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In diesem Antlitz, dem die zarte Formung, der Geist und das Alter jene Vornehmheit verliehen, die einschchtert und zugleich zum Mitleid rhrt, berraschten die Augen: sie hatten das tiefe, sanfte, ins Schwrzliche spielende Dunkelblau, das Hendrik so gut aus Barbaras Augen kannte. Freilich waren ber dem freundlich versonnenen Blick des Vaters die Lider schwer und meistens gesenkt, auch war sein Schauen verschleiert; whrend die Tochter klar und offen um sich sah.

Mein lieber Herr Hfgen, sagte der Geheimrat, ich bin froh, Sie kennenzulernen. Lassen Sie mich hoffen, da Sie eine gute Reise gehabt haben.

Seine Aussprache war bemerkenswert deutlich, ohne dadurch an die dmonische Przision zu erinnern, in der Nicoletta sich bte. Mit einer liebreichen Sorgfalt bildete der Geheimrat die Worte zu Ende, als wollte seine Gerechtigkeit keine Silbe vernachlssigen oder zu kurz kommen lassen: noch die unbedeutendsten Endsilben, die meist unter den Tisch zu fallen pflegen, erfuhren hier die genaueste und schonenclste Behandlung.

Hendrik war recht verwirrt. Ehe er sich zu einer feierlichen Miene entschlo, lachte er noch ein wenig, sinnlos und auf jene geschttelte Art, die er etwa bei der Begrung der Dora Martin im H. K. gehabt hatte. Whrend Barbara beunruhigt auf ihn schaute, schien dem Geheimrat so wunderliches Betragen nicht weiter aufzufallen. Er blieb tadellos korrekt, dabei gtig. Mit freundlichem Zeremoniell bat er die beiden jungen Leute ins Haus. Zu Barbara, die ihm den Vortritt lassen wollte, sagte er: Gehe voraus, mein Kind, und zeige deinem Freund, wo er seinen hbschen Hut ablegen kann.

Auf der Diele herrschte ein khles Halbdunkel. Respektvoll atmete Hendrik den Geruch des Raumes: der Duft von Blumen, die auf den Tischen und auf dem Kaminsims verteilt standen, vermischte sich mit jenem wrdevollen und ernsthaften Aroma, das von Bchern kommt. Die Bibliothek fllte alle Wnde bis hinauf zur Decke.

Hendrik wurde durch mehrere Zimmer geleitet. Er plauderte krampfhaft, um zu bezeigen, da er von der Stattlichkeit der Rume ganz und gar nicht beeindruckt war. brigens sah er wenig; nur zufllige Einzelheiten fielen ihm auf: ein groer Hund, der bengstigend wirkte, sich knurrend erhob, von Barbara gestreichelt wurde und sich wrdig-wiegenden Schritts entfernte; ein Portrt der verstorbenen Mutter, freundlich blickend unter einer altertmlich hohen Frisur; eine bejahrte Kammerzofe oder Haushlterin - klein, gutmtig und geschwtzig in einer merkwrdig langen, steif gestrkten Schrze; sie machte einen Knicks vor dem Brutigam ihrer jungen Herrin, schttelte ihm dann lange und herzlich die Hand; woraufhin sie sofort ein ausfhrliches Gesprch mit Barbara ber husliche Dinge begann. Hendrik war erstaunt darber, mit welchen Details der Wirtschaft Barbara sich beschftigte, wie bewandert sie in den Dingen der Kche und des Gartens war. brigens fand er es wunderlich, da sie von der alten Dienerin zwar gndiges Frulein, aber du genannt wurde.

In diesen herrschaftlichen Stuben, wo es schne Teppiche, dunkle Bilder, Bronzen, groe tickende Uhren und viel Samtbezge gab, war Barbara also zu Hause; hier hatte sie ihre Jugend verbracht. In diesen Bchern hatte sie gelesen; in diesem Garten hatte sie ihre Freunde empfangen. Zrtlich und feierlich bewacht von der klugen Liebe eines solchen Vaters war ihre Kindheit, rein und voller Spiele, deren geheime Regeln nur sie selber wute - waren ihre Mdchenjahre hingegangen. Neben einer Gerhrtheit, die fast Ehrfurcht war, empfand Hendrik, 'ohne es sich noch eingestehen zu wollen, etwas anderes: Neid. Mit qulender Peinlichkeit kam ihm der Gedanke, da er in diesen Rumen und bei diesem Vater seine Mutter Bella und seine Schwester Josy morgen wrde einfhlen mssen. Wie leidvoll schmte er sich, jetzt schon, ihrer munteren Kleinbrgerlichkeit. Ein Glck noch, da wenigstens Vater Kbes am Kommen verhindert war

