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Jetzt war er Herr im Hause, ber dessen Schwelle beinah nur noch Menschen kamen, die mit Bewunderung und Ehliurcht auf ihn blickten. Die Familie, die er an seines Daseins festlicher Schnheit teilhaben lie, bekam auch seine Launen zu spren. Hendrik veranstaltete zuweilen gemtliche Abende am Kaminfeuer oder reizende Sonntagvormittage im Garten. Hufiger aber geschah es, da er sein fahles, beleidigtes Gouvernantengesicht zeigte, sich in seine Gemcher verschlo und vorwurfsvoll behauptete, er leide an schwerer Migrne. Weil ich so sehr viel arbeiten mu, um fr euch das Geld herbeizuschaffen, ihr Nichtstuer: Dies sagte er nicht, deutete es jedoch drastisch an durch leidendes und gereiztes Wesen. Kmmert euch nicht um mich! riet er den Seinen, und nahm es dann nachhaltig bel, wenn man wirklich ein paar Stunden lang nicht nach ihm sah.

Am besten verstand es seine Mutter Bella, mit ihm auszukommen. Sie behandelte ihren groen Jungen sehr sanft, aber nicht ohne zrtliche Bestimmtheit. Ihr gegenber wagte er es selten, sich gar zuviel herauszunehmen. brigens hing er wirklich an ihr und war auch stolz auf seine distinguierte Mama. Sie hatte sich sehr zu ihrem Vorteil verndert und zeigte sich ihrer neuen anspruchsvollen Situation durchaus gewachsen. Den groen Haushalt ihres berhmten Sohnes verstand sie mit wrdevollem Takt und erfahrener Umsicht zu fhren. Htte der eleganten Matrone noch irgend jemand ansehen knnen, da sie der Gegenstand bler Klatschereien gewesen war, als sie aus wohlttigen Grnden im Sektzelt ihres Amtes gewaltet hatte? Das lag weit zurck, niemand wute mehr von den dummen alten Geschichten. Aus Frau Bella war eine dezent zurckhaltende, aber doch nicht zu bersehende Figur der Berliner Gesellschaft geworden. Sie war dem Herrn Ministerprsidenten vorgestellt und verkehrte in den wichtigsten Husern. Unter der adretten grauen Dauerwellen-Frisur hatte ihr intelligentes, frhliches Gesicht, dem das Antlitz ihres berhmten Sohnes so sehr glich, immer noch frische Farben. Frau Bella kleidete sich einfach, aber mit Sorgfalt. Sie bevorzugte dunkelgraue Seide im Winter, perlgraue whrend der warmen Zeit. Perlgrau war das Kostm gewesen, da Frau Bella vor Jahren an der schnen Gromutter ihrer Schwiegertochter bewundert hatte. Mutter Hfgen bedauerte es von Herzen, da die Generalin nicht in der Grune-waldvilla verkehrte. Ich wrde die alte Dame gerne bei uns empfangen, uerte sie, obwohl sie ja etwas jdisches Blut haben soll. Darber knnten wir uns hinwegsetzen - findest du nicht auch, Hendrik? Aber sie hat es noch nicht einmal der Mhe wert gefunden, Karten bei uns abzugeben. Sind wir ihr etwa immer noch nicht fein genug? - Viel Geld scheint sie doch auch nicht mehr zu haben, schlo Frau Bella und schttelte, halb mitleidig, halb pikiert, den Kopf. Sie sollte froh sein, wenn eine anstndige Familie sich noch ihrer annehmen will.

Leider war mit Vater Kbes nicht derselbe Staat wie mit Frau Bella zu machen. Er hatte sich zum Sonderling entwickelt, lief tagaus, tagein in einer alten Hausjacke aus Flanell herum, interessierte sich hauptschlich fr Kursbcher, in denen er stundenlang bltterte, und fr eine kleine Sammlung von Kakteen, die er auf dem Fensterbrett hegte; er rasierte sich zu selten und versteckte sich, wenn Gste kamen. Sein rheinischer Witz war ihm total abhanden gekommen. Meistens schwieg er und starrte etwas blde vor sich hin. Er hatte Heimweh nach Kln, obwohl ihm doch dort der Gerichtsvollzieher nicht mehr ans der Wohnung gewichen war und all seine geschftlichen Unternehmungen ein so bles Ende gefunden hatten. Aber der Kampf, den er mit Leichtsinn und Zhigkeit um seine Existenz hatte fhren mssen, war ihm besser bekommen als das Nichtstun am Herde seines arrivierten Sohnes. Hendriks Ruhm und Glanz waren ein Gegenstand der bestndigen Venvundemng, fast des Grames fr den alten Mann. Nein, wie konnte das nur passieren! murmelte er, als htte ein Unglcksfall sich ereignet. Jeden Morgen betrachtete er sich bestrzt den Sto von Briefen, der fr seinen mchtigen und vielgeliebten Sprling eingetroffen war. Wenn Johannes Leh-mann sich mit Arbeit gar zu berlastet fand, bat er zuweilen Vater Kbes darum, ihm diese oder jene Kleinigkeit abzunehmen. So verbrachte der Alte manchen Vormittag damit, Photographien seines Sohnes zu signieren; denn er konnte Hendriks Handschrift besser nachahmen, als der Sekretr es fertigbrachte. Wenn der Intendant besonders sanfter Stimmung war, geschah es wohl, da er seinen Vater einmal fragte: Wie geht es dir denn, Papa? Du wirkst oft so niedergeschlagen. Es fehlt dir doch nichts? Du langweilst dich doch nicht in meinem Hause? - Nein, nein, brummte Vater Kbes, der etwas rot wurde unter all seinen Stoppeln. Ich habe doch soviel Freude an meinen Kakteen und an den Hunden. Den Hunden durfte nur er zu fressen geben, er lie keinen Diener an sie heran. Tglich machte er mit den schnen Windspielen' einen groen Spaziergang, whrend Hendrik sich nur mit ihnen photographieren lie. Die Tiere liebten Vater Kbes, gegen Hendrik aber waren sie scheu, weil dieser im Grunde seinerseits Angst vor ihnen hatte. Sie sind hissig, behauptete er; sosehr auch Vater Kbes widersprechen mochte, Hendrik blieb dabei: Besonders Hoppi ist bissig. Er wird mir sicher pltzlich einmal etwas Scheuliches antun. -

