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Hendrik war so bestrzt ber diese Redewendung, da er das Monokel aus dem Auge fallen lie. Marder inzwischen stie ihn lustig vor den Bauch. Nichts fr ungut! rief er, pltzlich glnzend gelaunt. Vielleicht schaffen Sie es - kann man nie wissen - sind ja 'ne dolle Type!

Auf der Nachhausefahrt, im Dampfer, erklrte Nicoletta, ganz hnlich wie Theophil Marder msse ihr Vater, der Abenteurer, gewesen sein. Ich besitze ja kein Bild von Papa, sagte sie, und schaute sinnend ber das Wasser, auf dem es kein Sonnenlicht mehr gab, sondern das perlmuttergrau und unbewegt im sinkenden Abend lag. Kein Bild - nur die Opiumpfeife. Aber er mu mit Theophil viel gemeinsam gehabt haben. Ich spre es. Daher bin ich Marder so tief verwandt. Nach einer kleinen Pause lie sich Barbara hren: Sicher war dein Vater viel, viel netter als Marder. Marder ist ja berhaupt nicht nett. Nicoletta schaute tckisch und belustigt aus den grnen Katzenaugen und kicherte leise in sich hinein. -

Nicoletta machte nun fast jeden Tag die Dampferfahrt zum gegenberliegenden Ufer, wo sich Marders Villa befand. Sie brach gegen Mittag auf, um meistens erst spt in der Nacht zurckzukehren. Barbara wurde immer stiller und nachdenklicher, besonders whrend der kurzen Stunden, da Nicoletta noch in ihrer Nhe war.

brigens war Nic.olet.tas- unvernnftig-eigensinniger Flirt mit Theophil nicht der einzige Umstand, der Barbara versonnen stimmte. Wenn sie nachts allein in ihrem Bett lag - und sie lag allein -, lauschte sie in ihr Inneres, um zu erfahren, ob Hendriks wunderliches und ein wenig blamables Verhalten - das man wohl auch ein Versagen nennnen konnte - sie erleichterte oder enttuschte. Ja, es erleichterte sie, und es enttuschte Sie doch auch

Die Zimmer Barbaras und Hendriks hatten eine Verbindungstr. Zu spter Stunde pflegte Hfgen noch bei seiner Gattin einzutreten, dekorativ gehllt in seinen schadhaft-prunkvollen Schlafrock. Den Kopf im Nacken, ber dem schillernd-schielenden Blick halb die Lider gesenkt, eilte er durchs Zimmer und versicherte Barbara mit singender Stimme, wie froh und dankbar er sei und da sie stets das Zentrum seines Lebens bleiben werde. Er umarmte sie auch, aber nur flchtig, und whrend er sie in den Armen hielt, ward er bleich. Er litt, er bebte, ihm stand der Schwei auf der Stirn. Scham und Zorn fllten ihm die Augen mit Trnen.

Auf dieses Fiasko war er nicht vorbereitet gewesen. Er hatte geglaubt, Barbara zu lieben - ja, er liebte sie wirklich. Hatte ihn die Freundschaft mit Prinzessin Te-bab so verdorben? Ach, er konnte sich an Barbaras schnen Beinen keine grnen Schaftstiefel vorstellen Die klglichen und erfolglosen Umarmungen wurden ihm zur Qual. Er meinte, in Barbaras Augen, die doch nur eine stille, etwas verwunderte Frage enthielten, Hohn und Vorwurf zu lesen. Um ber die grauenvolle Situation hinwegzukommen, schwatzte er, was ihm gerade einfiel; er wurde munter, von einem nervsen Lachen geschttelt rannte er auf und ab.

Hast du auch so scheuliche kleine Erinnerungen wie ich? fragte er Barbara, die regungslos im Bett lag und ihn beobachtete. Weit du: Erinnerungen von der Art, da einem ganz hei und kalt wird, wenn man an sie denkt - und man mu oft an sie denken Er blieb, an Barbaras Bett gelehnt, stehen; mit fiebriger Hast - ein ungesund helles Rot auf den Wangen und immer wieder von Lachen geschttelt - begann er zu erzhlen.

Ich mu elf oder zwlf Jahre alt gewesen sein, als ich im Knabenchor unseres Gymnasiums mitsingen durfte.

Mir machte das eine ungeheure Freude, und ich bildete mir wohl auch ein, hbscher als alle anderen singen zu knnen. - Nun kommt die teuflische kleine Erinnerung - pa auf, sie wird gar nicht arg klingen, wenn ich sie jetzt berichte. - Unser Knabenchor sollte, anllich irgendeiner Hochzeit, bei der kirchlichen Feier, mitwirken. Das war eine groe Sache, und wir waren alle ziemlich aufgeregt. Mich aber ritt der Teufe, ich wollte mich ganz besonders hervortun. Als unser Chor mit seinem frommen Lied einsetzte, hatte ich den abscheulichen Einfall, eine Oktave hher als alle anderen zu singen. Ich tat mir so viel zugute auf meinen Sopran, und ich dachte wohl, es wrde einen reizenden Effekt machen, wenn mein schriller Ton durch das Gewlbe hallte. Ich stand ganz stolzgeblht und sang gellend - da sah mich der Musiklehrer, der den Chor dirigierte, mit einem Blick an, der eigentlich noch mehr angewidert als strafend war, und er sagte: Sei doch still! - Verstehst du, Barbara?! rief Hendrik und legte die Hnde vor sein heies Gesicht. Verstehst du denn, wie infernalisch das ist? So ganz trocken, ganz leise sagte er zu mir: Sei doch still! Und ich war mir doch noch gerade vorgekommen wie ein jubilierender Erzengel Hendrik verstummte. Nach einer langen Pause sagte er: Solche Erinnerungen sind wie kleine Hllen, in die wir zuweilen steigen mssen Mit einem mitrauischen Gesichtsausdruck fragte er: Du hast wohl keine Erinnerungen von dieser Art, Barbara?

