»Aber dieses Stereobild… Eine so vollkommene Illusion…«
»Das ist keine Illusion. Du befindest dich in einem realen Raum.«
»In einem realen Raum?« fragte Romero erstaunt.
»Ich bin nicht so naiv. Der Durchmesser eures Sternenflugzeugs beträgt maximal einen Kilometer. Von hier bis zum Horizont sind es nicht weniger als fünfundzwanzig, und hinter dem Horizont ist offenbar wieder eine Ebene, gewiß kein Abgrund…«
»Hinter dem Horizont sind Wälder, danach folgt ein Meer, wir werden es noch befahren. Ungefähr zweitausend Kilometer sind es im Umkreis, wenn wir nach deinem Maßstab rechnen.«
»Also habt ihr einen Planeten von zweitausend Kilometern, das heißt sechshundert im Durchmesser, innerhalb einer Kugel untergebracht, die selbst nur einen Durchmesser von einem Kilometer hat? Und ihr wollt, ich soll glauben, das sei kein Wunder und keine Illusion?«
Wieder lachten die Galakten.
»Trotzdem liegt kein Wunder, keine Illusion vor.
Als ihr in unser Sternenflugzeug kamt, verminderten spezielle Anlagen die Ausmaße eurer Gewebe. Leider können wir lebende Gewebe noch nicht in derselben Proportion verkürzen wie künstliche. Das ist einer der Gründe, freilich nicht der wichtigste, weshalb uns die künstlichen Elemente in euren Organismen Sorge bereiteten. Wir wären verzweifelt gewesen, wenn ihr entstellt vor uns gestanden hättet ein Bein kürzer als das andere, ein Auge normal, das andere winzig.«
Romero faßte sich in den Mund. »Meine künstlichen Backenzähne sind geschrumpft!«
»Ich atme gut«, erklärte Lussin. »Komisch Synthetische Lungen.«
»Völlig normal«, erläuterte ein anderer Galakt, der in der Menschensprache Lentul hieß. »Die künstliche Lunge war nicht effektiv genug, Lussin, weil man für deinen Brustkorb eine zu große Masse genommen hatte. Jetzt sind deine Lungen kleiner geworden, daher wirst du dich bei uns besser fühlen als sonst.«
»Ihr sagtet, daß eine mögliche Verzerrung unseres Organismus nicht die Hauptsache sei, weshalb euch die künstlichen Elemente Sorge bereiteten«, fuhr Romero fort. »Ich hätte, falls es kein Geheimnis ist, gern die Hauptursache gewußt.«
Ein Schatten glitt über Tigrans schönes Gesicht »Die Galakten haben keine Geheimnisse, jedem steht alles offen. Aber dies ist eine Erzählung von traurigen Ereignissen. Die Frage, ob Lebewesen in höherem oder niederem Grade künstlich sein sollen, führte zum Krieg zwischen Galakten und Verderbern. Wir haben schon lange aufgehört, Organismen in größerem Maße künstlich zu gestalten.«
Nach Tigrans Erklärung herrschte Schweigen.
Dann sprach Mary.
»Erstaunlich ist die Schönheit des weiten Landes in eurem Sternenflugzeug! Mich verwirrt, warum ihr das überhaupt tut! Gerade wegen des harten Lebens finden die Menschen den Beruf des Sternenfahrers verlockend. Unsere Konstrukteure denken gar nicht daran, der Besatzung eines Sternenflugzeugs die irdischen Bequemlichkeiten und den allumfassenden irdischen Schutz gegen jegliche Gefahren zu garantieren… Bei uns nennt man das die Romantik ferner Reisen…«
Die Galakten tauschten Blicke. Ich verbürge mich dafür, daß ihnen Marys Frage taktlos erschien.
Tigrans Stimme klang unverändert freundlich, als er Mary antwortete. »In knappen Worten läßt sich unser Brauch so ausdrücken: Jeder hat das Recht, die Möglichkeiten zu verlangen, die den Kräften der Gesellschaft entsprechen. Andererseits darf niemandem dasjenige verweigert werden, was zumindest ein Mitglied der Gesellschaft genießt. Deshalb sind wir verpflichtet, der Besatzung eines Fernschiffes die gleichen Bequemlichkeiten zu gewährleisten, welche die Zurückbleibenden genießen. Anderenfalls würde das Prinzip der Gleichberechtigung verletzt. Leider gelingt es nicht, dieses Prinzip völlig in die Tat umzusetzen.«
»Man braucht die Galakten nicht auf weite Expeditionen zu schicken, wenn sie es auf den Schiffen weniger bequem als auf den Planeten haben«, soufflierte Mary ironisch. Ihre dunklen Augen flammten.
