Dort wurde er mit einigem Hallo empfangen; sogar Kroge zwang sich zu einer etwas lrmenden und nicht ganz echten Herzlichkeit. Na, alter Snder, wie geht's? Haben Sie den Abend gut berstanden? Er bekam scharfe Falten um den Katermund, fast wie die Motz, und falsche Augen hinter den Brillenglsern; pltzlich war ihm anzumerken, da er nicht nur kulturpolitische Essays und hymnische Lyrik schrieb, sondern seit ber dreiig Jahren mit dem Theater zu tun hatte. - Hfgen und Otto Ulrichs schttelten sich vertraut, stumm und ausfhrlich die Hnde. Direktor Schmilz sagte etwas be-.
langlos Scherzhaftes, mit seiner berraschend weichen, angenehmen Stimme; Frau von Herzfeld aber lchelte grundlos ironisch, wobei ihre goldbraunen Augen, feucht vor Innigkeit und fast flehend, auf Hendrik gerichtet waren. Er lie sich von ihr bei der Auswahl seines Abendessens beraten, was ihr Anla gab, an ihn heranzurcken und ihren schweratmenden Busen in seine Nhe zu bringen. Sein aasiges Lcheln schien sie nicht abzuschrecken: Sie war es gewohnt, und es gefiel ihr.
Als Vterchen Hansemann die Bestellung entgegengenommen halte, fing Hfgen an, von seiner Frhlings Envachen-Inszenierung zu sprechen. Es wird anstndig werden, glaube ich, sagte er ernst; dabei glitten seine prfenden Augen durch das Lokal, ber die Schauspieler hin, wie die Augen eines Eeldherrn ber Truppen. An der Wendla kann die Siebert nichts verderben; Bonetti ist kein idealer Melchior Gabor, aber er schafft es; unsere dmonische Mohrenwitz legt eine erstklassige Ilse hin. - Es geschah nicht sehr hufig, da er ohne Mtzchen redete, sondern ernsthaft und um der Sache willen wie eben jetzt. Kroge lauschte ihm achtungsvoll, nicht ohne berraschung. Es war die Herzfeld, welche die Stimmung wieder verdarb, indem sie sarkastisch-schmeichlerisch, ihr groes, flaumiggepudertes Gesicht ziemlich nahe bei Hfgen, bemerkte: Nun, und was den Moritz Stiefel betrifft - da wurde ja gerade von berufenster Seite, von Dora selber, festgestellt, da der junge Schauspieler, dem wir diese Rolle anvertraut haben, nicht ganz unbegabt ist Kroge runzelte mibilligend die Stirne; Hfgen seinerseits schien die Neckerei zu berhren. Und wie werden Sie eigentlich als Frau Gabor, meine Teure? fragte er die Herzfeld ins Gesicht. Dies war offener und derber Hohn. Da Frau Hedda eine unbegabte Schauspielerin war, gehrte zu den bekannten Tatsachen; auch wute jeder, da sie darunter litt. Man spottete gern darber, da die kluge Dame es nicht lassen konnte, aufzutreten, und sei es auch nur in bescheidenen Mtterrollen. Auf Hendriks Ungezogenheit hin versuchte sie, gleichgltig die Achseln zu zucken; dabei aber zog eine ins Violette spielende Rte ber die groe Flche ihres unjungen Gesichts. Kroge sah es, und sein Herz zog sich zusammen in einem Mitleid, das nicht weit von Zrtlichkeit war. Kroge hatte vor vielen Jahren ein Verhltnis mit Frau von Herzfeld gehabt.
Um das Thema zu wechseln oder um auf das einzige Thema zu kommen, das ihn wirklich beschftigte, begann Ulrichs ohne bergang vom Revolutionren Theater zu sprechen.
Das Revolutionre Theater war geplant als eine Serie von Sonntag-Vormittag-Veranstaltungen, die unter der Leitung Hendrik Hfgens und dem Protektorat einer kommunistischen Organisation stehen sollten. Ulrichs, fr den die Bhne zunchst und vor allem ein politisches Instrument bedeutete, hing mit zher Leidenschaft an diesem Projekt. Das Stck, das man fr die Erffnungsvorstellung ausgesucht habe, eigne sich glnzend, sagte er nun, er habe es noch einmal genau durchgearbeitet. Man interessiert sich in der Partei sehr ernsthaft fr unsere Sache, erklrte er und schaute mit einem bedeutungsvollen Verschwrerblick auf Hfgen, an Kroge, Schmilz und der Herzfeld vorbei, aber doch stolz darauf, da sie es hrten und da es sie beeindrucken wrde. - Nun, die Partei wird mir keinen Schadenersatz zahlen, wenn die guten Hamburger mir dann mein Haus boykottieren, brummte Kroge, den der Gedanke an das Revolutionre Theater immer skeptisch und verdrielich stimmte. Ja, sagte er noch, 1918 - da konnte man sich solche Experimente leisten. Aber heute Hfgen und Ulrichs tauschten einen Blick, der ein hochmtiges und geheimes Einverstndnis enthielt und viel Geringschtzung fr die kleinbrgerlichen Bedenken ihres Direktors. Der Blick dauerte ziemlich lange, Frau von Herzfeld bemerkte ihn und litt. Schlielich wendete sich Hfgen, etwas vterlich herablassend, an Kroge und Schmilz. Das Revolutionre Theater wird uns nicht schaden - sicher nicht - glauben Sie es nur, Vterchen Schmilz! Was wirklich gut ist, kompromittiert einen niemals. Das Revolutionre Theater wird gut, es wird glnzend! Eine Leistung, hinter der ein echter Glaube, ein wirklicher Enthusiasmus steht, berzeugt alle - auch die Feinde werden verstummen vor dieser Manifestation unserer glhenden Gesinnung. Seine Augen schillerten, schielten ein wenig und schienen verzckt in Fernen zu schauen, wo die groen Entscheidungen fallen. Das Kinn hielt er stolz gereckt; auf dem fahlen, nach hinten geneigten, empfindlichen Antlitz lag ein siegesgewisser Glanz.,Das ist wirkliche Ergriffenheit', dachte Hedda von Herzfeld.,Das kann er nicht spielen - so begabt er auch ist.' Triumphierend sah sie Kroge an, der eine gewisse Bewegtheit nicht verbergen konnte. Ulrichs machte eine feierliche Miene.
Whrend alle noch gebannt saen von den Effekten seines rhrenden Enthusiasmus, nderte Hfgen pltzlich Haltung und Ausdruck. Er begann berraschend zu lachen und deulete auf die Photographie eines Heldenvaters, die ber dem Tisch an der Wand hing: die Arme drohend verschrnkt, biederer Blick unter finsterer Braue, breiter Vollbart, sorgfltig ausgebreitet auf einem phantastischen Jgerwams. Hendrik konnte sich gar nicht darber beruhigen, wie drollig er den alten Burschen fand. Unter vielem Gelchter, nachdem Hedda ihm den Rcken geklopft hatte, weil er am Salat zu ersticken drohte, brachte er hervor, da er selber ganz hnlich, ja, fast genauso ausgesehen habe - als er nmlich noch die Vterrollen gespielt halle, an der Norddeul-schen Wanderbhne.
Als ich noch ein Knabe war, jubelle Hendrik, da sah ich doch so phantastisch alt aus. Und auf der Bhne ging ich immer gebckt vor lauter Verlegenheit. In den,Rubern'- lie man mich den alten Moor spielen. Ich war ein hervorragend guter alter Moor. Jeder von meinen Shnen war zwanzig Jahre lter als ich.