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Lieber Luke, wir fahren zur Kirche. Du verpasst die Taufe.

Ich schnalle Minnie auf ihrem Kindersitz in Dads Wagen fest und zwänge mich neben sie. Ich merke, dass Mum und Dad sich echt zusammenreißen müssen, damit sie nicht über Luke herziehen.

»Er hat bestimmt einen guten Grund«, sagt Dad schließlich, als er auf die Straße einbiegt. Alle schweigen, denn offenbar kann sich keiner von uns vorstellen, was dieser Grund sein könnte.

»Was war es noch, Liebes?«, meint Mum. »Irgendeine Krise?«

»Offenbar.« Stieren Blickes starre ich aus dem Fenster. »Irgendwas Großes. Aber vielleicht kommt es gar nicht dazu. Das ist alles, was ich weiß.«

Plötzlich plingt mein Handy.

Becky, tut mir so leid. Kann es jetzt nicht erklären. Bin noch hier. Nehme so bald wie möglich Hubschrauber. Wartet auf mich. L

Leicht ungläubig starre ich mein Handy an. Hubschrauber? Er kommt per Hubschrauber?

Urplötzlich bin ich besserer Dinge. Fast möchte ich ihm verzeihen, dass er abgetaucht ist und so geheimnisvoll tut. Eben will ich Mum und Dad (beiläufig) von dem Hubschrauber erzählen, als das Handy noch mal plingt.

Vielleicht dauert's noch ein bisschen. Hier geht gerade alles in die Hose.

Was alles?,schreibe ich zurück, brodelnd vor Frust. Welche Hose?

Aber ich bekomme keine Antwort. Aaaah, er nervt! Immer muss er so geheimnisvoll tun. Wahrscheinlich geht es nur um irgend so einen langweiligen, alten Investment-Fond, der ein paar Zillionen Pfund weniger eingebracht hat als erwartet. Und wenn schon.

Die Kirche ist gerammelt voll, als wir eintreten, und ich wandere herum, begrüße Mums Bridge-Freundinnen, von denen die Hälfte japanisch gekleidet ist. (Ich werde Mum später so was von die Leviten lesen.) Etwa fünfzig Mal höre ich mich sagen: „Eigentlich ist das Thema Japan und Russland« und „Luke ist im Hubschrauber unterwegs«, dann nimmt Mum Minnie bei der Hand, und ich höre, wie alle sie umgurren.

„Bex!« Ich drehe mich um und sehe Suze, die einfach toll aussieht in ihrem roten, bestickten Mantel, mit den Pelzstiefeln und den hochgesteckten Haaren, die zwei hölzerne Kaffeeumrührer von Starbucks zieren.

„Besser ging es nicht«, sagt sie und deutet ärgerlich darauf. »Du hast russisch gesagt! Wie kam plötzlich japanisch ins Spiel?«

»Es ist alles Mums Schuld!<, will ich gerade sagen, als Reverend Parker erscheint, schneidig in seiner raschelnden, weißen Robe .

»Oh, hi!« Ich strahle ihn an. »Wie geht es Ihnen?«

Reverend Parker ist super. Er ist keiner von diesen ultraheiligen Pfarrern, bei denen man für alles ein schlechtes Gewissen bekommt. Er ist eher einer von denen, die nichts dagegen haben, wenn man sich vor dem Mittagessen einen kleinen Gin Tonic genehmigt. Seine Frau arbeitet in der City, und er ist immer braungebrannt und fährt einen Jaguar.

„Es geht mir gut.« Warmherzig schüttelt er mir die Hand.

»Schön, Sie zu sehen, Rebecca. Und wenn ich so sagen darf, Ihr japanisches Thema ist sehr charmant. Ich bin selbst ein großer Sushi-Fan.« 

»Eigentlich ist es eine Kombination aus japanisch und russisch«, korrigiere ich ihn entschlossen. »Es gibt auch Blinis und Wodka.« 

»Ah. Nun, denn.« Er strahlt. »Ich nehme an, Luke ist aufgehalten worden?« »Er wird bald eintreffen.« Hinter meinem Rücken kreuze ich die Finger. »Jeden Moment.« 

»Gut. Denn ich bin ein wenig unter Zeitdruck. Und sicher haben Sie sich für einen zweiten Namen Ihrer Tochter entschieden? Würden Sie ihn mir vielleicht aufschreiben?«

Oh, Gott.

