Bisher hat alles perfekt geklappt. Als Luke sein Dinnerjacket anhatte und ich mein göttliches, grünes Kleid, haben wir uns mit unseren Drinks auf die kleinen Stühle überall im Saal verteilt, und eine Zirkustruppe hat überall um uns herum in den Bäumen des Waldes die unglaublichsten akrobatischen Kunststücke vorgeführt, zu pompöser Musik und Laserblitzen.
Dann kamen die Feuerschlucker -eine tschechische Truppe, die alle möglichen Tricks beherrscht. (Sie haben die Alonzol Alvin-Nummer mit eingebaut, weil ich sie darum gebeten habe, und er sah die ganze Zeit über etwas panisch, aber selig aus.)
Dann kam ein riesiger Bildschirm von der Decke, und Musik setzte ein, und alle YouTube-Grüße an Luke liefen ab, und ich musste fast weinen.
Okay. Ich habe tatsächlich ein paar Tränen weggeblinzelt.
Nicht, dass irgendwelche Clips besonders gut gewesen wären. Ich meine, wenn ein paar Marketingleute aus Kettering ein schwachsinniges ,»Happy Birthday Luke da Man« in ein wackliges Handy rappen, ist das nicht gerade Die Geschichte vom Weinenden Kamel. Aber entscheidend war die Tatsache, dass sie es überhaupt getan haben. Leute, die ich nicht mal kenne, gratulierten Luke zum Geburtstag. Sogar richtige Berühmtheiten.
Sobald Sage auf dem Bildschirm erschien, fuhr Lukes Kopf zu mir herum, und er sagte:
»Wie zum ... «
Und da musste ich doch lachen und habe ihm ins Ohr geflüstert: »Luke, sieh es ein. Es hat keinen Sinn, etwas vor mir zu verheimlichen.« Ich hatte erwartet, dass er auch lachen würde, aber das tat er nicht. Offen gesagt, sah er ein kleines bisschen erschrocken aus.
Dann nahmen wir zu einem fantastischen Festmahl in der »Long Gallery« Platz, die mit Blumengirlanden und noch mehr Plastiktroddeln dekoriert war. (Ich habe echt viele gemacht.) Es folgten diverse Ansprachen, und Luke hat sich bei allen hunderttausend Mal bedankt, und ich habe mich bei allen hunderttausend Mal bedankt. Dann hat Luke eine wirklich zu Herzen gehende Rede über Annabel und das Puppentheater gehalten und darüber, dass ihm diese Erinnerung besonders viel bedeutete und dass wir das gleiche Theater für Minnie gekauft hätten und er hoffte, dass sie eines Tages so ähnliche Erinnerungen an ihn haben würde. Und alle tupften an ihren Augen herum.
Ach, und er hat auch ein paar nette Sachen über mich gesagt. Ihr wisst schon.
Dann kam der Kaffee mit Suzes speziellem »Luke's Walnut Shortbread«, und wieder oohten und aahten alle, und ich sah Suze an und sagte lautlos: »Danke!«
Da erklomm die Band die Bühne in der »East Hall« (alle Räume bei Suze haben Namen). Und jetzt wird da getanzt, und es gibt eine riesige Lounge mit entspannter Musik und Sofas, und die Leute treiben sich noch immer im Saal des Sommernachtstraums herum, und später wird es Eiskrem und Feuerwerk und einen Stand-up-Comedian geben, nur weiß Luke davon noch nichts.
Ich beobachte ihn von meinem Sitzplatz am Bach. Er ist von alten Freunden umringt, hält Minnie im Arm, und ich habe sein Gesicht schon lange nicht mehr so leuchten sehen, jedenfalls seit ...
Ich weiß nicht. Schon viel zu lange.
Gerade überlege ich, zu welchem Cocktail ich als Nächstes übergehen sollte, als Suze in ihrem Kleid zu mir herangerauscht kommt, das -wie ich zugeben muss -fast so toll ist wie meins. Es ist dunkelrot mit einer Schleppe, und sie hat es in Paris bei Christian Dior gekauft und will mir nicht verraten, was es gekostet hat, was bedeutet, dass es bestimmt Fantastillionen waren.
»Bex, ich weiß nicht, was ich machen soll mit ...« Sie stutzt, dann sagt sie lautlos: »Elinor.«
»Was ist mit ihr?« Nervös blicke ich mich um, ob Luke irgendwo in der Nähe ist. Suze beugt sich zu mir herab und haucht mir ins Ohr: »Sie ist immer noch hier.«
Mich trifft der Schlag. Sie ist hier?
