»Er sagt, Minnie ist so wild, und mit zwei Kindern kommen wir nicht zurecht, und wir sollten uns einfach an dem freuen, was wir haben. Er ist nicht zu bewegen.« Trübsinnig ziehe ich die Schultern hoch und blättere in einem Artikel über antike Bäder herum.
»Könntest du ihn einfach ... überrumpeln?«, sagt Suze nach einer Weile. »Einfach zufällig absichtlich die Pille vergessen und so tun, als wäre es aus Versehen passiert? Er wird das Baby schon lieben, wenn es da ist.«
Ich muss gestehen, dass mir der Gedanke selbst schon gekommen ist. Insgeheim. Aber ich brächte es nicht übers Herz, ihn anzulügen.
»Nein.« Ich schüttle den Kopf. »Ich will ihn nicht hintergehen. Ich möchte, dass er noch ein Kind möchte.«
»Vielleicht ändert er seine Meinung nach der Taufe.« Suzes Augen leuchten auf. »Weißt du, wir haben bei Ernies Taufe beschlossen, dass wir noch ein Kind wollen. Ernie sah so anbetungswürdig aus, und wir dachten, wir hübsch es wäre, wenn er einen Bruder oder eine Schwester bekäme, also haben wir es darauf angelegt. Allerdings haben wir am Ende zwei Kinder dazubekommen«, fügt sie nachdenklich hinzu. »Aber das wird euch schon nicht passieren.«
»Möglich.« Ich schweige einen Moment, mache mich für die große Frage bereit. Ich möchte sie nicht stellen. Doch ich muss jetzt tapfer sein. »Suze ... würdest du mir gegenüber in einer bestimmten Sache ehrlich sein? Wirklich total ehrlich?«
»Okay«, sagt sie etwas besorgt. »Aber nicht, wenn es darum geht, wie oft in der Woche wir Sex haben.«
Was? Wo kam das denn her? Okay, jetzt will ich sofort wissen, wie oft sie Sex hat. Wahrscheinlich nie. Oder vielleicht ständig. Oh, Gott, ich wette, es ist ständig. Ich wette, sie und Tarkie ...
Wie dem auch sei. »Es geht nicht um Sex.« Ich zwinge mich, zum Thema zurückzukehren. »Es ist nur ... findest du Minnie verwöhnt?«
Ich spüre schon, wie ich vor lauter Beklommenheit zurückschrecke. Was ist, wenn sie ja sagt? Was ist, wenn meine beste Freundin Minnie für ein Monster hält? Ich wäre zu Tode beleidigt.
»Nein!«, sagt Suze sofort.« Natürlich ist Minnie nicht verwöhnt! Sie ist liebenswert. Sie ist manchmal nur etwas ... beherzt. Aber das ist gut so! Kinder sind nicht perfekt.«
« Deine schon«, sage ich verdrossen. »Bei denen geht nie irgendwas schief.«
»Oh, mein Gott! Soll das ein Witz sein?« Suze setzt sich aufrecht und legt den Grundriss unseres Hauses weg.« Wir haben solche Probleme mit Ernie. Ständig ruft seine Lehrerin an. Er ist in allen Fächern ein hoffnungsloser Fall, außer in Deutsch. Dabei haben die gar keinen Deutschunterricht.«
»Ach, Suze«, sage ich mitfühlend.
Ich muss nicht fragen, wieso Ernie so gut Deutsch spricht. Für Tarquin ist Wagner die einzige Musik, die es wert ist angehört zu werden, und er spielt sie allen seinen Kindern vor, jeden Abend. Nicht, dass man mich falsch versteht. Ernie ist mein Patenkind, und ich liebe ihn über alles. Aber bei meinem letzten Besuch hat er mir die ganze Geschichte von den SonstwasSingern erzählt, was Stunde um Stunde gedauert hat, und fast wäre ich dabei vor Langeweile eingegangen.
»Ich muss bei der Schulleiterin vorsprechen«, fährt Suze fort und sieht richtig erschüttert aus. » Was soll ich machen, wenn sie mich bittet, ihn von der Schule zu nehmen?«
Alle meine Sorgen sind vergessen, als ich ihr einen Arm um die Schulter lege und sie an mich drücke. Wie kann es jemand wagen, Suze dermaßen zuzusetzen? Und für wen halten sich diese Blödmänner überhaupt? Ich habe Ernies Schule gesehen, als Suze und ich ihn einmal abgeholt haben. Die sind ziemlich hochnäsig, mit lila Blazern, und es kostet eine Million Pfund pro Jahr oder so, und da ist nicht mal das Essen mit drin. Wahrscheinlich sind sie so sehr mit dem Zählen der Schulgebühren beschäftigt, dass sie keine Zeit mehr haben, ein echtes Talent zu erkennen.
