Выбрать главу

»Gute Idee!« Mums Gesicht leuchtet auf. »Die hatte ich ganz vergessen.«

»Jep, ich hab die Unterlagen hier ...  Luke geht an mir vorbei zur Treppe, mit dem Telefon in der Hand. »Wenn du mal einen Blick auf die Vereinbarung mit Sanderson werfen könntest ... Okay. Ich bin um drei im Büro. Muss hier nur noch ein paar Sachen regeln. Danke, Gary.

»Luke! ,sage ich pikiert, als er auflegt. »Weihnachten bedeutet doch mehr, als ein paar Sachen regeln. »Stimmt, sagt Luke, ohne auch nur einen Moment stehen zu bleiben. »Andererseits ist gar nicht mehr Weihnachten.« Ehrlich. Kann er denn überhaupt den Weihnachtszauber genießen?

»Ist es wohl.«

»Im Bloomwood-Land vielleicht. Überall sonst ist 28. Dezember, und die Menschen leben ihr Leben weiter. Er ist so was von prosaisch. »Okay, vielleicht ist nicht gerade Erster Weihnachtstag, sage ich verärgert. »Aber es ist unser zweites Weihnachtsfest. Es ist unser spezielles Weihnachten für Jess und Tom, und das ist genauso wichtig, und du könntest wenigstens versuchen, dich etwas festlich zu geben!

Dieses doppelte Weihnachtsfest ist einfach toll. Ich finde, das sollten wir jedes Jahr so machen. Es könnte eine Familientradition werden.

»Meine Liebste.« Luke bleibt auf halber Treppe stehen und zählt an seinen Fingern ab. »Erstens: Ist es nicht so wichtig. Zweitens: Muss ich diese vertragliche Sache heute regeln. Drittens: Sind Tom und Jess noch nicht mal da.«

Heute Nacht kam eine SMS von Jess und Tom, dass ihre Maschine von Chile Verspätung hat. Seitdem kommt Janice ungefähr alle zwanzig Minuten rüber, um nachzufragen, ob wir schon was Neues gehört haben und ob es irgendwelche Abstürze oder Entführungen gegeben hat.

Sie ist noch überdrehter als sonst, und wir wissen alle, wieso: Sie hofft inständig, dass Tom und Jess sich verlobt haben. Offenbar hat Tom in seiner letzten E-Mail geschrieben, er hätte ihr »etwas zu sagen.« Neulich habe ich gehört, wie sie sich mit Mum unterhalten hat. Janice kann es augenscheinlich kaum erwarten, die Hochzeit der beiden auszurichten. Sie hat schon alle möglichen Ideen für den Blumenschmuck und das Hochzeitsfoto (das könnte man vor der Magnolie machen), und obendrein würde dies »die Erinnerung an dieses undankbare, kleine Flittchen auslöschen. (Lucy,Toms erste Frau. Die blöde Kuh.)

»Apropos, wieso um alles in der Welt hat Minnie heute Morgen schon wieder einen Strumpf bekommen?, fügt Luke hinzu, im Flüsterton. »Wessen Idee war das?

»Das war ... die Idee vom Weihnachtsmann«, sage ich etwas bockig. »Hast du denn eigentlich gemerkt, wie gut sie sich heute benimmt?«

Minnie hilft Mum schon den ganzen Morgen in der Küche, und sie war absolut perfekt, abgesehen von einem kurzen Problem mit dem Mixer, das ich Luke gegenüber nicht erwähnen werde.

»Ich bin mir sicher, sie ist. .. «, setzt Luke an, als es an der Tür klingelt. »Das können sie nicht sein.« Er sieht auf seine Uhr, macht ein verdutztes Gesicht. »Sie sind noch in der Luft.«

»Ist das Jess?«, ruft Mum aufgeregt aus der Küche. »Hat schon jemand Janice Bescheid gesagt?«

»Das kann noch nicht Jess sein!«, rufe ich zurück. »Bestimmt ist Suze zu früh dran.« Eilig laufe ich zur Haustür und reiße sie auf -und tatsächlich steht da die versammelte Familie Cleath-Stuart, wie auf einem Foto aus dem Katalog.

Suze sieht mit ihren blonden Haaren in dem schwarzen Lammfellmantel einfach atemberaubend aus, Tarquin in seiner uralten Barbour-Jacke wie immer, und die drei Kinder bestehen nur aus schlaksigen Beinen, riesigen Augen und Shetland Pullis.

»Suze!« Ich schlinge meine Arme um sie.

»Bex! Fröhliche Weihnachten!«

»Fröhliche Weihnachten!«, ruft Clemmie, nuckelt am Daumen und hält sich an Suzes Hand fest.

