Die Tanew-Annihilatoren sahen schöner aus als die Kolonien tobender Zellen hinter der durchsichtigen Glocke. Doch neben diesem ungeheuren lebenden Kern wirkten sie, obwohl sie an sich gewaltig waren, wie Winzlinge. Romero fragte Tigran: »Im Laufe der Zeit sammelt sich unter der Glocke die nicht abgegangene Strahlung an. Beeinträchtigt das nicht die Lebenstätigkeit des Kerns?«
Romero hatte einen komplizierten Punkt berührt, Es ist verboten, die angesammelte Strahlung freizugeben, die Weltenräume dürfen nicht mit verderblichen Strömen erfüllt werden. Der Kern schluckt die eigenen Absonderungen, und seine Zellen sterben an Selbstvergiftung. Der Zerfall alter und die Synthese neuer Zellen erfolgen gleichzeitig, die Protuberanzen erzeugen Stürme, sind Ausdruck dieser Reaktionen Periodisch wird der Kern schwächer und erlischt, danach überwindet die Synthese den Zerfall, und ein neuer stürmischer Prozeß entbrennt.
»Und wenn sich der Feind gerade in dem Augen blick einstellt, da der Kern geschwächt ist?«
»Die Perioden des Absinkens und des Ansteigens haben verschiedene Asteroiden nicht gleichzeitig. Die Hälfte der Kerne ist ständig aktiv. Außerdem braucht der Kern das periodische Erlöschen, um sich selbst zu regulieren. Würde er ungehindert Strahlung absondern, würde seine Substanz so anschwellen, daß der Asteroid auseinanderflöge. Je schneller ein Kern erlischt, desto zuverlässiger ist er.«
»Sind eure kosmischen Schiffe mit biologischen Geschützen ausgerüstet?«
Man merkte Tigran an, daß er nicht antworten wollte. Aber die Galakten können nicht lügen. Wenn es ihnen nicht gelingt, Stillschweigen zu bewahren, sagen sie die Wahrheit. »Auf den Sternenflugzeugen gibt es biologische Geschütze, allerdings von geringerer Leistungsfähigkeit.«
Romero fand es befremdlich, daß die Galakten, obwohl sie die absolute Waffe besaßen, keinen Umschwung im Krieg herbeigeführt hatten. »Sie müssen zugeben, lieber Orlan, daß Ihre Schiffe schwächer ausgerüstet sind. Sowohl Ihre Gravitationsschläge als auch die biologische Strahlung der Galakten pflanzen sich mit Lichtgeschwindigkeit fort. Aber eine Gravitationswelle wird proportional zum Quadrat der Entfernung schwächer, während ein Bündel biologischer Strahlung praktisch überhaupt nicht zerstreut wird.
Bei weiten Distanzen müßte ein Kreuzer der Galakten immer die Oberhand über einen Kreuzer der Zerstörer gewinnen.«
Orlan antwortete so betont leidenschaftslos, daß man es als Spott auffassen konnte. »Du vergißt, Romero, daß unser Kreuzer einem schmalen Strahl ausweichen kann, während ein Schiff der Galakten unweigerlich in eine gefährliche Gravitationswelle gerät, mag sie auch abgeschwächt sein. Die Zielgenauigkeit der biologischen Geschütze ist in einem Manövrierkampf gering. Anders sieht es aus, wenn man ins Innere der Planetensysteme durchbrechen will da werden die Schiffe vom tödlichen Beschuß ereilt.«
Romero stritt weiter: »Wenn der Manövrierkampf, scharfsinniger Orlan, Ihrer Meinung nach den Galakten nicht das Übergewicht gibt, warum lallen sie dann nicht über Ihre Planetenstützpunkte her, über den Dritten Planeten zum Beispiel? Den können Sie nicht zur Seite schieben, aber der Strahlenweg läßt sich bis auf einen Kilometer genau berechnen. Früher oder später hätte Sie die todbringende Strahlung in Asche verwandelt und die Zerstörer, selber zerstört, hatten aufgehört, Böses im All zu säen.«
»Um diese Gefahr abzuwenden, haben wir die sechs Metrikstationen errichtet, Romero.«
Und Orlan erzählte, wie die letzte offene Schlacht zwischen Galakten und Zerstörern verlief. Die Galakten versetzten einer Metrikstation Schläge aus ihren biologischen Geschützen, aber die Station rollte in ihrem Bezirk den Raum zusammen und warf die ausgestoßenen Strahlen nach dem Aufrollen auf die Galaktenplaneten zurück. Seit der Zeit hatten die Galakten, wo sie sich im Perseus auch befanden, dem Kampf um die Macht in der Sterngruppe entsagt.
