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Er htte sich verkriechen mgen, so heftig schmte er sich pltzlich. Hatte nicht auch der Geheimrat ihn verhhnen wollen mit seiner Rede? Innerhalb ganz weniger Sekunden hatte sich ihm alles, was heute von ihm erlebt worden war, ins Feindliche, Erniedrigende verwandelt. Das tolerante und heitere, mit Ironie vermischte Wohlwollen des Geheimrats, das ihn noch vor kurzem so stolz gemacht hatte - war es nicht im Grunde viel krnkender und herabsetzender, als irgendeine Strenge, ein deutlich an den Tag gelegter Hochmut es je htten sein knnen? Jetzt erst begann Hendrik es sich klarzumachen, wieviel verletzenden Spott auch die burschikose Munterkeit der Generalin enthielt. Freilich, sie war eine imposante Persnlichkeit, grande dame groen Stils1, und sie sah hinreiend aus, wie sie nun, aufrechten Ganges, herrschaftlich unbekmmert mit der Lorgnette klappernd, dem jungen Paare nahte: ganz in Wei gekleidet, um den Hals die dreifach geschlungene Kette aus groen, matt schimmernden Perlen. Hatte sie am Mittag, im grauen Kostm, wie ein Marquis des 18. Jahrhunderts gewirkt, so zeigte sie jetzt, im weien Gewand und im Schmuck ihrer kstlichen Steine, eine fast ppstliche Wrde. Zu dieser Grandezza des Auftretens stand die derbe Aufgerumtheit ihrer Sprechweise in einem groartig unbekmmerten Gegensatz. Ich mu doch mal mit Glhwrmchen und mit meiner kleinen Barbara anstoen! rief sie schallend; dabei schwenkte sie das Champagnerglas.

Von der anderen Seite war Nicoletta herbeigetreten, auch sie mit dem Glas in der Hand. Sie lie die Augen funkeln und den grellen Mund die Schlngellinie machen. Prost! rief die Generalin. Prost! rief Nicoletta. Hendrik stie erst mit der kniglichen Gromama an; dann mit Nicoletta - dem Mdchen, das von einem Schicksal, so wunderlich wie sein eigenes, in dieses Milieu verschlagen worden war. Hier bewegte sie sich, eine berraschende Figur, von der neugierig-nachsichtigen Toleranz des Geheimrats, von der selbstsicheren Munterkeit der Generalin geduldet - innig gehtet von der Liebe Barbaras. In diesem Augenblick empfand Hendrik, sehr klar und stark, ein Gefhl der Zusammengehrigkeit - eine brderliche Sympathie fr Nicoletta. Er begriff: Sie war seinesgleichen. Zwar war ihr Vater der Literat und Abenteurer gewesen, dessen Vitalitt und zynische Intelligenz die Boheme1 um die Jahrhundertwende fasziniert hatten; whrend die kleinbrgerliche Unsoli-ditt des Papa Kbes wohl niemanden faszinieren, sondern nur die Glubiger verrgern konnte. Hier aber, unter den hchst Gebildeten, viel Besitzenden - die meisten Anwesenden besaen gar nicht sehr viel, aber Hendrik hielt sie samt und sonders fr schwerreich -, unter den Selbstsicheren, Ironischen und Gescheiten, in deren Kreis Barbara mit einer so aufreizenden Sicherheit sich zu bewegen wute: hier spielten sie beide die gleiche Rolle, Nicoletta und Hendrik, die zwei bunten Vgel. Sie waren beide im Tiefsten dazu entschlossen, sich von dieser Gesellschaft, der sie sich nicht zugehrig fhlten, nach oben tragen zu lassen und ihren Triumph ber sie zugenieen als ihre Rache.

Prost! machte Hendrik. Sein Glas stie leise klirrend an das Glas Nicolettas. Barbara, die inzwischen plaudernd und lachend um den Tisch ging, war bei ihrem Vater angekommen. Stumm legte sie ihm die Arme um den Hals und kte ihn.

Das schne Hotel an einem der oberbayrischen Seen hatte Nicoletta empfohlen, die das junge Paar auf seiner kleinen Hochzeitsreise begleitete. Barbara war hier sehr glcklich: sie liebte diese Landschaft, die, mit ihren hgeligen Wiesen, Wldern und Gewssern, noch sanft, noch unpathetisch war, aber doch schon das Heroische und Khne als ein Element und eine Mglichkeit in sich enthielt.