»Und frohes neues Haar!«, stimmt Ernest mit ein, der mein Patenkind ist und jetzt schon wie eine dürre Bohnenstange aus der Upper Class aussieht. (»Frohes neues Haar« ist ein alter Spruch in der Cleath-Stuart-Familie. Genau wie »Happy Bad Day« statt »Happy Birthday«. Davon gibt es unheimlich viele, die sollten sie mal alle aufschreiben.«  Unsicher blickt er zu Suze auf, die auffordernd nickt -dann reicht er mir in aller Form die Hand, als begegneten wir uns zum ersten Mal-auf einem Botschaftsempfang. Ich schüttle sie feierlich, dann drücke ich ihn an mich, bis er kichert.

»Suzie, Schätzchen! Frohe Weihnachten!« Mum kommt zur Haustür und schließt sie in die Arme. »Und Tark ... « Abrupt hält sie inne. »Lord ... « Unsicher sieht sie mich an. »Eure Lordschaft ... heit.« 

»Ach ... bitte, Mrs. Bloomwood.« Tarkie ist rot angelaufen. »Tarquin reicht völlig.« 

Tarkies Großvater ist vor zwei Monaten an einer Lungenentzündung gestorben. Was wirklich tragisch war und alles, aber andererseits war er schon sechsundneunzig. Egal, entscheidend ist, dass Tarkies Dad den Titel eines Earl geerbt hat -Tarkie wird eines Tages Lord sein! Lord Jarquin Cleath-Stuart, was Suze dann zu einer Lady macht. Das ist alles dermaßen erwachsen und vornehm, dass ich es kaum fassen kann. Außerdem haben sie jetzt sogar noch mehr Fantastillionen an Geld und Land und Zeugs als vorher. Ihr neues Haus liegt in Hampshire, kaum eine halbe Stunde von hier. Es heißt Letherby Hall und sieht aus wie in Wiedersehen mit Brideshead, aber sie wohnen nicht mal die ganze Zeit da, denn sie haben auch noch ein Haus in Chelsea.

Man sollte meinen, Tarkie müsste sich einen neuen Schal leisten können. Er wickelt ein absolut fadenscheiniges, abgewetztes, altes Ding von seinem Hals, das aussieht, als hätte seine alte Amme es ihm vor zwanzig Jahren gestrickt. Na ja, vermutlich war es auch so.

»Hast du was Hübsches zu Weihnachten bekommen, Tarkie?«, frage ich.

Ich habe ihm dieses echt coole Aromatherapie-Zerstäuber Dings gekauft, das er bestimmt toll findet. Oder besser: Suze.

»Absolut.« Er nickt begeistert. »Suze hat mir einen wunderschönen Merino-Bock gekauft. Eine echte Überraschung.«

Bock? Meint er Rock?

»Das klingt ja toll!«, rufe ich. »Merino ist jetzt dermaßen in. Du solltest dir mal die neue John-Smedley-Kollektion ansehen. Die würde dir gefallen.« »John Smedley?« Tarkie wirkt etwas verdutzt. »Den Namen kenne ich nicht. Ist das ... ein Züchter?«

»Der Strickdesigner. Weißt du, du könntest einen Rollkragenpulli zu deinem Schottenrock tragen«, sage ich, einer plötzlichen Eingebung folgend. »Das ist ein echt cooler Look.«

Tarkie hat total den Faden verloren, und Suze prustet vor Lachen laut heraus. » Bex, ich habe ihm keinen Rock geschenkt, sondern einen Bock. Ein unkastriertes Schaf. « Ein unkastriertes Schaf? Was ist das denn für ein Weihnachtsgeschenk?

»Oh, verstehe.« Ich gebe mir alle Mühe, etwas Begeisterung aufzubringen. »Natürlich. Ein unkastriertes Schaf! Äh ... zauberhaft.«

»Keine Sorge, er hat auch noch eine Jacke von mir bekommen«, fügt Suze hinzu und grinst mich an. »Für meine Fahrradtouren«, stimmt Tarkie mit ein. »Die ist total super, Liebling!«

Ich hin klug genug, nicht »Oh, cool, eine von Belstaff?«, zu sagen. Mit »Fahrrad« meint Tarkie nicht dasselbe wie die meisten Menschen. Und tatsächlich scrollt Suze durch die Fotos in ihrem Handy und zeigt mir ein Bild von Tarkie im Tweed-Jackett, kauernd auf einem antiken Hochrad. Er hat Unmengen antiker Fahrräder -manchmal verleiht er sie sogar als Requisiten an Fernsehproduktionen und zeigt denen, wie man in alten Zeiten darauf gefahren ist. (Leider hört man ihm nicht immer richtig zu. Und dann sieht Tarkie den Film im Fernsehen, und die machen es falsch, und er ist total deprimiert.)