Nein, Barbara hatte solche Erinnerungen nicht. Hierber wurde Hendrik pltzlich gereizt, beinah zornig. Das ist es eben! rief er gehssig, und in seinen Augen gab es ein bses Leuchten. Das ist es eben: du hast dich in deinem Leben nie richtig schmen mssen Mir ist das oft widerfahren, damals war es nur ein erstes Mal. Ich mu mich hufig so entsetzlich stark schmen - mich so in die Hlle hinunter schmen Verstehst du denn, was ich meine, Barbara? Kannst du mich denn verstehen?!

V Der Ehemann

Ende August reiste das junge Ehepaar Hfgen mit Nicoletta von Niebuhr nach Hamburg. In der Villa der Frau Konsul Mnkeberg hatte Hendrik das ganze Parterre, bestehend aus drei Rumen, einer kleinen Kche, und einem Badezimmer, gemietet. Die Einrichtung der groen und behaglichen Stuben wurde ergnzt durch einige Neuanschaffungen, fr deren ziemlich erhebliche Kosten Geheimrat Bruckner aufkommen mute.

Nicoletta zog es vor, im Hotel zu wohnen. Die spiebrgerliche Luft im Hause dieser Dame Mnkeberg kann ich nicht aushaken, erklrte sie stolz und nervs. Barbara meinte vershnlich, da Frau Konsul doch auf ihre Art eine sehr brave und dekorative Person sei. Jedenfalls vertrage ich mich glnzend mit ihr, stellte sie fest. Frau Mnkeberg hatte ihr zum Einzug zwei junge Ktzchen geschenkt, eine schwarze und eine weie, und erwies ihr berhaupt jede nur erdenkliche Artigkeit. Ich bin froh, mein Kind, Sie in meinem Hause zu haben, versicherte die alte Dame ihrer neuen Mieterin. Wir gehren doch zu denselben Kreisen. Frau Konsul, deren Vater Universittsprofessor gewesen war, hatte in ihrer Jugend den Dr. Bruckner als Privatdozenten in Heidelberg gekannt. Sie lud Barbara zum Tee ins obere Stockwerk ein, zeigte ihr Familienphotographien und stellte sie ihren Freundinnen vor.

Nicoletta spottete grimmig darber, da Barbara solche Einladungen akzeptierte. Sie ihrerseits empfing in ihrem Hotelzimmer Varieteakrobaten, Eintnzer und Kokotten - Hendrik zitterte bei dem Gedanken, in diesen originellen Kreis knnte durch einen unseligen, aber keineswegs unwahrscheinlichen Zufall Juliette, genannt Prinzessin Tebab, geraten. Mit wieviel Vergngen wrde Frulein von Niebuhr die Schwarze Venus bei sich empfangen haben! Denn sie tat sich viel zugute auf ihren Snobismus der Exzentrizitt und der Verworfenheit. Die Leute, die mein Vater fr wert hielt, seine Freunde zu heien, werden auch fr mich nicht zu schlecht sein, pflegte sie erhobenen Hauptes jedem, der es hren wollte, zu versichern.

brigens war nicht zu leugnen, da Nicoletta um diese Zeit blendend in Form war. Alles an ihr schien gespannt; alles blitzte, verfhrte, knisterte wie geladen mit Elektrizitt. Siegesgewisser denn je trug sie das khne [nglingshaupt mit der gewlbten Stirne, der groen, gebogenen Nase und den grellen Lippen, zwischen denen die Zhne funkelten.

Obwohl Oskar H. Kroge Frulein von Niebuhr im Cirunde nicht leiden konnte, hatte er ihr - auf dringenden Rat seines Freundes Schmilz, der behauptete, da die Leute so etwas sehen wollten - die Hauptrolle in der ersten Herbstnovitt1 anvertraut: Nicoletta spielte in einem franzsischen Reier die tragische Demimondai-nea, die am Schlu des dritten Aktes von einem ihrer Geliebten auf offener Szene ermordet wird. Den jungen Mrder hatte Bonetti darzustellen, dessen vor lauter Blasiertheit und Eitelkeit angewidertes, sehr hochmtiges Mienenspiel vorzglich zu dieser Rolle pate; der Zuhlter, der das Aussehen eines groen Herrn hat, im Cirunde aber ein gemeiner Geselle ist, war Hfgen; whrend Frau von Herzfeld, die das Stck bersetzt und bearbeitet hatte, die Regie fhrte. Sie werden in diesem Machwerk einen noch greren Erfolg haben als in Knorke, prophezeite sie Nicoletta, der gegenber sie ein mtterliches Interesse an den Tag legte, seitdem ihre Eifersucht, Hendrik betreffend, sich auf eine andere Person hatte konzentrieren mssen. Dieser Ansicht bin ich in der Tat auch, versetzte scharf und khl Nicoletta. Eine Leistung, wie ich sie morgen abend hinlegen werde, drfte man in Hamburg kaum je gesehen haben.