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Frau Bella lchelte huldvoll. Sie war sehr einfach, aber nicht ohne eine gewisse ehrbare Koketterie gekleidet; auf ihrer schwarzen, glatt flieenden Seidenrobe leuchtete eine weie Orchidee. Das graue, schlicht frisierte Haar bildete einen pikanten Kontrast zu ihrem ziemlich jung gebliebenen, mit dezenter Sorgfalt hergerichteten Gesicht. Aus weiten, grnblauen Augen schaute sie mit einer reservierten, nachdenklichen Freundlichkeit auf die geschwtzige Dame, die den lebhaften deutschen Kriegsvorbereitungen ihr wundervolles Kollier, ihre langen Ohrgehnge, die Pariser Toilette und all ihren Glanz verdankte.

Ich kann nicht klagen, es geht uns allen recht gut sprach mit stolzer Bescheidenheit Frau Hfgen. Josy hat sich mit dem jungen Grafen Donnersberg verlobt. Hendrik ist ein wenig beranstrengt, er hat rasend zu tun.

Das kann ich mir denken. Die Industrielle schaute respektvoll.

Darf ich Ihnen unseren Freund Csar von Muck vorstellen, sagte Frau Bella.

Der Dichter neigte sich ber die geschmckte Hand der reichen Dame, die sofort wieder zu schwtzen begann. Ungeheuer interessant, ich freue mich wirklich, habe Sie sofort nach den Photographien erkannt. Ihr,Tannenberg'-Drama habe ich in Kln bewundert, eine recht gute Auffhrung, natrlich fehlen die berragenden Leistungen, wie man sie in Berlin jetzt gewhnt ist, aber wirklich recht anstndig, ohne Frage sehr achtbar. Und Sie, Herr Staatsrat - Sie haben doch inzwischen eine so groartige Reise gemacht, alle Welt spricht von Ihrem Reisebuch, ich will es mir dieser Tage besorgen.

Ich habe viel Schnes und viel Hliches gesehen in der Fremde, sagte der Dichter schlicht. Jedoch reiste ich durch die Lande nicht nur als Schauender, nicht nur als Genieender, sondern mehr noch als Wirkender, Lehrender. Mich deucht, es ist mir gelungen, dort drauen neue Freunde fr unser neues Deutschland zu werben. Mit seinen stahlblauen Augen, deren durchdringende und feurige Reinheit in vielen Feuilletons gepriesen wurde, taxierte er den kolossalen Schmuck der Rheinlnderin.,Ich knnte in ihrer Villa wohnen, wenn ich das nchste Mal in Kln einen Vortrag oder eine Premiere habe', dachte er, whrend er weitersprach: Es ist fr unseren geraden Sinn unfabar, wieviel Lge, wieviel boshaftes Miverstndnis ber unser Reich im Umlauf sind - drauen in der Welt.

Sein Gesicht war so beschaffen, da jeder Reporter es holzgeschnitten nennen mute: zerfurchte Stirne, Stahlauge unter blonder Braue und ein verkniffener Mund, der leicht schsischen Dialekt sprach. Die Waffenfabrikantin war sehr beeindruckt, von seinem Aussehen wie von seiner edlen Rede. Ach, schaute sie ihn schwrmerisch an. Wenn Sie einmal nach Kln kommen, mssen Sie uns unbedingt besuchen!

Staatsrat Csar von Muck, Prsident der Dichter-akademie und Verfasser des berall gespielten Tannenberg-Dramas, verneigte sich mit ritterlichem Anstand: Fs wird mir eine echte Freude sein, gndige Frau. Dabei legte er sogar die Hand aufs Herz.

Die Industrielle fand ihn wundervoll. Wie kstlich es sein wird, Ihnen einen ganzen Abend zuzuhren, Exzellenz! rief sie aus. Was Sie alles erlebt haben mssen! Sind Sie nicht auch schon Staatstheaterintendant gewesen?

Diese Frage wurde als taktlos empfunden, und zwar sowohl von der distinguierten Frau Bella als auch vom Autor der Tannenberg-Tragdie. Dieser sagte denn auch nur, mit einer gewissen Schrfe: Gewi.

Die reiche Klnerin merkte nichts. Vielmehr sprach sie noch, mit durchaus deplacierter' Schelmerei: Sind Sie denn da nicht ein klein bichen eiferschtig, Herr Staatsrat, auf unseren Hendrik, Ihren Nachfolger? Nun drohte sie auch noch mit dem Finger. Frau Bella wute nicht, wohin sie blicken sollte.

Csar von Muck aber bewies, da er weltmnnisch und berlegen war, und zwar in einem Grade, der an Edelmut grenzt. ber sein Holzschnittgesicht ging ein Lcheln, das nur in seinen ersten Anfngen etwas bitter schien, dann aber milde, gut und sogar weise wurde. Ich habe diese schwere Last gerne - ja, von Herzen gerne an meinen Freund Hfgen abgegeben, der wie kein anderer berufen ist, sie zu tragen. Seine Stimme bebte; er war stark ergriffen von der eigenen Gromut und von der Schnheit seiner Gesinnung.

