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In Berlin wirken die Martinschen Mtzchen1 vielleicht, sprach die Motz resolut. Aber unsereinem kann sie nichts vormachen, wir sind schlielich lauter alte Theaterhasen2. Sie blickte beifallheischend um sich. Ihr Fach war die komische Alte; zuweilen durfte sie auch reife Salondamen spielen. Sie lachte gern, viel und laut, wobei sie scharfe Falten um den Mund bekam, in dessen Innerem Gold funkelte. Im Augenblick freilich zeigte sie eine wrdevoll ernste, beinah zornige Miene.

Rahel Mohrenwitz sagte, wobei sie hochmtig mit ihrer langen Zigarettenspitze spielte: Niemand kann schlielich leugnen, da die Martin irgendwo eine enorm starke Persnlichkeit ist. Was sie auf der Bhne auch macht: immer ist sie unerhrt intensiv da - ihr versteht, was ich meine Alle verstanden es; die Motz aber schttelte mibilligend den Kopf, whrend die kleine Angelika Siebert mit ihrem hohen, schchternen Stimmchen erklrte: Ich bewundere die Martin. Es geht eine zauberhafte Kraft von ihr aus, finde ich Sie wurde sehr rot, weil sie einen so langen und gewagten Satz vorgebracht hatte. Alle sahen mit einer gewissen Rhrung zu ihr hin. Die kleine Siebert war reizend. Ihr Kpfchen mit dem kurzgeschnittenen, links gescheitelten blonden Haar glich dem eines dreizehnjhrigen Buben. Ihre hellen und unschuldigen Augen wurden dadurch nicht weniger anziehend, da sie kurzsichtig waren: manche fanden, da gerade die Art, auf die Angelika beim Schauen die Augen zusammenkniff, ihren besonderen Charme ausmache.

Unsere Kleine schwrmt wieder einmal, sagte der schne Rolf Bonetti und lachte etwas zu laut. Er war jenes. Mitglied des Ensembles, das die meisten Liebesbriefe aus dem Publikum erhielt: daher sein stolzer, mder, vor lauter Blasiertheit beinah angewiderter Ge-sichtsausdmck. Der kleinen Angelika gegenber jedoch war er der Werbende: schon seit lngerem bemhte er sich um sie. Auf der Bhne durfte er sie oft in den Armen halten, das brachte sein Rollenfach mit sich. Im brigen aber blieb sie sprde. Mit einer wunderlichen Hartnckigkeit verschenkte sie ihre Zrtlichkeit nur dorthin, wo nicht die mindeste Aussicht bestand, da man sie erwiderte oder auch nur wnschte. Rhrend und begehrenswert, wie sie war, schien sie ganz dafr gemacht, viel geliebt und sehr verwhnt zu werden. Der sonderbare Eigensinn ihres Herzens aber lie sie khl und spttisch bleiben vor Rolf Bonettis strmischen Beteuerungen, und lie sie bitterlich weinen ber die eisige Geringschtzung, die Hendrik Hfgen ihr gegenber an den Tag legte.

Rolf Bonetti sagte kennerhaft: Als Frau kommt diese Martin jedenfalls gar nicht in Frage: ein unheimlicher Zwitter - sicher hat sie so etwas wie Fischblut in den Adern.

Ich finde sie schn, sagte Angelika, leise aber entschlossen. Sie ist die schnste Frau, finde ich. Schon standen ihr die Augen voll Trnen: Angelika weinte hufig, auch ohne besonderen Anla. Trumerisch sagte sie noch: Es ist merkwrdig - ich spre irgendeine geheimnisvolle hnlichkeit zwischen Dora Martin und Hendrik Dies erregte allgemeine Verwunderung.

Die Martin ist eine Jdin. Es war der junge Hans Miklas, der sich unvermittelt so vernehmen lie. Alle schauten betroffen und etwas angewidert zu ihm hin. - Der Miklas ist kstlich, sprach die Motz in ein betretenes Schweigen hinein und versuchte zu lachen. Kruge runzelte die Stirne, verwundert und degoutiert, whrend Frau von Herzfeld nur den Kopf schtteln konnte; brigens war sie bla geworden. Da die Pause lang und peinlich wurde - der junge Miklas stand bleich und trotzig an die Theke gelehnt -, sagte Direktor Kruge schlielich ziemlich scharf: Was soll denn das? und machte ein Gesicht, so bse, wie es ihm eben mglich war. Ein anderer junger Schauspieler, der sich bis dahin leise mit Vater Hansemann unterhalten hatte, sagte forsch und vershnlich: Hoppla, das ist danebengegangen! La nur, Miklas, so was kann vorkommen, du bist sonst ein ganz braves Kind! Dabei klopfte er dem beltter auf die Schulter und lachte so herzlich, da alle einstimmen konnten; sogar Kroge entschlo sich zu einer Heiterkeit, die freilich krampfhaften Charakter hatte: er schlug sich, mit der flachen Hand auf den Schenkel und warf den Oberkrper nach vorne, so heftig schien er sich pltzlich zu amsieren. Miklas aber blieb ernst; er drehte das verstockte, bleiche Gesicht zur Seite, die Lippen bse aufeinandergepret. Sie ist doch eine Jdin. Er sprach so leise, da fast niemand es hren konnte; nur Otto Ulrichs, der gerade erst durch seine Unbefangenheit die Situation gerettet hatte, hrte es, und nun strafte er ihn mit einem ernsten Blick.

