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Im Oktober wird es zeitig dunkel. Bald würde es dämmern, bald würde der Jahrmarktstag für immer vorbei sein. Die Marktbesucher dachten schon an ihre Heimfahrt und eigentlich hätten die Vimmerbyer auch allmählich anfangen müssen, sich in ihre Häuser zurückzuziehen, aber das wollten sie nicht. Sie wollten noch immer draußen auf den Straßen lachen und miteinander reden und Krach machen. Sie wirkten alle so seltsam aufgeregt - ja, aber bedenke, was für ein Tag das auch war! Jahrmarktstag und Geburtstag des Bürgermeisters und vielleicht der letzte Tag der Welt, falls dieser Komet nun tatsächlich angezischt kommen sollte. Du verstehst sicher, wie eigenartig es für die Vim-merbyer war, in der Dämmerung herumzugehen und zu warten und nicht zu wissen, ob es etwas Lustiges oder Schreckliches war, worauf sie warteten.

Wenn Menschen fröhlich und ängstlich zugleich sind, machen sie mehr Krach als gewöhnlich. Deshalb nahmen Leben und Lärm auf den Straßen immer mehr zu. In den Häusern aber war es still und friedlich und niemand war zu Hause als die Katzen und die eine oder andere Großmutter, die auf die Enkelkinder aufpassen musste.

»Wenn du schon einmal durch eine kleine Stadt wie Vimmerby geschlendert bist, vielleicht an einem Markttag und vielleicht gerade in der Dämmerung, dann weißt du, wie schön es ist, dort durch die kleinen kopfsteingepflasterten Straßen zu gehen und hinter den Fenstern der kleinen Häuser die Großmütter und Enkelkinder und Katzen zu sehen. Und du weißt auch, wie spannend es ist, durch finstere Gänge und Tore zu schleichen und in dunkle Höfe zu kommen, wo die Marktbesucher ihre Fuhrwerke abgestellt haben und nun noch herumstehen, eine Flasche Bier in der Hand, bevor sie anspannen und heimfahren.«

Michel fand es auch schön und spannend. Bald hatte er vergessen, wie unzufrieden er eben noch gewesen war, und er war sicher, dass er Alfred früher oder später finden würde. Er fand ihn auch, aber zuerst fand er etwas anderes.

Wie er so durch eine kleine Gasse ging, hörte er den wildesten Lärm aus einem dunklen Hof. Er hörte Männer, die fluchten und schimpften, und ein Pferd, das wieherte. Rasch huschte Michel durch das Tor hinein, um rauszukriegen, was da los war. Was er sah, war wirklich keine Freude für ihn. In diesem Hof war eine alte Hufschmiede und im Schein des Feuers sah er mitten in einem Haufen aufgeregter, wütender Männer sein Pferd, sein schönes braunes Pferdchen.

Und rat mal, warum sie wütend waren? Nur, weil das braune Pferd sich keine Hufeisen aufnageln lassen wollte. Sobald der Hufschmied ein Bein des Pferdes hochzuheben versuchte, legte es los mit den wildesten Sprüngen, mit Ausschlagen und Bocken, dass die Männer nur so auseinander stoben. Der Schmied raufte sich die Haare und wusste nicht, was er machen sollte.

»In meinem Leben habe ich schon viele Pferde beschlagen«, sagte er, »aber so eins ist mir noch nie vorgekommen.«

Du weißt vielleicht nicht, was ein Hufschmied ist? Das ist ein Mann, der den Pferden Schuhe anpasst. Ja, Pferde brauchen Schuhe genau wie du, sie würden sonst ihre Hufe abnutzen und auf abschüssigen Wegen rutschen und sehr schlecht laufen können. Natürlich haben sie keine gewöhnlichen Schuhe an, sondern gebogene Eisen, die man auf den Hufen festnagelt: ganz einfach Hufeisen - falls du solche schon mal gesehen hast.

Das braune Pferd aber hatte sich offensichtlich entschlossen keine Eisen zu dulden. Es stand so still und fromm, wie man es sich nur wünschen konnte, solange niemand eins der Hinterbeine berührte; kam aber der Hufschmied mit seiner Hand und streifte ein Bein, dann begann derselbe wilde Zirkus wie vorher, und das Pferd stieß sich frei, obwohl ein halbes Dutzend Männer es zu halten versuchten. Der Pferdehändler aus Malilla, der das Pferd gekauft hatte, wurde von Mal zu Mal grimmiger.

»Jetzt mach ich’s selbst ...«, sagte er schließlich und packte energisch ein Hinterbein des Pferdes. Aber da bekam er einen Tritt, dass er sich mitten in eine Regenpfütze setzte.

