»Wir werden euren Vorschlag den Völkern auf den Planeten des Flammenden unterbreiten, desgleichen den Galaktengesellschaften, die die Systeme anderer Sterne bevölkern«, versprach Grazi. »Einstweilen bitte ich euch, an einem Fest euch zu Ehren teilzunehmen.«
»Nein«, sagte ich. »Keine Feste, solange wir eure Meinung nicht kennen.«
Grazi zog erstaunt die Brauen hoch. »Ich kann der Entscheidung unserer Völker nicht vorgreifen. Es erheben sich viele Einwände gegen eine Teilnahme am offenen Krieg.«
»Teilt uns wenigstens mit, welche Einwände ihr habt, damit wir beizeiten darüber nachdenken können.«
Durch Blicke verständigte sich Grazi mit den Galakten. »Ich nenne die beiden Haupteinwände: Wenn wir den Menschen ein Geschwader zu Hilfe schicken, das mit biologischen Geschützen ausgerüstet ist, dann können die Geschütze in dem entbrennenden Kampf ein Ziel verfehlen. Bei dem bloßen Gedanken daran packt uns Entsetzen.«
»Haha, ein schöner Einwand!« rief Gig aus.
»Selbst wir, die Unsichtbaren, schießen vorbei. Ein ungenauer Schlag – das ist in Schlachten doch gang und gäbe!«
Ich ermahnte Gig durch einen strengen Blick.
»In gewöhnlichen Schlachten ja«, sagte Grazi so höflich wie zuvor. »Aber eine Schlacht, an der biologische Geschütze beteiligt sind, ist ungewöhnlich.
Wenn ein Bündel dieser Strahlen das Ziel trifft, wird das Ziel vernichtet, die Strahlen sind ausgelöscht.
Wird das Ziel verfehlt, jagt das Strahlenbündel im All dahin, unsichtbar, unabwendbar, jagt jahrelang dahin, Jahrtausende, Millionen, Milliarden Jahre, durchdringt die Sternensysteme, die Galaxien, die Metagalaxis – und irgendwann trifft es unterwegs einen Lebensherd. Und wehe dann allem Lebendigen!
Was es auch sein mag Kolonien primitiver Moose, Bakterien, die die Atmosphäre füllen, oder eine hochentwickelte Zivilisation, alles verwandelt sich in Staub! Kein einziger Galakt heißt ein solches Verbrechen gut ich auch nicht!«
Jetzt klang seine Stimme herausfordernd. Die Einwände des Galakten waren mit den ersten besten Argumenten nicht zu widerlegen.
»Ein ernsthafter Einwand. Wir werden über eure Befürchtungen nachdenken. Jetzt würde ich gern den zweiten Einwand hören.«
»Der zweite hängt mit dem ersten zusammen. Ihr habt eine Metrikstation erobert, fünf andere sind noch in den Händen der Zerstörer. Wenn wir danebenschießen, erzeugen die Feinde eine Krümmung, daß die von uns ausgesandten Strahlen uns selbst ereilen. Einen solchen Fall hat es bereits gegeben – viele Planeten verwandelten sich damals in Friedhöfe.
Wollt ihr, daß wir uns selbst zum Untergang verdammen?«
»Ihr sagtet, Galakten seien auf ihren Planeten unsterblich. Dennoch seid ihr nicht frei von Todesangst?«
»Wir haben solche Lebensbedingungen geschaffen, daß wir den Tod nicht zu fürchten brauchen. Todbringende Faktoren können nur von außen kommen.
Einfallende biologische Strahlen zum Beispiel.«
Der Tod, antwortete Grazi, sei entweder eine Katastrophe oder eine Krankheit. Katastrophen gebe es auf ihren Planeten nicht, die Krankheiten seien überwunden woran solle da ein Galakt sterben? Wenn sich einzelne Organe abnutzten, würden sie ersetzt.
Grazi hatte dreimal das Herz gewechselt, zweimal das Gehirn, etwa achtmal den Magen, und nach jedem Ersatz hatte sich sein Organismus verjüngt.
»Schwingungsbewegungen zwischen Alter und Erneuerung«, sagte Romero. »Oder ein auf ewig konserviertes Alter?«
Romeros Bemerkung war allzu herausfordernd, als daß der Galakt sie unbeantwortet lassen konnte. Es sei unmöglich, das Alter zu konservieren. In der Jugend und im Alter gingen die biologischen Veränderungen im Organismus so rasch vor sich, daß es irreal sei, hier die Entwicklung aufzuhalten. Die volle Blüte das sei der Lebensabschnitt, da sich der Organismus maximal erhalte, das sei ein großes Plateau in der Wachstumskurve. Eben diese Periode, die stabile Reife, wählten die Galakten, um sie ewig fortdauern zu lassen. Gern würden sie uns ihr Wissen und Können vermitteln, damit auch wir der Vorzüge einer vernünftigen Unsterblichkeit teilhaftig würden.
