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So war die Beziehung zwischen Hendrik Hfgen und Juliette Martens entstanden. Das dunkle Mdchen war die Lehrerin - also die Herrin; vor ihr stand der bleiche Mann als der Schler - als der Gehorchende, Sich-Erniedrigende, der die hufige Strafe mit der gleichen Demut empfngt wie das seltene, karge Lob.

Blicke mich an! verlangte Prinzessin Tebab und rollte schrecklich die Augen, whrend die seinen, zugleich begehrend und furchtsam, an ihrer gebieterischen Miene hingen.

Wie schn du heute bist! brachte er schlielich hervor, wobei ihm die Lippen nur mhsam zu gehorchen schienen.

Sie fuhr ihn an: La den Unsinn! Ich bin nicht schner als sonst. Dabei strich sie sich aber doch eitel ber den Busen und zupfte ihr enges, plissiertes Rckchen zurecht, das kurz oberhalb der Knie endete. Vom schwarzen Seidenstrumpf war nur ein knappes Stck sichtbar; denn die grnen Schaftstiefel ans geschmeidigem Lackleder reichten bis ber die Waden. Zu den prchtigen Stiefeln und dem kurzen Rock trug die Prinzessin ein graues Pelzjckchen, dessen Kragen im Nacken hochgeschlagen war. An den dunklen, sehnigen Handgelenken klirrten breite Armbnder aus gemeinem Goldblech. Das eleganteste Stck ihrer Ausstattung war die Reitpeitsche - ein Geschenk Hendriks. Sie war leuchtend rot, aus geflochtenem Leder. Juliette klopfte mit ihr, in einem kurzen, harten und drohenden Rhythmus, gegen die grnen Schaftstiefel.

Du bist wieder eine Viertelstunde zu spt, sagte sie, nach einer langen Pause, die niedrige und zu zwei kleinen Buckeln gewlbte Stirne in bse Falten gelegt. Wie oft soll ich dich noch warnen, mein Ser? fragte sie tckisch leise, um dann in unvermitteltem Zorne loszubrechen: Es ist genug!! Ich habe es satt!! Gib mir deine Pfoten!

Hendrik hob langsam die beiden Hnde, deren Innenflchen er nach oben wandte. Dabei lie er seine hypnotisierten, aufgerissenen Augen nicht von der ergrimmten, schauerlichen Fratze der Geliebten.

Sie zhlte mit einer grellen, plrrenden Stimme: Eins, zwei, drei!, whrend sie zuhieb. Das Geflecht der eleganten Peitsche pfiff grausam quer ber seine Handllchen, auf denen sofort dicke rote Striemen entstanden. Der Schmerz, den er empfand, war so heftig, da er ihm das Wasser in die Augen trieb. Er verzog den Mund; beim ersten Schlag schrie er leise; dann beherrschte er sich und stand mit einem starren, weien Gesicht.

Fr den Anfang hast du genug, sagte sie und zeigte pltzlich ein mdes Lcheln, welches durchaus gegen die Spielregeln ging: es hatte nichts fratzenhaft Grausames, sondern enthielt gutmtigen Spott und ein wenig Mitleid. Sie lie die Peitsche sinken, wandte den Kopf und stand - das Gesicht im Profil - in einer schnen, traurigen Haltung. Zieh dich um! sagte sie leise. Wir wollen arbeiten.

Es gab keinen Paravent, hinter dem er htte verschwinden knnen, als er die Kleidung wechselte. Unter halbgesenkten Lidern, mit einem brigens vllig uninteressierten Blick, beobachtete Juliette jede seiner Bewegungen. Er mute alles ablegen und ihr seinen hellen, schon etwas zu fetten, rtlich behaarten Krper zeigen, ehe er in den rmellosen, blau und wei gestreiften Sweater und in das schwarze Turnhschen schlpfte. Schlielich stand er vor ihr in der unwrdigen Tracht, die er seinen Trainihgsanzug nannte - in der kindischen und ridiklen Aufmachung, bestehend aus schwarzen, ausgeschnittenen Halbschuhen mit weien Sckchen, die oberhalb der Knchel kokett umgerollt waren; aus dem kurzen Hschen von glnzend schwarzem Satin - wie die kleinen Buben es in der Turnstunde tragen - und dem gestreiften Hemd, das Hals und Arme entblt lie.

