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»Kommt mit in die Küche, Kinder! Da gibt es Saft und Kekse.« Wie eine Henne treibt Mum Ernest, Clementine und Wilfred zusammen. »Wo ist Minnie? Minnie, Schätzchen, komm und begrüß deine Freunde!«

Wie ein Feuerball rast Minnie aus der Küche in den Flur, in ihrem roten Weihnachtskleid mit dem rot glitzernden Bommelhut und pinkfarbenen Feenflügeln, die sie nicht mehr ablegen wollte, seit sie die in ihrem Strumpf gefunden hat.

»Ketchup!«, schreit sie triumphierend und zielt mit der Flasche direkt auf Suzes Kleid.

Mein Herz setzt einen Schlag aus.

Oh, nein. Oh, nein, oh, nein. Woher hat sie die? Wir stellen den Ketchup doch inzwischen immer auf das oberste Regal, seit. .. „Minnie, nein! Nein!« Ich greife nach der Flasche, doch sie weicht mir aus. „Minnie», gib das Ding her! UJag nicht ...«  „Ketchup!“ Ein roter Strahl schießt durch die Luft, bevor ich reagieren kann.

»N eeeeiiin!«

»Minnie!«

»Suze!« 

Es ist wie in Apocalypse Now. Ich sehe alles in Zeitlupe. Suze stöhnt auf und weicht zurück, und Tarquin stürzt sich vor sie, und der Ketchup spritzt als Riesenklecks auf seine Barbour-Jacke.

Ich wage nicht, Luke anzusehen. „Gib das her!“ Ich reiße Minnie den Ketchup aus der Hand. »Böses Mädchen! Suze, Tarkie, es tut mir so leid ... «

»Ich entschuldige mich in aller Form für das ungehörige Betragen unserer Tochter«, sagt Luke«, mit bedeutsamer Schärfe in der Stimme.

»Ach, kein Problem«, sagt Suze. »Sie hat es bestimmt nur aus Versehen getan, nicht, mein kleiner Schatz?« Sie verwuschelt Minnies Haar.

»Absolut«, stimmt Tarkie mit ein.« Nichts passiert. Wenn ich nur mal kurz ... « Unbeholfen deutet er auf den Ketchup, der vorn von seiner Jacke tropft.

« Selbstverständlich!« Hastig nehme ich ihm die Jacke ab.Gut reagiert, Tarkie«, kann ich mir nicht verkneifen. Du warst echt schnell.«

»Ach, das war doch gar nichts.« Er wirkt etwas beschämt. »Jeder einigermaßen anständige Bursche hätte das getan.«

Da zeigt sich nur mal wieder, wie innig er Suze liebt. Ohne auch nur einen Augenblick zu zögern, ist er ihr beigesprungen. Wenn das nicht romantisch ist.

Ich frage mich, ob Luke mich vor einer Salve Tomatenketchup retten würde. Vielleicht frage ich ihn später. Nur so aus Interesse.

»Luke«, sagt Tarquin ein wenig zaghaft, als sie sich die Hand geben.« Könnte ich dich vielleicht mal kurz belästigen?« »Kein Problem.« Luke sieht etwas überrascht aus.  »Wollen wir ins Wohnzimmer gehen?« »Ich nehme die Kinder mit in die Küche und kümmere mich um diese Jacke ... « Mum nimmt sie mir aus der Hand.

»Und Bex, du kannst mir die Sachen zeigen, die du aus dem Schlussverkauf hast!«, sagt Suze begeistert. »Ich meine ... äh ... wir können uns über die Kinder unterhalten«, verbessert sie sich eilig, als ich heimlich nach ihr trete.

Als wir auf meinem Bett fläzen und ich anfange, das ganze Zeug auszupacken, das ich nach Weihnachten gekauft habe, komme ich mir vor wie in alten Zeiten, als Suze und ich uns eine Wohnung in Fulham geteilt haben.

»Das hier werde ich bei der Taufe tragen.« Ich schüttle mein brandneues Kleid im Russenstil aus. »Fantastisch!«, sagt Suze, während sie meine neue Lederjacke anprobiert. »Noch besser als auf dem Bild.«

Ich habe Suze ein paar Fotos vom Ausverkauf gesimst, und sie hat mir ihre Meinung gesagt. Und im Gegenzug hat sie mir ein paar Fotos von sich und Tarkie beim Moorhuhnknüppeln oderTaubenschießen, oder was auch immer sie da treiben mögen, geschickt.

Suze ist so lieb und loyal, genau wie die Queen. Sie beklagt sich nie. Mal ehrlich, wo wäre man wohl lieber? Inirgendeinem eiskalten Moor oder bei Selfridges mit siebzig Prozent Rabatt?