Hendrik war unempfnglich fr Reiz und Gre der Landschaft. Die Atmosphre des elegant gefhrten Hotels beunruhigte und erregte ihn. Den Kellnern gegenber verhielt er sich mitrauisch und reizbar; er behauptete, da sie ihn schlechter behandelten als die brigen Gste, und machte Barbara Vorwrfe, da sie ihn jetzt schon dazu verleite, ber seine Verhltnisse zu leben. Andererseits war er voll Genugtuung ber das feine Milieu. Es sind auer uns beinah nur Englnder hier! stellte er befriedigt fest.

Trotz Hendriks Nervositt hatte man manchmal vergngte Stunden. Vormittags lagen die drei auf dem hlzernen Steg, der weit hinaus ins blaue Wasser fhrte und an dem mittags der kleine, weie, mit goldenen Verzierungen drollig aufgeputzte Dampfer anlegte. Nicoletta turnte und trainierte. Hendrik seinerseits kam fr die sportliche Konkurrenz nicht in Frage: er schrie schon, wenn er mit den Zehen das kalte Wasser berhrte, und nur durch langes Zureden und viel Spott.brachte Barbara ihn dazu, einige Schwimmbewegungen zu versuchen.

Um so glanzvoller bewhrte er sich abends, beim Tanzen. Alle Hotelgste und sogar die Kellner waren entzckt, wenn er Nicoletta oder Barbara im Tangoschritt fhrte. Mit solcher Anmut und so viel Grandezza wute keiner von den anderen Herren sich zu bewegen. Es war eine richtige Vorstellung, die Hendrik gab; alle klatschten, da er geendigt hatte. Er verneigte sich lachend, als stnde er auf der Bhne. - Wenn er Publikum sein sollte, Mensch unter anderen, fhlte er sich befangen und oft verstrt; seine Sicherheit kehrte wieder, und ward zur Siegesgewiheit, sowie er sich distanzieren, in ein grelleres Licht treten und dort schimmern durfte. Wahrhaft geborgen fand er sich nur auf einem erhhten Platz, gegenber einer Menge, die nur existierte, um ihm zu huldigen, ihn zu bewundern, ihm Beifall zu spenden.

Eines Tages stellte sich heraus, da an eben dem See, dessen Schnheiten Nicoletta so eifrig empfohlen hatte, Theophil Marder ein Sommerhaus besa; Barbara wurde sehr schweigsam und bekam schwarze Augen vor Nachdenklichkeit, als sie es erfuhr. Zunchst weigerte sie sich, den Satiriker zu besuchen; schlielich aber lie sie sich von Nicoletta zu der Exkursion berreden. Man fuhr auf dem weien, goldverzierten Dampfer, den man nun schon so oft vom Landungssteg aus beobachtet hatte, quer ber den See.

Theophil Marder erwartete seine Gste am Ufer. Er trug einen grokarierten Sportanzug mit weiten, faltigen Knickerbockers und dazu einen weien Tropenhelm, was wunderlich wirkte.

Nach dem Essen, das man in einem mit naturfarbe-nem Holz getfelten, groen, hellen und eleganten Speisezimmer eingenommen hatte, legte Theophil seinen Arm um Hfgens Schulter und fhrte ihn abseits. Na, unter uns Mnnern, sagte der Dramatiker, schaute flackernd und bewegte unter dem Schnurrbart schmatzend die blulichen Lippen. Sind Sie zufrieden mit Ihrem Experiment?

Mit welchem Experiment? wollte Hendrik wissen. Daraufhin lachte Theophil schallend und bewegte dann noch heftiger den gierigen Mund. Nun - was denn wohl? Ihre Heirat meine ich natrlich! flsterte er rauh.

Sie sind ja 'ne dolle Type, sich auf so was einzulassen! Mit dieser Geheimratstochter wird man nicht leicht fertig. Ich habe es doch versucht! gestand er und bekam bse Augen. An der werden Sie nicht viel Spa erleben, mein Lieber. Das ist eine lahme Ente - glauben Sie mir, dem kompetentesten Fachmann des Jahrhunderts: eine lahme Ente ist sie.