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Der Intendant stellte seine unschnen Hnde aus wie Kostbarkeiten: Dies tat er halb aus bermut - um zu sehen, wie weit er es treiben konnte -, teils um sich selbst zu qulen, denn er litt heftig unter dieser Exhibi-tion seiner breiten, ordinren Finger.

Hamlet ist das reprsentative germanische Drama, hatte Doktor Radig in seiner vom Propagandaministerium inspirierten Vorbesprechung verkndigt. Der Dnenprinz gehrt zu den groen Symbolen des deutschen Menschen. In ihm finden wir einen Feil unseres tiefsten Wesens ausgedrckt. Hlderlin rief ber uns aus:

,Denn, ihr Deutschen, auch ihr seid Tatenarm und gedankenvoll.'

Hamlet ist also auch eine Gefahr des deutschen Menschen. Wir haben ihn alle in uns, und wir mssen ihn berwinden. Denn die Stunde verlangt von uns Aktionen, nicht nur Gedanken und die zersetzende Reflexion. Eine Vorsehung, die uns den Fhrer geschickt hat, verpflichtet uns zur Tat im Interesse der nationalen Gemeinschaft, von der Hamlet, dieser typische Intellektuelle, sich grblerisch absondert und entfernt.

Allgemein war man der Ansicht, da Hfgen den tragischen Konflikt zwischen Tatbereitschaft und Gedankentiefe, der den deutschen Menschen auf so interessante Weise von alten brigen Lebewesen unterscheidet, in seiner Hamlet-Darstellung selber sprbar werden lie. Denn er stellte den Prinzen als Draufgnger mit nervsen Strungen vor ein Publikum hin, das sowohl fr Draufgngertum als auch fr neurasthenische Anfechtungen volles Verstndnis hatte.

Der Intendant, dessen Kostm in der Tat so geschickt gearbeitet war, da "er in ihm jnglinghaft schmalhftig wirkte, mute sich immer wieder zeigen. Neben ihm verneigte sich seine junge Gattin, Nicoletta Hfgen, die eine etwas wunderliche und starre, aber vor allem in den Wahnsinnsszenen eindrucksvolle Ophelia gewesen war.

Der Ministerprsident, schimmernd in Purpur, Gold und Silber, und seine Lotte, sanft strahlend in Himmelblau, standen nebeneinander in ihrer Loge und spendeten demonstrativen Applaus. Das war die Vershnung des Gewaltigen mit seinem Hofnarren: Mephistopheles-Hendrik empfand es dankbar. Schn und bleich in seinem Hamlet-Kostm verbeugte er sich tief vor dem hohen Paar.,Lotte ist wieder verliebt in mich', dachte er, whrend er die rechte Hand mit einer Geste, die von Erschpftheit /.engte, aber doch schne Rundung hatte, zum Herzen fhrte. Sein groer, mit sublimer Sorgfalt dunkelrot nachgeschminkter Mund zeigte ergriffenes Lcheln; unter den runden, schwarzen Bgen der Brauen sandten die Augen verfhrerische, se und kalte Lichter; der beranstrengte, leidvoll gespannte Zug an den Schlfen veredelte sein Antlitz und lie seine ruchlosen Reize rhrend wirken. Nun winkte die Frau Flie-gergeneralin ihm mit dem Seidentchlein, das die himmelblaue Farbe ihrer Robe hatte. Der General grinste.,Ich bin wieder in Gnaden aufgenommen', dachte Hamlet erleichtert.

Er lehnte alle Einladungen ab, entschuldigte sich mit groer Mdigkeit und lie sich nach Hause fahren. Als er sich in seinem Arbeitszimmer allein befand, merkte er, da an Schlafen kaum zu denken war. Er war deprimiert und erregt. Der laute Beifall lie ihn nicht vergessen, da er versagt hatte. Es war gut und wichtig, da die Huld des Dicken, um die er schon hatte zittern mssen, - wiedererobert war. Aber sogar dieser wesentliche und bedeutsame Erfolg des Abends konnte ihn nicht hinwegtrsten ber das Fiasko, das sein hherer Anspruch, sein besserer Ehrgeiz heute erlitten hatte.,Ich war nicht Hamlet', dachte er gramvoll.,Die Zeitungen werden mir versichern, da ich in jedem Zoll der Dnenprinz gewesen bin. Aber sie werden lgen. Ich war falsch, ich war schlecht - soviel Selbstkritik bringe ich doch noch auf, um das zu wissen. Wenn ich mich des hohlen Tons erinnere, mit dem ichSein oder Nichtsein deklamiert habe, dann zieht sich alles in mir zusammen'

Er lie sich in einem Lehnstuhl nieder, der am geffneten Fenster stand. Das Buch, nach dem er gegriffen hatte, legte er enerviert wieder zur Seite: Es waren Les Fleurs du Mal, sie erinnerten ihn an Juliette.