Sie musterte ihn, kritisch und kalt. Du bist seit voriger Woche noch etwas dicker geworden, mein Ser, konstatierte sie, wobei sie mit der Peitsche hhnisch gegen ihre grnen Stiefel klopfte. Entschuldige, bat er leise.

Die Schwarze machte sich am Grammophon zu schaffen. In die Jazzmusik hinein, deren rhythmischer Lrm pltzlich einsetzte, sagte sie rauh: Fang schon an! Dabei fletschte sie die beiden Reihen ihrer gar zu weien Zhne und bewegte grimmig die Augen: Dies genau war das Mienenspiel, das er jetzt von ihr erwartete und verlangte.

Ihr Gesicht stand vor ihm wie die schreckliche Maske eines fremden Gottes: Dieser thront mitten im Unvald, an verborgener Stelle, und was er fordert mit seinem Zhneblecken und Augenrollen, das sind Menschenopfer. Man bringt sie ihm, zu seinen Fen spritzt Blut, er schnuppert mit der eingedrckten Nase den s vertrauten Geruch, und er wiegt ein wenig den majesttischen Oberkrper nach dem Rhythmus des wild bewegten Tamtams; Um ihn vollfhren seine Untertanen den verzckten Freudentanz. Sie schleudern die Arme und Beine, sie hpfen, schaukeln sich, taumeln; aus ihrem Gebrll wird Wonnegesthn, aus dem Gesthn wird ein Keuchen, und schon sinken sie hin, lassen sich lallen vor die Fe des schwarzen Gottes, den sie liehen, den sie ganz bewundern - wie Menschen nur den lieben und ganz bewundern knnen, dem sie das Kostbarste geopfert haben: Blut.

Hendrik hatte langsam zu tanzen begonnen. Aber wohin war die triumphale Leichtigkeit, die von Publikum und Kollegen an ihm bewundert wurde? Sie war verschwunden; nur unter Qualen schien er jetzt die Fe zu setzen - freilich unter Qualen, die auch Wonnen waren: dies verrieten das selbstvergessene Lcheln der fahlen, aufeinandergepreten Lippen und der benommene Blick.

Juliette ihrerseits dachte nicht daran, zu tanzen; sie lie den Schler sich alleine plagen. Nur durch Hndeklatschen, rauhe Schreie und rhythmisches Schaukeln des Leibes feuerte sie ihn an. Schneller, schneller! forderte sie wtend. Was hast du denn in den Knochen? Und du willst ein Mann sein?! Du willst ein Schauspieler sein und dich auch noch fr Geld sehen lassen? - Da, du komisches Stckchen Elend

Die Peitsche fuhr ihm ber die Waden und ber die Arme. Diesmal traten ihm keine Trnen in die Augen, welche trocken und glhend blieben. Nur seine zusammengepreten Lippen zitterten. Prinzessin Tebab schlug noch einmal zu.

Er arbeitete, ohne jede Unterbrechung, eine halbe Stunde lang, als handelte es sich um ein ernsthaftes Training anstatt um eine etwas schauerliche Lustbarkeit. Schlielich keuchte er heftig. Er taumelte. Sein Gesicht war schweibedeckt. Mhsam brachte er hervor: Mir ist schwindlig. Darf ich aufhren?

Sie erwiderte, mit einem Blick auf die Uhr, kurz und sachlich: Mindestens noch eine Viertelstunde mut du springen.

Da die Musik wieder plrrte und Juliette wieder frenetisch' in die Hnde klatschte, versuchte er noch einmal den komplizierten Step. Aber die gequlten Fe, in ihren koketten Halbschuhen und Sckchen, verweigerten ihm den Dienst. Hendrik schwankte eine Sekunde lang; stand darin still; wischte sich mit der zitternden Hand den Schwei von der Stirne.

AVas machst du fr Scherze? grollte sie. Du hrst auf, ohne meine Erlaubnis?! Das wre ja das Allerneueste und noch das Schnere!

Sie zielte mit der roten Peitsche nach seinem Gesicht; er duckte sich noch rechtzeitig, um diesem frchterlichen Schlage zu entgehen. Abends ins Theater kommen mit einer blutigen Strieme von der Stirn bis zum Kinn: das wre denn doch etwas zuviel gewesen. Trotz der benommenen Stimmung, in der er sich befand, blieb ihm klar, da er sich dergleichen keinesfalls leisten durfte. La das! sagte er kurz. Whrend er sich schon von ihr abwendete, fgte er noch hinzu: Genug fr heute.