Ich fühle mich total unfähig, während ich durch die Bilder lächelnder Mädchen mit langem, schimmerndem Haar scrolle, die Gemüse-Risotto kochen, durch den Garten dribbeln oder im Judoanzug dastehen. Kein Wunder, dass Minnie Trotzanfalle kriegt. Es liegt daran, dass niemand sie in asiatischer Kampfkunst oder der Zubereitung von Sushi unterweist. Die ganze Zeit über habe ich sie sträflich vernachlässigt. Plötzlich kommt mir das Marmeladentörtchen backen mit Mum in der Küche total lahm vor. Wir machen nicht mal den Teig selbst. Wir nehmen den aus der Packung. Wir müssen eine Ultimate Nanny anheuern, und zwar so schnell wie möglich.
Die Sache ist nur (ein klitzekleiner Einwand): Möchte ich, dass ein Mädchen mit schimmerndem Haar in engen Jeans und Sushi-Zubereitungs-Schürze durchs Haus tänzelt? Was ist, wenn es zwischen Luke und ihr plötzlich funkt? Was ist, wenn er auch Unterricht in »asiatischer Kampfkunsh haben möchte?
Ich zögere einen Augenblick. Meine Hand schwebt über dem Mousepad. Komm schon. Ich bin eine erwachsene Frau. Ich muss an die Vorteile für Minnie denken. Ich muss daran denken, dass ich einen liebevollen, treuen Ehemann habe und ich beim letzten Mal, als ich dachte, er würde sich mit einem Mädchen mit schimmernd rotem Haar vergnügen, an dessen Namen ich mich nicht mal erinnern möchte (Siehst du, Venetia? So wenig bedeutest du mir!), total danebenlag.
Außerdem, falls die Nanny tatsächlich sexy sein und seidiges Haar haben sollte, kann ich ihre Arbeitszeit so legen, dass Luke sie nie zu sehen bekommt.
Entschlossen fülle ich das Formular aus und drücke »Senden«. Das ist die Lösung! Rufen wir Experten hinzu. Der einzige Mensch, den ich dazu noch überreden muss, ist Mum. Sie ist nicht gerade scharf auf Kindermädchen. Oder Tagesmütter. Nicht mal auf Babysitter. Aber das liegt nur daran, dass sie sich zu viele Vorabendserien über böse, geisteskranke Kindermädchen ansieht. Ich meine, nicht jede Nanny ist zwangsläufig eine Stalkerin, die sich für eine Tote ausgibt und vom FBI gesucht wird, oder?
Und will sie nicht auch, dass ihr Enkelkind kultiviert und ausgeglichen wird? Will sie denn nicht auch, dass Minnie zu den Erfolgreichen von morgen gehört?
Genau.
Als ich nach unten gehe, finde ich Suze bei Luke und Tarquin im Wohnzimmer. Auf dem Tisch sehe ich eine leere Kaffeekanne und einen Riesenstapel von Papieren, und offensichtlich sind sie voll bei der Arbeit.
»Ihr müsst Shetland Shortbread als Marke sehen«, sagt Luke gerade. »Ihr sitzt auf etwas, das ein gewaltiger, globaler Erfolg werden könnte, aber ihr müsst das Profil schärfen. Sucht eine Geschichte, eine Persönlichkeit, ein Alleinstellungsmerkmal, einen Ansatzpunkt. Legt die Markenwerte fest.« Er ist richtig aufgedreht und enthusiastisch, wie immer, wenn er das Potential in einem neuen Projekt erkennt.
Tarquin dagegen sieht aus wie ein Kaninchen im Scheinwerferlicht.
»Absolut«, sagt er nervös. »Markenwerte. Äh ... hi, Becky. Luke ist uns eine große Hilfe. Wir wissen gar nicht, wie wir euch danken sollen.«
»Nein, wirklich. Keine Ursache.« Luke klopft ihm auf die Schulter. »Aber ihr müsst euch neu ausrichten, Tarquin. Stell ein effektives Team zusammen! Bastle dir eine Strategie, und orientiere dich daran!«
Ich muss mir das Kichern verkneifen. Sogar ich weiß, dass Tarquin kein Stratege ist.