Durch das Fenster hatte man den Blick in den dunklen Garten, aus dem Dfte und Feuchtigkeit stiegen. Hendrik frstelte, er zog sich den seidenen Schlafrock ber der Brust zusammen. Was fr einen Monat hatte man denn? April - oder schon Anfang Mai? Er empfand es pltzlich als bitter traurig, da er, seit so langer Zeit, das Nahen des Frhlings und seine schne Verwandlung in den Sommer bersah..Dieses verfluchte Theater', dachte er schmerzlich und zornig,,es frit mich auf. ber ihm versume ich das Leben.'

Er sa mit geschlossenen Augen, als eine rauhe Stimme ihn anrief: Hallo! Herr Intendant!

Hendrik fuhr in die Hhe.

Aus dem Garten war ein Kerl zu seinem Fenster hinaufgeklettert: eine akrobatische Leistung, denn es gab kein Spalier. Seine Gestalt erschien bis zur Brust im Fensterrahmen. Hendrik war furchtbar erschrocken. Er berlegte sich einige Sekunden lang, ob es sich um eine Vision handle, um ein Erzeugnis seiner berreizten Nerven. Aber nein, der Bursche sah nicht aus wie eine Halluzination. Ganz entschieden: der lebte. Er trug eine graue Schinnmtze und eine schmutzige blaue Bluse. Die obere Hlfte seines Gesichtes lag in tiefem Schatten. Die untere Gesichtspartie war bedeckt von einem stoppeligen Bart rtlicher Frbung.

Was wollen Sie?! schrie Hfgen; dabei tastete er hinter sich nach der Klingel, die auf dem Schreibtisch stand.

Schrei doch nicht so! sagte der Mann, dessen Stimme nicht ohne eine gewisse rohe Gutmtigkeit war. Ich tu dir ja nichts.

Was wollen Sie von mir? wiederholte Hendrik, nun etwas leiser.

Ich komme nur, um dir Gre auszurichten, sagte der Mann im Fenster. Gre von Otto.

Hendriks Gesicht war wei geworden wie das seidene Tuch, das er um den Hals geschlungen trug. Ich wei gar nicht, von welchem Otto Sie sprechen. Seine Stimme war beinahe tonlos.

Das kurze Gelchter, das ihm vom Fenster her antwortete, hatte einen recht schaurigen Klang. Na, was wollen wir wetten, da du noch darauf kommst? fragte der Besucher mit einer drohenden Neckerei. Aber er wurde ganz ernst, als er fortfuhr: Auf dem letzten Zettel, den ich von Otto bekommen habe, stand ausdrcklich, da wir dich gren sollen. Glaube nur nicht, da ich zum Vergngen hergekommen bin. Aber Ottos Wnsche werden von uns respektiert.

Hendrik konnte nur flstern: Ich mu die Polizei anrufen, wenn Sie nicht auf der Stelle verschwinden!

Daraufhin wurde das Gelchter des Menschen beinahe herzlich. Du wrest dazu imstande, Gensse! rief er aufgerumt. Hendrik ffnete, so unauffllig es sich irgend machen lie, eine Schublade des Schreibtisches und lie einen Revolver in seine Tasche gleiten. Er hoffte, der Gast im Fenster wrde es nicht bemerken; aber der rief schon - wobei er sich mit einer hchst verchtlichen Gebrde die Mtze aus der Stirne schob: Das Ding httest du auch in der Schublade lassen knnen, Herr Intendant. Hat doch gar keinen Zweck zu knallen - das macht dir nur Unannehmlichkeiten. Wovor hast du denn Angst? Ich hab dir doch eben gesagt, da ich dir diesmal nichts tun werde.

Der Mann war viel jnger, als Hendrik zunchst geglaubt hatte: Nun, da der Schatten der Mtze nicht mehr auf seiner Stirne lag, stellte es sich heraus. Er hatte ein schnes, wildes Gesicht mit breiten slawischen Wangenknochen und merkwrdig hellen, stark grnen Augen. Brauen und Wimpern hatten die rtliche Farbe, welche auch die dicken und harten Bartstoppeln zeigten. brigens war auch die Haut seines Gesichtes von einem leuchtenden Ziegelrot, wie man es bei Leuten findet, die den ganzen Tag im Freien arbeiten oder herumliegen und sich von der Sonne anscheinen lassen.