Schwester Josy hatte ein kokett eingerichtetes Appartement im oberen Stockwerk der Villa. Aber sie war viel auf Reisen und lie es hufig unbewohnt. Seit ihr Bruder zur Macht gehrte, lie man Frulein Hfgen berall am Rundfunk singen. Sie brachte flotte Piecen in rheinischer Mundart, man sah ihr niedliches Gesicht in allen Radio-/eitschriften, und sie hatte hufig Gelegenheit, sich zu verloben. Das tat sie denn auch, aber nun durfte natrlich nicht mehr der erste beste um ihre Hand bitten, nur noch standesgeme Verbindungen kamen in Frage, junge Herren in SS-Uniform wurden bevorzugt, ihre dekorativen Figuren belebten Hendrik-Hall. Den Grafen Donnersberg werde ich wirklich heiraten, verhie Josy. Ihr Bruder uerte Skepsis, Josy mute weinen. Du bist immer so spttisch zu mir, brachte sie hervor. Frau Bella trstete sie, auch Hendrik mochte es nicht, wenn sie Trnen vergo, alle versicherten ihr, sie sei so hbsch geworden. Wirklich sah sie jetzt viel attraktiver aus als damals, da Barbara ihre Bekanntschaft auf dem Bahnsteig der sddeutschen Universittsstadt gemacht hatte. Es lag vielleicht auch daran, da sie sich jetzt teure Kleider leisten konnte. Den Sattel von Sommersprossen auf dem kecken Naschen hatte sie, durch eine umstndliche kosmetische Behandlung, beinahe ganz entfernt. Dagobert hat damit gedroht, die Verlobung aufzulsen, wenn die Sommersprossen nicht verschwinden, sagte sie.

Auch der junge Dagobert von Donnersberg hatte seine Launen, nicht nur Hendrik durfte sich welche leisten. Hfgen hatte den Grafen im Hause der Lindenthal kennengelernt, die sich gerne mit Aristokraten umgab. Dagobert - der ebenso hbsch wie unbemittelt, ebenso dumm wie verwhnt war - wurde sofort nach Hendrik-Hall eingeladen. Frulein Josy machte ihm den Vorschlag, mit ihr auszureiten. Hendrik bewegte seine schnen Pferde zu wenig: seine Zeit war kostbar, und brigens machte ihm das Reiten kein Vergngen. Er hatte es fr Filmaufnahmen mit Mhe erlernt, und er wute, da er schlecht im Sattel sa. Die Tiere hielt er sich eigentlich nur, weil sie sich gut auf den Photos der Illustrierten aus-nahmen; ganz heimlicherweise und ohne da er sich dies seiher jemals zugegeben htte, waren vielleicht auch die Pferde, wie der kleine Bock, eine spte und verzweifelt sinnlose Rache an Barbara, die ihn mit ihren Morgenritten so oft gergert hatte. Barbara aber war fern, sie wute nichts von den Pferden, sie kmmerte sich in Paris um die politischen Flchtlinge und um eine kleine aggressive Revue, fr die sie Abonnenten im Balkan und Sdamerika, in Skandinavien und im Fernen Osten warb Frulein fosy und ihr Dagobert ritten ins 'Freie. Der junge Graf verliebte sich ein wenig in das muntere Mdchen. Da sie Wert darauf zu legen schien, verlobte er sich sogar mit ihr, hrte aber natrlich trotzdem nicht auf, nach Damen, die mehr Geld fr seinen Titel wrden zahlen knnen, Umschau zu halten. Zunchst jedoch hatte er es nicht eilig damit, die kleine Hfgen wieder zu verlassen, und hielt es auch nicht fr ratsam, eine Familie zu brskieren, die den persnlichen Umgang des Ministerprsidenten geno. brigens fand Dagobert es ganz amsant in Hendrik-Hall.