»Ich lese mir diese Verträge für dich durch und sage dir, was ich davon halte.« Luke nimmt seinen BlackBerry. »Ich weiß, dass deine Leute sie abgewunken haben, aber wie gesagt: Ich glaube, da ist mehr drin.«
»Wirklich, Luke ...«, protestiert Tarquin kraftlos. »Du hast schon viel zu viel Zeit darauf verwendet ... « »Sei nicht albern.« Luke lächelt ihm kurz zu und stellt seinen BlackBerry wieder an. Tarquins knochiges Gesicht läuft rot an. Er wirft Suze einen gequälten Blick zu, ringt mit den Händen und räuspert sich.
»Luke, ich weiß, du hast deine eigene Firma«, platzt er plötzlich heraus, »aber ich würde dir liebend gern einen Posten anbieten. Geschäftsführer unserer gesamten Besitztümer. Zu deinen Bedingungen. Auch was das Gehalt anbelangt.«
»Einen Job?« Luke ist perplex.
»Oh, ja!« Begeistert klatscht Suze in die Hände. »Großartige Idee! Das wäre ja wunderbar! Wir könnten ihnen doch auch eine Unterkunft stellen, oder?«, sagt sie zu Tarkie. »Das kleine Schloss in Perthshire wäre perfekt! Ich meine, nicht annähernd so hübsch wie euer Haus in Maida Vale«, fügt sie loyal hinzu. »Aber als Ferienhaus?«
»Und ich kann mein Gehalt selbst bestimmen?«, sagt Luke langsam .
»Ja«, antwortet Tarquin nach kurzem Zögern. »Ja, natürlich.« »Für sechzig Prozent aller Bruttoeinnahmen würde ich es machen«, kommt es von Luke wie aus der Pistole geschossen.
Was folgt, ist sprachloses Staunen. Ich kann nicht glauben, was ich da höre. Überlegt Luke tatsächlich, Brandon Communications aufzugeben, um den Besitz der Cleath-Stuarts zu verwalten?
Würden wir in einem Schloss wohnen?
Oh, mein Gott. Wir wären ein echter Clan! Wir hätten unser eigenes Schottenmuster! Knallpink mit Silber und Schwarz. Es wäre der »McBloomwood of Brandom-Tartan, und wir würden schottische Tänze tanzen, und Luke würde eine fellbesetzte Tasche über seinem Kilt tragen ...
»Ich ... äh ... «Tarquin wirft Suze einen panischen Blick zu. »Äh. Das scheint mir ... angemessen ... «
»Tarquin!« Luke explodiert förmlich. »Selbstverständlich sind sechzig Prozent verdammt noch mal nicht angemessen! Und genau deshalb braucht ihr für eure Geschäfte einen neuen Berater, dem ihr vertrauen könnt, und deshalb werde ich ein Meeting mit ein paar Leuten vereinbaren, die ich bestens empfehlen kann, und ich komme mit und sorge dafür, dass ihr auch alles versteht ... « Er tippt auf seinen BlackBerry ein, dann stutzt er, als er summt wie eine böse Biene. »Entschuldige, ich kriege gerade ein paar Nachrichten ... « Er starrt den Bildschirm an, sein Gesicht zuckt vor Überraschung, dann tippt er eine Antwort.
»Ich wusste, dass Luke nicht wirklich ja sagen würde.« Suze sieht mich betreten an. »Er würde doch nie seine Firma aufgeben.«
»Ich weiß.« Ich nicke, obwohl ich mich insgeheim etwas im Stich gelassen fühle. Im Geiste war ich schon in ein schottisches Schloss gezogen und hatte unser zweites Kind »Morag« genannt.
»Nun, ich möchte mich aber mit einer Klitzekleinigkeit erkenntlich zeigen« sagt Tarquin in diesem stinkvornehmen, gestelzten Ton. »Dürfte ich euch zum Essen einladen? Oder auf eine Wochenendjagd? Oder ... oder ... wollt ihr den Sommer in unserem Haus in Frankreich verbringen? Oder ...«
»Ihr verdammte Scheiße!«, zischt Luke plötzlich leise. Was er auf seinem BlackBerry sieht, scheint ihm die Sprache zu verschlagen.
»Was?« , sage ich hellwach. »Was ist los?« Luke blickt auf und scheint erst jetzt zu merken, dass wir ihn alle anstarren.
»Ach, nichts.« Er setzt ein freundliches Lächeln auf, was bedeutet, dass er nicht darüber reden will. »Becky, ich muss los. Ich fürchte, es wird spät heute Abend.«