Nachdem Direktor Kroge durch sein Gelchter ausfhrlich bekundet hatte, da er die Entgleisung des jungen Miklas durchaus von der komischen Seite nahm, winkte er Ulrichs. Ach, Ulrichs, kommen Sie doch bitte mal einen Augenblick! Ulrichs setzte sich an den Tisch zu den Direktoren und Frau von Herzfeld.

Ich will mich nicht in Ihre Angelegenheiten mischen, wirklich nicht. Kroge lie es sich anmerken, da die Sache ihm uerst peinlich war. Aber es kommt jetzt immer hufiger vor, da Sie in kommunistischen Versammlungen auftreten. Gestern haben Sie schon wieder irgendwo mitgemacht. Das schadet Ihnen doch, Ulrichs, und uns schadet es auch. Kroge sprach leise. Sie wissen doch, wie die brgerlichen Zeitungen sind, Ulrichs, sagte er eindringlich. Suspekt sind wir den Leviten ohnedies. Wenn eines unserer Mitglieder sich nun politisch exponiert - es kann verhngnisvoll fr uns sein, Ulrichs. Kroge trank sehr hastig seinen Kognak aus, er war sogar etwas rot geworden.

Ulrichs antwortete ruhig; Es ist mir sehr erwnscht, Herr Direktor, da Sie von diesen Dingen zu mir sprechen. Natrlich habe ich auch schon ber sie nachgedacht. Vielleicht ist es besser, wir trennen uns, Herr Direktor - glauben Sie mir, da es mir nicht leichtfllt, diesen Vorschlag zu machen. Aber auf meine politische Bettigung kann ich nicht verzichten. Ihr mte ich sogar mein Engagement opfern, und das wre ein Opfer; denn ich bin gerne hier. Er sprach mit einer angenehmen, dunklen und warmen Stimme. Whrend er redete, schaute Kroge mit einer vterlichen Sympathie auf sein intelligentes, kraftvolles Gesicht. Otto Ulrichs war ein gut aussehender Mann. Seine hohe, freundliche Stirn, von der das schwarze Haar weit zurckwich, und die engen, dunkelbraunen, gescheiten und lustigen Augen flten Vertrauen ein. Kroge mochte ihn sehr. Deshalb wurde er jetzt beinahe zornig.

Aber Ulrichs! rief er aus. Davon kann doch gar keine Rede sein. Sie wissen ganz genau, da ich Sie niemals fortlassen wrde!

Wir knnen Sie gar nicht entbehren! fgte Schmilz hinzu - der dicke Mensch berraschte zuweilen durch eine merkwrdig vibrierende, helle und hbsche Stimme -; wozu die Herzfeld ernst besttigend nickte.

Es ist doch nur ein klein bichen Zurckhaltung, worum ich Sie bitte, versicherte Kroge.

Ulrichs sagte mit Herzlichkeit: Ihr seid alle sehr nett zu mir - wirklich sehr nett - und ich werde mir Mhe geben, da ich euch nicht gar zu sehr kompromittiere. Die Herzfeld lchelte ihm vertraulich zu. Es ist Ihnen ja wohl nicht ganz unbekannt, sagte sie leise, da wir politisch weitgehend mit Ihnen sympathisieren. - Der Mann, mit dem sie in Frankfurt verheiratet gewesen war und dessen Namen sie fhrte, war Kommunist. Er war viel jnger als sie und hatte sie verlassen. Zur Zeit arbeitete er in Moskau als Filmregisseur.

Weitgehend! betonte Kroge mit lehrhaft erhobenem Zeigefinger. Wenngleich nicht ganz., nicht in allen Stcken. Nicht alle unsere Trume haben sich in Moskau erfllt. Knnen die Trume, die Forderungen, die Hoffnungen der Geistigen sich erfllen unter der Diktatur?

Ulrichs antwortete ernst, wobei seine engen Augen noch schmaler wurden und einen beinahe drohenden Blick bekamen: Nicht nur die Geistigen - oder die, welche sich so nennen - haben ihre Hoffnungen und Forderungen. Noch dringlicher sind die Forderungen des Proletariats. Diese waren, so wie die Welt heute ist, nur zu erfllen mittels der Diktatur. Hier zeigte Direktor Schmilz ein bestrztes Gesicht. Ulrichs, um dem Gesprch eine leichtere Wendung zu geben, sagte lchelnd: brigens wre auf der Versammlung gestern das Knstlertheater beinah durch sein prominentestes Mitglied reprsentiert worden. Hendrik wollte eigentlich auftreten - im letzten Augenblick ist er dann leider verhindert gewesen.