Tausend Mal hat Elinor gesagt, dass sie nicht zur Party bleiben wolle. Sie meinte, sie wolle weg sein, bevor wir kommen. Ich war einfach davon ausgegangen, dass sie längst abgedüst war.
»Aber wo ... ?« Hektisch sehe ich mich um.
»Es ist meine Schuld.« Suze zerknittert ihr Gesicht. »Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass sie von alldem nichts mitbekommt. Nach allem, was sie getan hat. Ich wusste, dass sie nicht zur Party kommen wollte ... also habe ich ihr angeboten, dass sie sich im Priestergang verstecken und zusehen könnte.«
Vielsagend blickt Suze auf, und ich folge ihrem Blick. Im ersten Stock befindet sich ein winziger, schmiedeeiserner Balkon, der mir bisher eigentlich nicht aufgefallen war. Aber er ist leer.
»Ich verstehe nicht«, sage ich begriffsstutzig. »Wo ist sie denn?«
»Versteckt sich hinter einem verborgenen Paneel und guckt durch ein kleines Loch.« Suze kaut bedrückt auf ihrer Lippe herum. »Sie hat gesagt, sie wollte nur sehen, wie du mit Luke eintriffst, um sicherzugehen, dass auch alles klappt. Sie sagte, danach wolle sie sich raus schleichen. Aber ich hab Tarkie gerade losgeschickt, damit er mal nach ihrem Wagen sieht, und der parkt noch immer an derselben Stelle. Sie muss immer noch da sein! Sie hat nichts gegessen und steht in dieser engen Kammer ... ich mache mir Sorgen. Was ist, wenn ihr schwindlig wird? Ich meine, wie alt ist sie eigentlich?«
Oh, Gott. Das Ganze könnte schrecklich schiefgehen. Ich sehe zu Luke hinüber, aber er lacht über irgendwas und scheint mich gar nicht zu bemerken. »Komm, gehen wir!«
Die Stufen zum Priestergang sind eng und staubig, und ich raffe mein kostbares Valentino-Kleid zusammen. Als Suze vorsichtig eine kleine Holztür aufdrückt, sehe ich als Erstes Elinors Schultern, schmal und starr. Sie presst ihr Gesicht an die Holzplatte vor sich und sieht aus wie eine Statue. Sie hat uns nicht mal gehört.
»Elinor?«, flüstere ich, und sie fährt herum, mit einem kurzen Anflug von Panik auf ihrem blassen Gesicht.
»Keine Sorge! Ich bin's nur -und Suze. Wir haben dir eine Kleinigkeit zu essen mitgebracht.« Ich reiche ihr einen Teller mit kleinen Desserts, aber sie weicht zurück.
»Ich muss los!«
»Nein, das musst du nicht. Wir wollten nur sichergehen, dass alles in Ordnung ist.« »Luke vermutet mich nicht hier? »Nein. Absolut nicht.« Wir schweigen. Elinor geht wieder auf Posten, und ich sehe Suze an, die mich achselzuckend ansieht, als wollte sie sagen:»Was sollen wir jetzt machen?«
»Luke und Minnie scheinen sich sehr nahzustehen«, sagt Elinor mit dem Auge am Guckloch. »Er benimmt sich ihr gegenüber ganz natürlich.«
»Äh ... ja.«
»Deinen Eltern gegenüber auch.«
Ich antworte nicht. Das ist doch alles surreal. Wie bin ich nur in diese Lage geraten? Wie kann ich mich mit meiner reichen, bösen Schwiegermutter in eine enge Kammer drängen, damit wir uns gemeinsam vor dem Mann verstecken können, der uns miteinander verbindet?
Und wie kann es sein, dass mir danach zumute ist, sie in den Arm zu nehmen, wie man es in richtigen Familien tut? Sie zu befreien und aus diesem dunklen Versteck zu holen, hinaus ins Licht und in die Herzlichkeit dieser Party? Noch nie ist sie mir so verletzlich und einsam vorgekommen wie in diesem Augenblick. Nur ihretwegen amüsieren wir uns königlich.
»Es ist einfach toll da unten ... « Ich strecke eine Hand aus und drücke ihren Arm. »Alle sagen, es ist die beste Party, auf der sie jemals waren.«
»Hat sich Luke gefreut?« Sie dreht sich um. »Oh, mein Gott, ja! Er ist fast hintenübergefallen! Hast du sein Gesicht gesehen?«