Orlans Erzählung brachte mich wieder auf meine unruhigen Gedanken. »Du hast uns beredet, Orlan die Galakten um Hilfe zu bitten. Nun stellt sich heraus, daß ihre biologischen Geschütze im Kampf wirkungslos sind.«
Orlan antwortete, als habe er diese Frage schon lange erwartet: »Je nachdem, um was für einen Kampfes sich handelt, Eli. Dort, wo die Sternenschiffe der Menschen durchbrechen, werden unsere Schiffe begrenzt manövrierfähig sein. Und wenn sie, um sich vor den biologischen Strahlen zu retten, ungeordnet fliehen, dann ist euch damit doch auch gedient, oder?«
9
Anfangs sah es so aus, als legten wir auf einem nur von Bäumen besiedelten Planeten an. Zwei Monde umkreisten ihn, auf dem ferneren hatten wir von den Sternenflugzeugen Abschied genommen. Dann hatte sich der Planet gezeigt, und wir wunderten uns, als wir vergebens nach Ortschaften Ausschau hielten.
Wälder, nur Wälder, nach menschlichen Begriffen unwahrscheinliche Wälder.
»Ich bin geblendet vom Licht der Bäume«, sagte Mary. Die Bäume waren größer als unsere irdischen manche bis zu einem halben Kilometer hoch, wie wir später feststellten. Ihre Äste hingen nicht herab und luden auch nicht nach den Seiten aus, sondern strebten empor. Sie waren nicht nur verschiedenfarbig wie unsere Vegetation, sondern leuchteten funkelnde Lichter – rote, blaue, violette, gelbe und orangefarbige in allen Schattierungen…
»Nachts ersetzen die Bäume den untergegangenen Stern«, erläuterte Tigran. »Werden eure Planeten nicht von Bäumen erhellt?«
Höflich hörte er sich die Antwort an, aber sicherlich kamen ihm unsere Lampen und Scheinwerfer, unsere leuchtenden Wände und Decken wie wilde Barbarei vor. Bei den Galakten steht in jedem Zimmer ein Bäumchen es spendet Licht und klimatisiert die Luft.
Mitten im Waldmassiv öffnete sich ein heller Streifen, der Aerobus landete auf einem weiten Platz.
Groß war unsere Überraschung, als wir gewahr wurden, daß nicht nur Galakten zu unserer Begrüßung erschienen waren. Engel drängten sich um uns, sechsflüglige Grashüpfer mit Menschengesichtern, schöne Wegabewohner. Ich fürchtete schon, man habe Phantome auf uns losgelassen, Kopien der in unseren Gehirnen haftenden Gestalten, aber dann erblickte ich viele seltsame Wesen, daß niemand sie sich ausgedacht haben konnte.
Wir wanderten aus einer Umarmung in die andere.
Als sich das Feuerwerk der Farben legte, das Bacchanal der Laute schwächer wurde und sich der Strudel der Bewegungen beruhigte, flogen wir in eine Stadt.
Sie glich unseren Städten und war ihnen doch nicht ähnlich. Es gab Straßen, irdisch weitläufig und breit, Längs der Straßen erhoben sich nicht Häuser mit Fenstern und Türen, sondern blinde Mauern, in denen hier und da ein Tunnelschlund gähnte. Über der Straße wölbte sich nicht der sternenübersäte Himmel, sondern die Kronen von leuchtenden Riesenbäumen ihre Stämme waren hinter den Mauern verborgen die Äste über der Straße zu einem Dach verflochten.
Wir wurden in einen Tunnel geführt und gelangten in einen Saal.
Tigran machte uns mit einem Galakten bekannt der noch stattlicher und schöner war. In der Menschensprache hieß er Grazi – der Name paßte zu ihm.
»Auf den Planeten wird Grazi mich vertreten«, teilte Tigran mit. »Er wird auch die Verhandlungen mit euch führen.«
Am Abend fand unser erstes Gespräch statt. Ich nannte die Gründe, die dringlich ein Bündnis zwischen Menschen und Galakten erforderten.
Das Zerstörerreich sei durch innere Kräfte zerrissen, man brauche nur zuzuschlagen, damit es endgültig auseinanderfalle. Zu dem Zweck müsse der menschlichen Flotte geholfen werden, die in den Perseus eindringe.
Die Galakten hörten höflich zu, das strahlende Lächeln wich nicht von ihren Gesichtern. Ich spürte, daß ich eine Wand vor mir hatte und mit dem Kopf dagegen anrannte.