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»Sie fallen auf alles rein, wenn nur das Wörtchen »grün« draufsteht.« Jess schüttelt den Kopf. »Da gibt es offenbar sogar eine fiese, unverantwortliche Firma, die Yogamatten verkauft, die aus giftigen Computerteilen gefertigt werden. Sie versuchen, die Dinger als Recycelt zu verkaufen. In Guatemala kriegen die Kinder bei der Herstellung Asthma.« Sie schlägt mit der Hand aufs Sofa. »Wie kann irgendwer so blöd sein, das für eine gute Idee zu halten?«

»Aber wirklich!« Ich schlucke trocken, mein Gesicht wird heiß. Ich wage nicht, Mum anzusehen. »Was müssen das für Vollidioten sein? Ich glaube, ich sortiere die Geschenke mal ein bisschen ...«

Lässig schlendere ich zum Weihnachtsbaum hinüber und schiebe die guatemaltekische Yogamatte mit dem Fuß hinter den Vorhang. Das war das letzte Mal, dass ich diesem sogenannten »grünen« Katalog vertraut habe. Die haben gesagt, sie würden den Menschen helfen, nicht sie zu Asthmatikern machen! Und was soll ich Jess jetzt schenken?

»Mein Geschenk für dich ist leider noch nicht angekommen«, sage ich zu Jess, als ich mich wieder hinsetze. »Aber du kriegst ... äh ... Kartoffeln. Einen großen Sack voll. Ich weiß ja, wie gern du sie isst. Und den Sack kannst du hinterher als organisch recycelte Reisetasche nutzen. «

»Oh.« Jess wirkt etwas erstaunt. »Danke, Becky.« Sie nimmt einen Schluck Tee. »Und wie laufen die Vorbereitungen für die Taufe?«

»Super, danke.« Erleichtert stürze ich mich auf den Themenwechsel. »Das Essen und alles drumherum wird russisch sein. Es gibt Blinis mit Kaviar und Wodka, und für Minnie habe ich ein absolut traumhaftes Kleidchen ... «

»Habt ihr euch schon auf einen zweiten Namen geeinigt?«, stimmt Mum mit ein. » Denn Reverend Parker rief gestern an und hat noch mal nachgefragt. Du musst dich langsam entscheiden, Liebes.«

»Mach ich!«, beteuere ich. »Es ist nur echt schwer!«

Wir hatten keinen zweiten Namen für Minnies Geburtsurkunde. (Okay, in Wahrheit gab es einen kleinen Streit. Luke war total uneinsichtig, was »Dior« anging. Und »Temperley«. Und nie im Leben würde ich mich auf »Gertrude« einlassen, selbst wenn es von Shakespeare kommt.) Also haben wir sie als »Minnie Brandon« eingetragen und beschlossen, ihr die anderen Namen bei der Taufe zu geben. Das Problem ist nur, dass es nicht leichter wird, je mehr Zeit vergeht. Luke lacht nur, wenn er meine Vorschläge liest, und sagt: »WOZU braucht sie überhaupt einen zweiten Namen?« was wirklich keine Hilfe ist.

»Und gibt es bei dir was Neues, Tom?«, platzt Janice in ihrer Verzweiflung plötzlich heraus. »Ist irgendwas passiert? Gibt es was zu erzählen? Groß, klein ... irgendwas?« Sie beugt sich auf ihrem Sessel vor wie ein Seehund, der sich einen Fisch schnappen will.

»Also, ja ... « Tom grinst ein wenig. »Wenn ich ehrlich sein soll, haben wir was zu erzählen.« Und zum ersten Mal tauschen er und Jess einen dieser »Wollen wir es ihnen sagen?« -Blicke.

Oh, mein Gott.

Sie sind es wirklich! Sie sind verlobt!

Mum und Janice sitzen starr und aufrecht auf dem Sofa. Janice sieht aus, als müsste sie gleich implodieren. Suze zwinkert mir zu, und ich grinse selig. Das wird ein Riesenspaß! Wir können uns Brides kaufen, und ich helfe Jess dabei, ihr Hochzeitskleid auszusuchen, und sie wird kein trostloses, altes, recyceltest Hanfding tragen, wenn es auch grüner sein mag .. .

»Jess und ich möchten euch gern mitteilen ... «, Tom blickt glücklich in die Runde, » ... wir haben geheiratet.«

4

Alle stehen noch immer unter Schock. Ich meine, natürlich ist es toll, dass Tom und Jess verheiratet sind. Es ist super. Es ist nur so, dass es uns allen so vorkommt, als hätten wir einen Schritt ausgelassen.

