auf. Hinter der durchsichtigen Fensterpanzerung erstreckte sich eine grüne Landschaft.
Durch die Luft schnellten blumenartige Vögel und schlangenförmige Tiere, die fliegenden Fackeln glichen. Über der Ebene, den Gebäuden und den fliegenden Tieren wölbte sich Himmel, der seidig blau und von solcher Leuchtkraft war, wie ich sie noch nie gesehen hatte.
»Vortrefflich gemalt!« sagte Romero. »Weit vollendeter als unsere Raumbildschirme. Nur kann ich mir nicht vorstellen, wie ich diese illusorische Bühne betreten soll.«
»Steigt aus, Freunde!« wiederholte die Stimme noch freundlicher. »Wir warten auf euch.«
Ich öffnete die Tür. Das Planetenflugzeug stand auf einer Wiese. Ringsum drängten sich Galakten, ihrem Äußeren nach Brüder von denen, die wir auf Bildern der Atairen und als Skulpturen auf der Sigma bewundert hatten, sie waren riesengroß, elegant gekleidet, schön wie griechische Götter, uns erstaunlich ähnlich und dabei doch ganz anders! Ich sprang zu Boden und landete als erster Mensch in den Armen eines Galakten.
5
Wir fühlten uns prächtig, doch ich war in Sorge, ob mich nicht eine neue Vision heimgesucht habe, ähnlich denen, die ich im Zerstörerreich hatte.
»Nun gut, ihr freundlichen und schöngeistigen Gastgeber«, sagte Romero. »Wir sind in ein Reich des alltäglich gewordenen Unwahrscheinlichen geraten. Wenn ihr uns verblüffen wolltet, so ist euch das gelungen. Nachdem ich selbst Bestandteil der illusorischen Landschaft geworden bin, würde ich mich nicht wundern, wenn ich plötzlich auf einem Stengel schwankte wie die blaue Blume dort. Hier sind die Wunder alltäglich, wie eure Gebäude, wie eure vorzügliche Sprache.«
»Keinerlei Wunder«, entgegnete einer, nachdem er zuvor mitgeteilt hatte, daß er in der Menschensprache Tigran heiße. »Bei den Galakten gilt ein Wunder, das heißt eine Abweichung von den Naturgesetzen, als ein Vergehen, obwohl im Prinzip jeder von uns in der Lage ist, Wunder zu vollbringen. Unseren Kindern sind Wunder selbstverständlich gestattet, allerdings gibt es wenig Galakten im Kindesalter. Und daß wir menschlich sprechen, ist noch viel weniger ein Wunder.
Haben wir nicht die Depeschen der ,Raumfresser‘ entschlüsselt, habt ihr nicht unsere Antworten verstanden?«