Ich mischte mich nicht mehr ins Gespräch, sondern hörte nur zu. In jedem Wort, in jeder Geste der Galakten entdeckte ich Entsetzen vor dem Tode.
Die Unsterblichen quälte das Grauen vor dem Untergang, denn er war für sie eine Katastrophe, keine Unvermeidlichkeil.
Keine leichte Aufgabe, dachte ich. Nicht für cm vorteilhaftes und edles Bündnis gewinnen, wie ich es mir anfangs vorgestellt hatte, sondern ihre Natur wandeln – das war mir zugefallen.
»Jetzt versteht ihr, meine ungeduldigen Freunde, wie groß unsere Zweifel sind«, sagte Grazi. »Wir wollen die Geduld der Versammelten nicht länger strapazieren, ihr werdet schon lange erwartet, kommt!«
10
Mittelpunkt des Festes wurden Gig und Trub.
Unsichtbare waren bei den Galakten noch nie gewesen, und Gig tollte für alle seine Mitbrüder umher Selbstverständlich verschwand er nicht in der optischen Unzulänglichkeit, sondern prunkte sichtbar in allen Wellen nach Herzenslust in seinem Zivil. Ununterbrochen wurde er zum Tanz aufgefordert, und das lustige Skelett verrenkte sich so ausgelassen bei den komplizierten Pirouetten, daß er sämtliche Galaktinnen bezauberte.
Trub kurvte unter den Baumkronen, und keiner der einheimischen Engel leistete gleiches, so setzte er Maßstäbe.
Von schönen Galaktinnen umringt, plauderte Romero über die grüne Erde. Ich spitzte die Ohren und lauschte ihm. Verwundert fragte ich mich dann, was mich eigentlich von diesem paradiesischen Winkel, der die Erde in seiner Schilderung war, in die rauhe Ferne gelockt hatte.
Lussin war verschwunden, Oshima war ebenfalls nicht zu sehen. Orlan schweifte leidenschaftslos und ohne Rast unter den Bäumen umher ein bleiches Gespenst in prächtiger Menge. Auch er wurde zum Tanz geholt. Zwei leuchtende Wegabewohner wirbelten wie Windhosen um ihn herum, er flatterte teilnahmslos und schweigsam zwischen ihnen. Ich weiß nicht, was die Schlangen von der Wega empfanden, doch ich fand diesen Tanz nicht berückend.
Der aufgekratzte Romero trat zu mir: »Lieber Admiral, warum so trübselig? Es wäre schön, wenn der Kommandierende unserer Sternenarmee mit den neugewonnenen Bundesgenossen tanzen würde!«
»Mit den Bundesgenossinnen, Romero! Nur mit den Bundesgenossinnen. Leider kann ich nicht. Tanzen Sie für mich.«
»Nein, so leicht kommen Sie mir nicht davon«, rief er und forderte zwei Galaktinnen auf. Obwohl ich meiner Partnerin nicht einmal bis zur Schulter reichte, tanzten wir zu lustiger Musik. Musiker sah ich nicht, die Klänge wurden telepathisch übertragen, Die Melodie entstand hier harmonisch, sie wurde nicht allein von mir hervorgerufen, sondern von der ganzen Umgebung der dunklen Nacht, den bunten, duftreichen Bäumen, der Freude unserer Gastgeber, die ihre Gäste verwöhnten, auch von ihrer Furcht vor unseren Bitten und meiner inneren Verfassung… Und all das bildete eine wehmütige vielstimmige Fuge.
Ich dachte an unsere weite Reise zu den Plejaden, an unsere beiden Invasionen im Perseus, an die Bilder von den Untaten der Zerstörer. Tausende von leidenschaftlichen, bald zärtlichen, bald bitteren Erinnerungen erhoben sich in mir und traten zurück, ich verweilte in der Vergangenheit, war bald begeistert, bald empört, erlebte sie von neuem.
Dann wurde die Vergangenheit von der Gegenwart verdrängt, doch es war nicht die bezaubernde, träumerische, in der ich mich jetzt befand, sondern die ernste, die Zweifel und Befürchtungen weckte. Ich sann über die Galakten nach, über ihre vollendete Selbstzufriedenheit, ihr blindes Entsetzen vor dem Tod, den sie jenseits ihrer Sternenumgebung wähnten.