»Es geht bestimmt gut«, sage ich unerschütterlich. »Und wenn sie Ernie nicht wollen, dann taugt die Schule offensichtlich nichts.«
Sollte mir diese Schulleiterin je über den Weg laufen, werde ich ihr die Meinung sagen, und zwar sehr deutlich. Schließlich bin ich Ernies Patentante. Vielleicht sollte ich sogar zu dem Termin mitgehen und meiner Meinung Ausdruck verleihen. Gerade will ich das Suze vorschlagen, als sie mit der Hand aufs Bett schlägt.
»Ich weiß, Bex! Ich hab's! Du solltest dir ein Kindermädchen besorgen.«
»Ein Kindermädchen?« Ich starre sie an.
»Wer passt auf Minnie auf, wenn du bei der Arbeit bist? Immer noch deine Mum?«
Ich nicke. Seit mein Mutterschaftsurlaub vorbei ist, arbeite ich zweieinhalb Tage die Woche als Personal Shopper bei The Look. Solange ich da bin, hütet Mum Minnie, was super ist, weil die Kleine beim Frühstück kaum mitbekommt, dass ich weggehe.
»Bringt deine Mum sie in den Kinderladen?«
Ich verziehe das Gesicht. »Nicht wirklich.«
Mum steht nicht auf Kinderläden. Einmal war sie bei Tick Tock und bekam mit einer anderen Großmutter Streit darüber, wer die bessere Fernseh-Miss-Marple ist, und danach wollte sie nie wieder dorthin.
»Und was machen die beiden dann?« »Na ja, unterschiedlich ... «, sage ich vage. »Sie machen viel so Pädagogisches ... «
Was leicht geflunkert ist. Soweit ich es beurteilen kann, bleibt das Programm immer gleich. Sie gehen shoppen und trinken Tee im Cafe bei Debenhams, dann kommen sie nach Hause und gucken Disney-Videos.
Mein Gott, vielleicht hat Suze recht. Vielleicht braucht Minnie mehr Routine. Vielleicht ist das das Problem.
»Ein Kindermädchen wird sie schon auf die richtige Spur setzen«, sagt Suze zuversichtlich. »Außerdem sorgt die fürs Essen und die Wäsche und alles, und Luke wird sehen, wie leicht alles gehen kann. Dann wird er seine Meinung sofort ändern. Vertrau mir.«
Ich wusste, dass Suze eine Antwort auf meine Frage hat. Das ist die Lösung. Ein Kindermädchen!
Ich sehe eine Mischung aus Mary Poppins und Mrs. Doubtfire vor mir, voll gemütlich mit Schürze und einem Löffel Zucker und unzähligen Lebensweisheiten. Im ganzen Haus kehrt Ruhe ein, und alles duftet nach frisch gebackenem Brot. Minnie wird ein reines Engelchen, das still im Trägerschürzehen dasitzt und mit Knetgummi spielt, und Luke wird mich augenblicklich ins Bett zerren und begatten.
Ich meine, allein schon wegen der Begattung wäre es die Sache wert.
»Alle sind im Moment bei Ultimate Nannies. Die sind das Allerneueste.« Schon hat Suze mein Notebook aufgeklappt und die Website aufgerufen. »Guck es dir an! Ich spring kurz runter und sehe nach den Kindern.«
Ich nehme ihr das Notebook ab und sitze vor einer Website, die heißt: Ultimate Nannies -Erziehung ausgeglichener, kultivierter Kinder -die Erfolgreichen von morgen.
Mein Kinn sinkt leicht herab, als ich abwärtsscrolle. Himmelarsch. Diese Kindermädchen sehen kein bisschen aus wie Mrs. Doubtfire. Die sehen aus wie Elle McPherson. Sie haben alle makellose Zähne, eine makellose Bauchmuskulatur und ein intelligentes Lächeln.
Unsere modernen, top ausgebildeten Nannies sind liebevoll, vertrauenswürdig und gebildet. Sie übernehmen die volle Planung und Organisation des Tagesprogramms und bereiten für Ihr Kind ausgewogene Mahlzeiten zu. Darüber hinaus fördern sie die physische, emotionale und intellektuelle Entwicklung Ihres Kindes. >Ultimate Nannies< sind hoch qualifiziert und Experten für kindliche Ernährung, Sicherheit, kulturelle Bereicherung und kreatives Spiel. Viele sprechen fließend Französisch/Mandarin und/oder bieten Unterricht in Musik, Mathematik nach der KUMON-Methode sowie in asiatischen Kampfsportarten oder Ballett an.