Frau Bella, die Mutter des Intendanten, zeigte eine beeindruckte Miene; die Lebensgefhrtin des Kanonenknigs aber war derartig gerhrt von der edlen und majesttischen Haltung des berhmten Dramatikers, da sie beinahe weinen mute. Mit tapferer Selbstberwindung schluckte sie die Trnen hinunter; tupfte sich die Augen flchtig mit dem Seidentchlein und schttelte die weihevolle Stimmung mit einem sichtbaren Ruck von sich ab. In ihr siegte die typisch rheinische Munterkeit; sie schaute wieder strahlend und jubilierte: Ist es nicht ein ganz herrliches Fest?!

Es war ein ganz herrliches Fest, darber konnte gar kein Zweifel bestehen. Wie das glitzerte, duftete, rauschte! Gar nicht festzustellen, was mehr Glanz verbreitete: die Juwelen oder die Ordenssterne. Das verschwenderische Licht der Kronleuchter spielte und tanzte auf den entblten, weien Rcken und den schn bemalten Mienen der Damen; auf den Specknacken, gestrkten Hemdbrsten oder betreten Uniformen feister Herren; auf den schwitzenden Gesichtern der Lakaien, die mit den Erfrischungen umherliefen. Es dufteten die Blumen, die in schnem Arrangement verteilt waren, durch das ganze Lusthaus; es dufteten die Pariser Parfms- all der deutschen Frauen; es dufteten die Zigarren der Industriellen und die Pomaden der schlanken Jnglinge in ihren kleidsam knappen SS-Uniformen; es dufteten die Prinzen und die Prinzessinnen, die Chefs der Geheimen Staatspolizei, die Feuilletonchefs, die Filmdivas, die Universittsprofessoren, die einen Lehrstuhl fr Rassen- oder Wehrwissenschaft innehatten, und die wenigen jdischen Bankiers, deren Reichtum und internationale Beziehungen so gewaltig waren, da man sie sogar an dieser exklusiven Veranstaltung teilhaben lie. Man verbreitete Wolken knstlichen Wohlgeruchs, als glte es, ein anderes Aroma nicht aufkommen zu lassen - den faden, slichen Gestank des Blutes, den man zwar liebte und von dem das ganze Land erfllt war, dessen man sich aber bei so feinem Anla und in Gegenwart der fremden Diplomaten ein wenig schmte.

Tolle Sache, sagte ein hoher Herr von der Reichswehr zum anderen. Was der Dicke sich alles leistet!

Solange wir es uns gefallen lassen, sagte der zweite. Sie machten gutgelaunte Gesichter; denn sie wurden photographiert.

Lotte soll ein Kleid anhaben, das dreitausend Mark kostet, erzhlte eine Filmschauspielerin dem Hohenzollernprinzen, mit dem sie tanzte. Lotte war das Eheweib des Gewaltigen mit den vielen 'Fitein, der sich zu seinem dreiundvierzigsten Geburtstag feiern lie wie ein Mrchenprinz. Lotte war eine Provinzschauspielerin gewesen und galt als herzensgute, schlichte, urdeutsche Frau. An ihrem Hochzeitstage hatte der Mrchenprinz zwei Proleten hinrichten lassen.

Der Hohenzollernprinz sagte: Einen solchen Aufwand hat meine Familie niemals getrieben. - Wann wird das hohe Paar denn brigens Einzug halten? Unsere Erwartung soll wohl auf das uerste gesteigert werden!

Lotterien versteht's, meinte sachlich die ehemalige Kollegin der Landesmtter. - Ein ausgesprochen herrliches Fest: Alle Anwesenden schienen es aufs intensivste zu genieen, sowohl die mit den Ehrenkarten als auch die anderen, die fnfzig Mark hatten zahlen mssen, um dabeisein zu drfen. Man tanzte, schwatzte, flirtete; man bewunderte sich selber, die anderen und am meisten die Macht,'die sich so ppige Veranstaltungen wie diese gnnen durfte. In den Logen und Wandelgngen, an den verfhrerischen Bfetts waren die Konversationen sehr lebhaft. Man diskutierte ber die Toiletten der Damen, ber das Vermgen der Herren und ber die Preise, welche die Wohlttigkeitstombola bringen wrde: Als das wertvollste Stck wurde ein Hakenkreuz aus Brillanten genannt, etwas sehr Niedliches und Teures, als Brosche oder als Anhnger an einem Kollier zu tragen. Eingeweihte wollten wissen, da es auch hchst amsante Trostpreise geben wrde, zum Beispiel naturgetreu nachgebildete Tanks und Maschinengewehre aus Lbecker Marzipan. Einige Damen behaupteten launig, da sie noch lieber ein Mordinstrument aus so sem Stoff haben wollten als das kostbare Hakenkreuz. Es wurde viel und herzlich gelacht. Mit gedmpfteren Stimmen besprach man sich ber die politischen Hintergrnde der Veranstaltung. Es fiel auf, da der Diktator abgesagt hatte und mehrere Parteiprominente nicht eingeladen worden waren; da man aber Mitglieder der frstlichen Familien in so groer Anzahl anwesend sah. An diesen Umstand knpften sich mancherlei dunkle und bedeutungsvolle Gerchte, die man sich im Flstertne weitergab. Auch ber den Gesundheitszustand des Diktators wollte der oder jener finstere Neuigkeiten wissen; man besprach sie leise und leidenschaftlich, sowohl im Kreise der auswrtigen Pressevertreter und Diplomaten als auch bei den Herren von der Reichswehr und der Schwerindustrie.