Mussten sie es denn unbedingt in Chile in irgend einem kleinen Standesamt machen, mit nur zwei Zeugen, ohne dass wir wenigstens über Skype dabei sein konnten? Wir hätten eine Party feiern können. Wir hätten ihnen zuprosten können. Jess sagt, es gab nicht mal ein Gläschen Champagner. Offenbar haben sie irgendein Bier aus der Gegend getrunken.

Bier.

Manchmal verstehe ich Jess einfach nicht, und ich werde es wohl auch nie. Kein Hochzeitskleid. Keine Blumen. Kein Fotoalbum. Kein Champagner. Von der ganzen Hochzeit ist ihr nur ein Ehemann geblieben.

(Ich meine, natürlich ist der Ehemann die Hauptsache, wenn man heiratet. Absolut. Das ist ja selbstverständlich. Aber trotzdem, nicht mal ein Paar Schuhe?)

Und die arme, alte Janice! Als die beiden ihre Neuigkeit verkündet haben, ging es in ihrem Gesicht auf und ab wie auf einer Achterbahn. Man sah, dass sie verzweifelt versuchte, glücklich und wohlwollend auszusehen, als sei eine Heirat im fernen Chile, zu der sie nicht mal eingeladen war, genau das, was sie sich seit langem schon erhofft hatte. Nur dass eine winzig kleine Träne im Augenwinkel sie verriet. Besonders nachdem Jess sagte, sie wollten weder einen Empfang im Golfclub, noch eine Hochzeitsliste bei John Lewis, und sich dann auch noch rundweg weigerte, in ein weißes Kleid aus dem Brautmodenverleih zu steigen und mit Janice und Martin im Garten zu posieren.

Janice sah dermaßen unglücklich aus, dass ich mich freiwillig dafür gemeldet habe. Es klang eigentlich ganz lustig, und neulich habe ich sogar ein paar traumhafte Hochzeitskleider im Schaufenster bei Liberty gesehen ...

Egal. Ich schätze, das war vielleicht doch nicht der entscheidende Punkt.

Ich trage mein Lipgloss fertig auf und trete zurück, um mich im Spiegel zu betrachten. Ich hoffe nur, dass Janice heute bessere Laune hat. Schließlich soll es doch ein Fest werden.

Ich streiche mein Kleid glatt und tanze eine kleine Pirouette vor dem Spiegel. Ich trage dieses atemberaubende, dunkelblaue Kleid mit dem Kunstpelzsaum, lange Button Boots und einen Kunstpelzmuff, dazu einen langen Mantel mit Bortenbesatz und einen riesigen Kunstpelzhut.

Minnie sitzt auf meinem Bett und probiert alle meine Hüte auf, was ihre Lieblingsbeschäftigung ist. Sie trägt auch ein kleines Kleid mit Pelzbesatz und weiße Stiefel, mit denen sie wie eine Schlittschuhläuferin aussieht. Ich stehe dermaßen auf dieses russische Thema, dass ich schon halb mit dem Gedanken spiele, Reverend Parker zu bitten, sie »Minska« zu taufen.

Minska Katinka Karenina Brodsky Brandon. »Komm mit, Minska!«, sage ich probehalber. »Zeit, getauft zu werden! Nimm den Hut ab!« »Mein« Sie klammert sich an meinen roten Philip Treacy mit der großen Feder.

Sie sieht so niedlich aus, dass ich es nicht übers Herz bringe, ihn ihr wegzunehmen. Wen kümmert es schon, ob sie einen Hut trägt?

»Okay, mein Schatz.« Ich gebe nach. »Du darfst den Hut tragen. Aber jetzt gehen wir. « Ich reiche ihr die Hand.

»Mein.« Augenblicklich klammert sie sich an die Balenciaga Tasche, die auf dem Bett lag. »Mein. Meeeiiiin.«

»Minnie, das ist Mamis Tasche«, erkläre ich langmütig. »Du hast deine eigene kleine Tasche. Wollen wir sie suchen?«

»Meeeeiiiin! Meeeeiiiin Tasche!«, schreit sie wütend und weicht vor mir zurück. Sie hält sich an der Balenciaga-Tasche fest, als wäre es der allerletzte Rettungsring auf dem weiten

Meer und sie hätte keineswegs die Absicht, diesen loszulassen.

»Minnie ... «, seufze ich.

Fairerweise muss ich sagen, dass sie nicht unrecht hat. Die Balenciaga-Tasche ist viel hübscher als ihre kleine Spielzeugtasche. Ehrlich gesagt: Wenn ich getauft werden sollte, würde ich auch eine Balenciaga-Tasche wollen.