»Und ta-daaah!« Ich hole meinen größten Fang hervor. Meinen Ally-Smith-Limited-Edition-Cardigan mit dem berühmten Knopf. »Oh, mein Gott!«, quiekt Suze. »Wo hast du den her? War er runtergesetzt?«

»Sechzig Prozent! Nur hundertzehn Pfund!«

»Sieh dir den Knopf an!« Suze streckt ihre Hand aus und streichelt ihn begehrlich.« Ist er nicht toll?« Selig strahle ich sie an.« Ich werde ihn so oft tragen, dass sich der Preis leicht auszahlt ... «

Die Tür geht auf, und Luke kommt herein.

»Oh, hi.« Instinktiv -bevor ich merke, dass ich es tue schiebe ich eine meiner Tüten unters Bett.

Es ist nicht wirklich so, als hätte er etwas dagegen einzuwenden. Ich meine, es ist ja mein Geld. Ich habe es selbst verdient, und ich kann damit machen, was ich will. Es ist nur so, dass Luke Mum und mich so verblüfft angestarrt hat, als wir gestern Morgen um sieben Uhr auf den Beinen waren, um zum Ausverkauf zu pilgern. Er sah erst uns an, dann die Geschenke, die noch unterm Baum lagen, und sagte: »Habt ihr denn noch nicht genug Sachen bekommen?«

Was nur zeigt, wie wenig er von irgendwas versteht. Weihnachtsgeschenke und Ausverkauf sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe. Das ist wie mit den ... Lebensmittelgruppen.

»Bex hat ein tolles Schnäppchen beim Schlussverkauf gemacht«, sagt Suze hilfreich. »Findest du ihren neuen Cardigan nicht auch hübsch?«

Luke sieht ihn sich an. Er dreht sich um und mustert mich einen Moment -dann wieder den Cardigan. Dann runzelt er die Stirn, als würde er sich wundern.

»Was hat er gekostet?« »Hundertzehn, sage ich trotzig. »Sechzig Prozent runtergesetzt. Designerstück. Limited Edition.« »Also ... du hast hundertzehn Pfund für eine Strickjacke ausgegeben, die genauso aussieht wie die, die du gerade trägst.« »Was?« Sprachlos blicke ich an mir herab. »Selbstverständlich nicht. Die ist total anders.«

»Die ist identisch.«

»Nein, ist sie nicht. Wie kannst du so was sagen?«

Es folgt eine kurze Pause. Wir starren einander an, als wollten wir sagen: »Habe ich einen Geisteskranken geheiratet?« »Beide sind hellbeige.« Luke zählt seine Finger ab. »Beide haben einen großen Knopf. Beide sind Strickjacken. Identisch.«

Ist er blind?

»Aber der Knopf sitzt an einer anderen Stelle«, erkläre ich. »Das verändert die ganze Form. Und diese hier hat ausgestellte Ärmel. Die sind kein bisschen ähnlich, oder,   Suze?«

»Völlig anders.« Suze nickt leidenschaftlich.

Seine Miene zeigt mir deutlich, dass Luke es nicht begreift. Manchmal frage ich mich, wie jemand, der so unaufmerksam ist, im Leben so erfolgreich sein kann.

»Und dieser Knopf ist rot«, fügt Suze hilfreich hinzu.

»Genau!« Ich deute auf den übergroßen Knopf mit den typischen Ally-Smith-Kristallen. »Darum geht es doch bei diesem Stück überhaupt -um diesen außergewöhnlichen Knopf. Er ist so was wie ... ein Erkennungszeichen.«

»Du hast also hundert Pfund für einen Knopf ausgegeben.«

Mein Gott, manchmal ist er aber auch nervig.

»Es ist eine Investition«, teile ich ihm frostig mit. »Gerade sagte ich zu Suze, ich werde ihn so oft tragen, dass er sich ohne Weiteres auszahlt.« »Wie oft wäre das? Zweimal?«

Zutiefst entrüstet starre ich ihn an.

»Natürlich nicht nur zweimal. Wahrscheinlich trage ich ihn ...(, Ich überlege kurz und versuche, absolut realistisch zu bleiben. »Hundert Mal. Also kostet mich jedes Mal 1.10. Ich glaube, für einen zeitgenössischen Designklassiker ist das nicht zu viel. Das kann ich mir leisten, oder was meinst du?«

Luke gibt so ein Schnauben von sich. »Becky, hast du irgendetwas schon hundert Mal getragen? Ich betrachte es als Erfolg, wenn du irgendwas wenigstens einmal trägst.«