»Fast.« Ich verziehe das Gesicht. »Ich bin fast so weit. .. »

»Rebecca, ich bitte Sie«, sagt Reverend Parker mit einem Anflug von Ungeduld. »Ich kann Ihre Tochter nicht taufen, wenn ich nicht weiß, wie sie heißen soll.« Ehrlich, ich fühle mich ein wenig unter Druck gesetzt. Ich dachte, Pfarrer sollten verständnisvoll sein.

»Ich werde mich während der Gebete entscheiden«, erkläre ich. » Während ich bete, natürlich«, füge ich angesichts seiner erstarrten Miene hinzu. »Ich finde Inspiration in der Heiligen Schrift.« Ich nehme eine Bibel in die Hand, in der Hoffnung auf ein paar Fleißsternchen. »Sehr inspirierend. Vielleicht nehme ich »Eva« oder »Maria.«

Das Problem mit Reverend Parker ist, dass er mich schon viel zu lange kennt. Er zieht nur skeptisch seine Augenbrauen hoch und sagt: »Und sind die Pateneltern da? Geeignete Personen, wie ich hoffe ... « 

»Selbstverständlich! Hier ist die eine.« Ich schiebe Suze nach vorn, die ihm die Hand schüttelt und sofort anfängt, sich nach der Kirchendecke zu erkundigen und ob sie aus dem 19. Jahrhundert stammt oder wann.

Suze ist einfach toll. Sie weiß immer, was sie zu Leuten sagen soll. Jetzt redet sie über Glasmalerei. Wo nimmt sie das nur immer her? Das muss sie im Mädchenpensionat gelernt haben, nach den Merengue-Stunden. Ich interessiere mich nicht besonders für Glasmalerei, wenn ich ehrlich sein soll, also blättere ich wahllos in der Bibel herum.

Oh. Delilah. Na, wenn das kein cooler Name ist.

»Himmel, Arsch und Zwirn, Becky!« Ein vertrauter, amerikanischer Akzent dringt an mein Ohr. Hinter mir höre ich einen kleinen Tumult unter Mums Freundinnen, und jemand ruft: »Wer in Gottes Namen ist das?« 

Das kann nur eins bedeuten.

»Danny!« Freudig wirble ich herum. »Du bist hier!«

Es ist so lange her, seit ich Danny zuletzt gesehen habe. Er sieht dürrer aus als je zuvor und trägt eine weite Lederjacke im Kosakenstil mit engen, schwarzen Hosen und Army-Stiefeln. Außerdem hat er einen winzigen Hund an der Leine, den ich noch nie gesehen habe. Ich will ihn umarmen, doch er hebt eine Hand, als hätte er eine bedeutsame Ankündigung zu machen.

« Dieses Thema?«, sagt er ungläubig. »Dieses Japanisch-Querstrich-Russische-Fusion-Ding? Einfach genial! Mein neuer Hund kann da nicht mithalten. Der ist nur ein scheißeinfacher Shih-Tzu!«

»Gibt's ja gar nicht!« Plötzlich fällt mir ein, dass Reverend Parker neben mir steht. »Äh... Reverend Parker... das ist Danny Kovitz. Der andere Pate.« 

»Ach du je.« Danny hält sich den Mund zu. «Ich bitte um Verzeihung, Reverend. Traumhafte Kirche», fügt er großherzig hinzu, mit weiter Geste. »Traumhaftes Dekor. Haben Sie sich bei den Farben beraten lassen?« 

»Sie sind sehr freundlich.« Reverend Parker schenkt ihm ein steifes Lächeln. »Aber wenn Sie vielleicht so nett wären, Ihre Ausdrucksweise während des Gottesdienstes zu mäßigen ... « 

»Danny ist ein berühmter Modedesigner«, werfe ich eilig ein.

»Aber ich bitte dich!« Danny lacht bescheiden. »Nicht berühmt. Eher ... beliebt. Berüchtigt. Wo ist eigentlich Luke?«, fügt er leise hinzu. »Ich brauche ihn. Jarek ruft mich täglich an. Er droht mir damit vorbeizukommen.«Dannys Stimme wird vor Sorge immer lauter. »Du weißt, wie sehr ich Konfrontationen hasse.« 

Jarek ist Dannys ehemaliger Geschäftsführer. Wir sind ihm letztes Jahr begegnet und haben bald gemerkt, dass er sich einen Riesenbatzen von Dannys Geld genommen und dafür im Grunde nichts weiter getan hat, als Dannys Klamotten zu tragen und ständig auf Spesen essen zu gehen. Luke war derjenige, der ihn vor die Tür gesetzt und Danny einen Vortrag darüber gehalten hat, dass man Leute nicht allein deswegen einstellt, weil man ihren Haarschnitt mag.