»Jaja, so geht es«, sagte ein Bauer, der dastand und zusah. »Glaubt mir, es ist nicht möglich, dieses Pferd zu beschlagen, denn das haben die zu Hause in Tuna schon mindestens zwanzigmal versucht.« Da begriff der Pferdehändler, dass er bei seinem Pferdekauf betrogen worden war, und tobte noch mehr.

»Das Pferdevieh mag nehmen, wer will!«, schrie er.

»Wenn ich ihn nur los bin!« Und wer trat jetzt vor? Natürlich Michel.

»Ich kann ihn nehmen«, sagte er.

Da lachte der Pferdehändler.

»Du kleiner Dreikäsehoch?«

Er hatte es ja nicht ernst gemeint, dass er das Pferd weggeben wolle, aber weil so viele herumstanden und zuhörten, musste er jetzt versuchen, auf pfiffige Art aus der Klemme zu kommen, und deshalb sagte er: »Natürlich, du sollst das Pferd haben, wenn du es so festhalten kannst, dass wir es beschlagen können!« Darüber lachten alle, die dort standen, denn sie hatten es ja selbst versucht und wussten, dass dies ein Pferd war, das niemand halten konnte.

Aber du darfst nicht glauben, dass Michel dumm war.

Er wusste mehr über Pferde als irgendeiner in ganz Lönneberga und in ganz Smaland, und als das braune Pferd am wildesten ausschlug und herumsprang und wieherte, da dachte Micheclass="underline" Es stellt sich genauso an wie Lina zu Hause, wenn man sie kitzelt! Genauso war es und Michel war der Einzige, der das begriff. Das Pferd war ganz einfach kitzlig. Deshalb schnaubte es und stieß und schlug aus wie Lina, und wenn es so laut wieherte, dann nur, weil es sich, genau wie Lina, totlachte, sobald jemand seine Hinterbeine berührte. Du weißt ja selbst, wie das ist, wenn man gekitzelt wird.

Michel ging also zu dem Pferd und nahm dessen Kopf zwischen seine kleinen starken Hände.

»Hör mal, du«, sagte er, »mach jetzt keinen Ärger. Du sollst Hufeisen bekommen. Ich versprech dir, dich nicht zu kitzeln.«

Rate, was Michel dann machte! Er ging hinter das Pferd und nahm mit einem schnellen Griff einen Hinterhuf und hob ihn hoch. Das Pferd drehte nur den Kopf und guckte Michel so freundlich an, als wollte es sehen, was Michel eigentlich vorhatte. Denn, siehst du, in den Hufen hat ein Pferd nicht mehr Gefühl, als du in deinen Nägeln hast, und nun verstehst du sicher, dass es dort kein bisschen kitzlig ist.

»Bitte sehr«, sagte Michel zum Schmied, »kommen Sie mit dem Hufeisen! Ich halte fest.«

Da ging ein Raunen durch die Reihe der Männer und es raunte weiter, während Michel dem Hufschmied half, unter alle vier Hufe des Pferdes Eisen zu nageln.

Aber als das erledigt war, begann der Pferdehändler sich zu winden. Er wusste zwar, was er versprochen hatte, aber er wollte dieses Versprechen nicht halten.

Stattdessen nahm er einen Fünfkronenschein aus seiner Brieftasche und wollte ihn Michel geben.

»Das reicht wohl«, sagte er.

Da wurden die Bauern aber böse. Sie waren alle, wie sie dort standen, ehrenwert, und sie waren gewohnt ihr Wort zu halten.

»Versuch das gar nicht erst«, sagten sie. »Der Junge bekommt das Pferd!«

Und dabei blieb es. Der Pferdehändler war reich, das wussten alle, und anstandshalber musste er zu seinem Wort stehen.

»Na gut, dreihundert Kronen sind ja nicht die Welt«, sagte er. »Nimm das Pferdevieh und verschwinde!« Rate, ob Michel froh war! Er sprang auf sein frisch beschlagenes Pferd und ritt durch das Tor wie der kühnste General. Alle Bauern schrien »Hurra!« und der Hufschmied sagte:

»Solche Sachen sind das, die passieren, wenn Jahrmarkt in Vimmerby ist!«

Michel aber ritt durch das Marktgetümmel, glücklich und stolz, dass es um ihn herum nur so funkelte. Und auf der Hauptstraße, mitten im ärgsten Menschengewimmel, kam ihm tatsächlich Alfred entgegen.

Er blieb mit einem Ruck stehen und riss die Augen auf.