»Hihi, das geschieht ihr recht«, sagte Johann-Ein-Öre, »hihi, da steht sie dann ohne uns! Soll sie doch merken, wie das ist!«
Darüber lachten alle zufrieden. Als sie aber nachher in die weihnachtliche Küche von Katthult kamen und Michel fünf große Kerzen anzündete, deren Schein sich in den frisch gescheuerten Kupferkesseln an den Wänden spiegelte, sodass alles schimmerte und glänzte, da waren sie zuerst ganz still und Stolle-Jocke glaubte, er sei schon im Himmel.
»Seht, da sind Lichter und Seligkeiten ohne Grenzen ...«, sagte er und weinte, denn weinen, das tat Stolle-Jocke immer, ganz gleich, ob er nun glücklich war oder traurig.
Aber da sagte Micheclass="underline" »Jetzt wird hier aufgefahren!«
Und es wurde aufgefahren. Michel und Alfred und Klein-Ida holten alles, was sie nur schleppen konnten, aus der Speisekammer. Und nun sollst du wissen, was auf dem Küchentisch von Katthult an diesem ersten Weihnachtstag stand, als sie endlich alles aufgetragen hatten.
Da standen:
eine Schüssel mit Blutklößen,
eine Schüssel mit Schweinswürsten,
eine Schüssel mit Sülze,
eine Schüssel mit Leberpastete,
eine Schüssel mit Knackwürsten,
eine Schüssel mit Fleischklößen,
eine Schüssel mit Kalbskoteletts,
eine Schüssel mit gepökelten Schweinerippchen,
eine Schüssel mit kalter Bratwurst,
eine Schüssel mit frischer Leberwurst,
eine Schüssel mit Heringssalat,
eine Schüssel mit Rauchfleisch,
eine Schüssel mit leicht gesalzener Ochsenzunge,
eine Schüssel mit Rosinen-Grützwurst,
eine Platte mit dem großen Weihnachtsschinken,
eine Platte mit dem großen Weihnachtskäse,
ein Korb mit Weißbrot,
eine Schüssel mit Sirupbrot,
ein Korb mit feinem Roggenbrot,
eine Kanne Fruchtsaft, eine Kanne Milch,
eine Schüssel mit Buchweizengrütze, eine Platte mit Käsekuchen, eine Schale mit Backpflaumen, eine Platte mit Apfelkuchen, eine Schüssel mit Schlagsahne, eine Schale mit Erdbeerkompott, eine Schale mit Ingwerbirnen und
ein kleines, im Ganzen gebratenes Spanferkel mit weißem Kandiszucker garniert.
Das war alles, glaube ich. Ich kann nicht mehr als drei, höchstens vier, na ja, sagen wir sicherheitshalber fünf Sachen vergessen haben - sonst aber habe ich alles aufgezählt.
Und da saßen sie um den Tisch, die Armenhäusler aus Lönneberga, sehr geduldig saßen sie da und warteten, aber bei jeder Schüssel, die herbeigetragen wurde, waren sie zu Tränen gerührt.
Schließlich sagte Micheclass="underline" »Bitte schön und nun haut rein!«
Wirklich, sie hieben hinein, das taten sie, und so, dass es zu hören war.
Alfred, Michel und Klein-Ida aßen auch. Ida konnte
nicht mehr als ein paar Fleischklöße runterbekommen, weil sie angefangen hatte zu denken. Sie fing an sich zu fragen, ob dies hier nicht doch Unfug war. Ihr fiel plötzlich ein, dass morgen, am zweiten Weihnachtstag, die Verwandten aus Ingatorp nach Katthult kommen wollten. Und hier wurde das Festessen von morgen schon heute aufgegessen. Sie hörte, wie es um den Tisch herum knabberte und knackte und schlürfte und schmatzte. Es war, als hätte sich ein Rudel Raubtiere über die Schüsseln und Schalen und Kannen hergemacht. Klein-Ida begriff: So isst nur der, der richtig ausgehungert ist, aber es war trotzdem schrecklich. Sie zog Michel am Ärmel und flüsterte, damit niemand außer ihm es hören konnte:
»Bist du sicher, dass dies hier kein Unfug ist? Denk dran, morgen kommen die aus Ingatorp!«
»Die sind schon dick genug«, sagte Michel ruhig. »Es ist doch wohl besser, das Essen kommt dahin, wo es was nützt.«
Aber danach machte er sich doch ein bisschen Sorgen, denn es sah aus, als würde nicht einmal ein halbes Fleischklößchen übrig bleiben, wenn dieser Festschmaus vorbei war. Was nicht in die Münder gestopft wurde, verschwand in Taschen und Beuteln und im Nu waren die Schüsseln leer.