Man speiste auf der Terrasse. Hendrik pries die Schnheit des Gartens, dessen Beete, Baumgruppen und Wege sich als angenehme Aussicht boten. Der Geheimrat wies auf eine Jnglingsstatue - einen Hermes*, der seine anmutsvolle Magerkeit, seine nach oben strebende, flugbereite Gebrde zwischen dem lockigen Laub der Birken zeigte. Dieses artige Kunstwerk schien den besonderen Stolz des Hausherrn auszumachen. Ja, ja, er ist hbsch, mein Hermes, sagte er, und nun hatte sein Lcheln etwas wohlig Schmunzelndes. Ich bin jeden Tag aufs neue froh darber, da ich ihn besitze und da er in so reizender Haltung zwischen meinen Birken steht. - Gewi war er auch froh darber, da es so gute Weine und Getrnke gab; er bediente sich, mavoll aber reichlich, mit allem und lobte die Qualitt des Gebotenen. Himbeeren, konstatierte er wohlgefllig, als man zum Nachtisch kam. Das ist recht. Das entspricht der Jahreszeit und verbreitet einen schnen Geruch. - Die Stimmung, die er um sich verbreitete, war aus Feierlichkeit und Gemtlichkeit, aus unzugnglicher Khle und Bonhomie sonderbar gemischt. Der Schwiegersohn schien ihm nicht ganz, bel zu gefallen. Ihm gegenber legte er ein Wohlwollen an den Tag, das vielleicht von Ironie nicht ganz frei war. Sein Lcheln schien etwa sagen zu wollen: Solche lypen, wie du einer bist, mein Lieber, mu es auch geben auf dieser Welt. Es ist nicht unamsant, sie zu beobachten - man langweilt sich wenigstens nicht mit ihnen. Freilich: an der Wiege ist es mir kaum gesungen worden, und ich habe es mir wohl auch nicht gewnscht, da eine Figur deiner Art einmal als Schwiegersohn an meinem Tisch sitzen wrde. Aber ich neige dazu, die Dinge zu akzeptieren, wie sie sind - man mu den Phnomenen ihre beste und drolligste Seite abgewinnen, und brigens wird meine Barbara ja wohl ihre vernnftigen Grnde haben, wenn sie dich heiratet Hendrik glaubte zu spren, da er Erfolgschancen hatte. Um so gefallschtiger wurde er. Nicht lnger konnte er es sich versagen, die Augen auf bewhrte Alt schillern zu lassen. Den Kopf im Nacken, vieldeutig und bezwingend lchelnd, machte er die Juwelenblicke, fr eieren Zauber der Geheimrat durchaus nicht vllig unempfnglich schien. Der alte Herr blieb auch aufmerksam und behielt den schmunzelnden Gesichtsausdruck, als Schwiegersohn Hfgen dazu berging, in effektvoll studierter Rede seine Gesinnung auseinanderzusetzen, wobei er fr den ausbeuterischen Zynismus der Bourgeoisie und den frevelhaften Irrsinn des Nationalismus die vernichtendsten Worte fand. Der Alte lie ihn schwrmen und deklamieren; nur einmal hob er die hagere, schne Hand, um einzuwerfen: Sie sprechen so verchtlich von den Brgern, mein lieber Herr Hfgen. Aber ich bin auch einer. - Freilich kein nationalistischer und hoffentlich auch kein ausbeuterischer, fgte er freundlich hinzu. Hendrik - das Gesicht ber dem rosa Hemd gertet vom lebhaften Gesprch und vom Wein - stammelte etwas davon, da es auch grobrgerlich-berbrgerliche Typen gebe, fr die der kommunistisch gesinnte Mensch durchaus Wertschtzung habe; da das groe Erbe der brgerlichen Revolutionen und des Liberalismus im bolschewistischen Pathos lebendig bleibe, und dergleichen vershnliche Beteuerungen mehr.