»Ja, wir müssen auf viele Expeditionen verzichten«, bestätigte Tigran.
Wieder griff Romero ins Gespräch ein. »Sie sagten Gleichberechtigung«. Wir haben auch Gleichberechtigung im Sinne der gesellschaftlichen Möglichkeiten, die jedem gewährleistet sind Essen, Wohnung, Ausbildung, Arbeit. Aber jedem garantieren, daß ihn die jenige liebt, die er liebt, nein, da muß er sich schon selber bemühen, ihre Liebe zu erringen, da ist ihm die Gesellschaft kein Diener.«
»Ja, die Liebe«, sagte der Galakt und wiegle den Kopf. »Ein schwieriges Ding, die individuelle Liebe Irgendein Wesen, das nichts Besonderes an sich hat, verdrängt plötzlich alle anderen in der Welt. Wir wissen von diesem Gefühl, aber bisher können wir da wenig tun.«
»Schön, lassen wir zunächst die Liebe«, erklärte Romero, es war, als setzte er sich hartnäckig für irgend etwas ein. »Sie sagen: die Besatzung des Sternenflugzeugs… Wenn es eine Besatzung gibt, dann gibt es doch auch einen Kommandeur? Und der Kommandeur erteilt Befehle, die für die Besatzung verbindlich sind.«
Tigran schüttelte den Kopf. »Wir haben keine Kommandeure. Das Sternenflugzeug befehligen wir gemeinsam. Die Schiffsmechanismen sind auf unsere Gehirnstrahlungen abgestimmt. Was wir einträchtig wünschen, das geschieht.«
»Und wenn Meinungsverschiedenheiten auftreten… ?«
»Die Besatzungsmitglieder sind so ausgewählt, daß sie zusammenpassen. Selbst bei außergewöhnlichen Vorfällen ereignen sich keine Unstimmigkeiten zwischen uns.«
Jetzt war auch Romero um Worte verlegen Der Galakt wandte sich an mich: »Du allein beteiligst dich nicht am Gespräch. Warum nicht?«
»Ich höre zu.«
»Hast du keine Fragen?«
»Mindestens hundert.«
»Bitte stelle sie.«
Die Fragen meiner Freunde waren selbstverständlich wichtig, doch es gab Probleme, die mich weit mehr interessierten.
»Ich möchte wissen, was euch über die Ramiren bekannt ist und wie es zum Krieg zwischen Galakten und Zerstörern gekommen ist. Ungewollt haben auch wir den Kampf gegen die Zerstörer aufgenommen und halten euch schon allein deswegen für unsere Verbündeten.«
Die Galakten tauschten wieder Blicke. Bei den Menschen ist das Blicke wechseln ein vages Äquivalent des Gedankenaustausches, die Sprache drückt ihre Gedanken genauer aus. Die Galakten sind da geschickter – ihre Augen sind freilich auch riesengroß.
»Das ist eine lange Geschichte«, bemerkte Tigran.
Wir lagerten uns bequemer. Das Flüßchen führte sauberes Wasser, keine giftigen Nickellösungen wie der Fluß bei den Zerstörern. Das Grün, das die Ufer bedeckte, duftete nach irdischem Gras. Auch die fremdartigen grünen Bäume in den Wäldern, die sich wie Mauern erhoben, rauschten irdisch.
Der Platz war ideal, um sich still zu freuen und die Natur zu genießen, doch der Galakt erzählte bedächtig von schwarzen Jahrtausenden, von ausgestorbenen Sternenvölkern und zerstörten Planeten…
6
Über die Ramiren wußten die Galakten nicht viel dunkle Überlieferungen, nichts Genaues. Dieses merkwürdige Volk hatte entweder vor dem Erscheinen der Galakten oder zu Beginn der Galaktenzivilisation – das wäre wohl die richtige Bezeichnung in den Perseusgruppen geherrscht. Weder vom Aussehen noch von der Lebensweise jener Wesen waren Nachrichten erhalten geblieben, die Spuren ihrer Tätigkeit waren ebenfalls vergangen, will man nicht die Planeten selbst als solche Spuren gelten lassen. Die Perseusgestirne besitzen den Worten der Galakten zufolge nämlich hundertmal mehr Planeten als die anderen Sterne der Galaxis. Im Perseus hat ein Stern zehn bis fünfzehn große Trabanten das ist dort nichts Besonderes. Die Überlieferung schreibt den Planetenreichtum im Perseus den Ramiren zu, die es verstanden, aus verdichtetem Raum kosmische Kugeln zu schaffen. Möglicherweise rühren die Perseusgruppen selbst daher, daß die Ramiren die Sterne gewaltsam einander näher brachten, nachdem sie den freien Raum zwischen ihnen erschöpft hatten.