»Jetzt hab ich großes Aufräumen mit den Schweinerippchen gemacht«, sagte Kalle-Karo und kaute auf dem letzten Knochen herum.
»Und ich habe nun großes Aufräumen mit dem Heringssalat gemacht«, sagte Lumpen-Fia.
»Großes Aufräumen« sagten sie, und das bedeutete, dass sie alles verputzt hatten, sodass die Schüsseln jetzt leer waren.
»Nun haben wir großes Aufräumen mit allem gemacht«, sagte Trödel-Niklas zum Schluss und ein wahreres Wort hatte er nie gesprochen.
Deshalb wurde dieses Festessen später für alle Zeiten »Das große Aufräumen von Katthult« genannt, denn du musst wissen, dass man davon noch lange danach in Lönneberga und den anderen Gemeinden redete.
Nur eins war jetzt noch übrig, und das war das knusprig gebratene Spanferkel. Es stand auf dem Tisch und glotzte wehmütig aus seinen Kandiszuckeraugen.
»Hu, das Schwein sieht aus wie ein kleines Gespenst«, sagte Lumpen-Fia. »An das trau ich mich nicht ran!« Sie hatte noch nie ein im Ganzen gebratenes Spanferkel gesehen, ebenso wenig wie die anderen. Deshalb hatten sie so etwas wie Respekt vor diesem Ferkel und rührten es nicht an.
»Es ist wohl nicht noch eine kleine Wurst übrig?«, fragte Kalle-Karo, als alle Schüsseln geleert waren.
Aber da sagte Michel, dass es auf ganz Katthult in diesem Augenblick nur noch eine einzige Wurst gäbe, und die stecke auf einem Stock draußen in seiner
Wolfsgrube. Dort solle sie auch bleiben als Köder für den Wolf, auf den er warte. Nein, die konnte KalleKaro nicht bekommen und ein anderer auch nicht.
Da stieß die Vibergsche einen Schrei aus. »Salia Amalia!«, schrie sie. »Die haben wir vergessen!« Ratsuchend blickte sie umher und ihre Augen blieben an dem Spanferkel hängen.
»Dann kann sie wohl das dort bekommen, die Amalia? Wenn es auch aussieht wie ein Gespenst. Oder was meinst du, Michel?«
»Ja, sie muss es wohl haben«, sagte Michel mit einem Seufzer.
Nun waren sie alle so satt, dass sie sich kaum noch rühren konnten, und es war völlig unmöglich, dass sie sich auf ihren eigenen Beinen ins Armenhaus zurückschleppten.
»Wir müssen wohl den Holzschlitten nehmen«, sagte Michel.
Und so geschah es auch. Sie hatten auf Katthult ein langes und großes Ungetüm von einem Holzschlitten, er wurde als Lastenschlitten benutzt. Auf dem Lastenschlitten konnte man so viele Armenhäusler befördern, wie man wollte, auch wenn sie zufällig etwas dicker waren als sonst.
Es war jetzt Abend und am Himmel leuchteten die Sterne. Vollmond war auch und überall Neuschnee und mildes, herrliches Wetter, ein schöner Abend für eine Schlittenfahrt. Michel und Alfred halfen allen auf den Schlitten. Ganz vorn saß die Vibergsche mit dem Spanferkel, dann der Reihe nach alle anderen und ganz hinten Klein-Ida und Michel und Alfred.
»Jetzt geht’s los!«, schrie Michel. Und es ging los, die Katthulthügel hinunter, dass der Schnee nur so stob und die Alten auf dem Schlitten vor Freude kreischten, denn es war ja schon lange her, dass sie Schlitten gefahren waren. Oh, wie sie schrien! Nur das Spanferkel vorn stand ganz still zwischen den Händen der Viberg-schen und glotzte gespenstisch ins Mondlicht.
Na, aber die Maduskan, was tat die inzwischen? Ja, davon sollst du hören. Ich wünschte, dass du sie sehen könntest, wie sie von Skorphult, von ihrer Käsekuchentour zurückkam! Sieh nur, wie sie da ankommt mit ihrem grauen Wolltuch, fett und zufrieden, und wie sie den Schlüssel hervorholt und wie sie ihn ins Schloss steckt - sie gluckst vor Vergnügen, als sie daran denkt, wie bescheiden und zahm sie jetzt sein werden, all die Armen dort drinnen. Jaja, jaja, sie sollen es endlich lernen, wer hier bestimmt: Das ist allemal sie!