Also tue ich das Richtige. Ja. Da bin ich mir ganz sicher.
Ich treffe mich mit Bonnie in einem Restaurant in der Nähe von Brandon Communications, und als ich eintreffe, sitzt sie schon an einem Tisch, das personifizierte Understatement im beigefarbenen Tweedkleid mit Lackpumps.
Wenn ich Bonnie bisher getroffen habe, schien sie mir immer zurückhaltend und mustergültig, fast übermenschlich. Inzwischen jedoch weiß ich, dass sie etwas verbirgt -denn ich habe es gesehen. Bei der letzten Weihnachtsfeier von Brandon Communications habe ich sie zufällig beobachtet, als wir alle auf der Tanzfläche waren und wie wild bei >Dancing Queen< mitgesungen haben. Bonnie saß allein an einem Tisch, und als ich hinsah, hat sie sich heimlich eine der übrig gebliebenen Haselnussschokoladen genommen, die noch auf den Tellern lagen. Dann noch eine. Sie ging um den ganzen Tisch herum, bediente sich diskret bei der Schokolade, wobei sie das Papier fein säuberlich faltete und es in ihre Abendtasche steckte. Ich habe es niemandem erzählt, nicht mal Luke, denn irgendetwas sagte mir, sie wäre entsetzt, wenn sie feststellen müsste, dass man sie beobachtet hat. Und aufziehen dürfte man sie damit schon gar nicht.
»Becky«, begrüßt sie mich mit ihrer tiefen, wohlklingenden Stimme. »Wie schön, Sie zu sehen. Ich habe uns etwas Mineralwasser bestellt ... «
»Prima!« Ich strahle sie an. »Und vielen Dank, dass Sie mir helfen wollen.« »Oh, das macht doch keine Umstände. Lassen Sie mich Ihnen kurz zeigen, was ich bisher gemacht habe.«
Sie holt eine Plastikmappe hervor und fängt an, verteilt bedrucktes Papier auf dem Tisch. »Gäste ... Kontakte ... spezielle Verpflegungswünsche ... «
Staunend glotze ich die Seiten an. Luke hat recht, Bonnie ist unglaublich. Sie hat eine vollständige Gästeliste aus Lukes geschäftlichen und privaten Adressbüchern zusammengestellt, komplett mit Adressen und Telefonnummern und einem kleinen Absatz dazu, wer die jeweilige Person ist.
»Alle in der Firma haben den Abend des 7. April geblockt«, fährt sie fort. »Ich habe Garry ins Vertrauen gezogen, und wir haben uns eine Schulung für die gesamte Firma ausgedacht. Hier, sehen Sie ... «
Sprachlos betrachte ich das Blatt Papier, das sie mir hinhält. Es ist der Ablaufplan für eine »Schulung aller Mitarbeiter bei Brandon Communications«, von 17:00 Uhr bis in den späten Abend, mit »Drinks« und »Gruppenaktivitäten« und »Diskussionskreisen«. Es sieht so echt aus! Sogar der Name von dem Laden, wo das alles stattfinden soll, ist unten vermerkt.
»Das ist großartig«, sage ich schließlich. »Absolut fantastisch. Bonnie, vielen, vielen Dank ... «
»Nun, es bedeutet, dass Sie vorerst noch niemandem in der Firma die Wahrheit sagen müssen.« Sie schenkt mir ein kleines Lächeln. »So etwas behält man lieber so lange wie möglich für sich.«
»Absolut.« Leidenschaftlich gebe ich ihr recht. »Je weniger Leute in das Geheimnis eingeweiht sind, desto besser. Ich habe eine Liste der Personen angelegt, die Bescheid wissen, und halte den Daumen drauf.«
»Sie scheinen die Sache gut im Griff zu haben.« Sie lächelt ermutigend. »Und wie laufen die Partyvorbereitungen selbst?« »Kein Problem«, sage ich sofort. »Ich meine ... ich habe noch nicht so ganz alles fertig ... «
»Haben Sie schon mal daran gedacht, einen Partyplaner zu engagieren?«, fragt Bonnie freundlich. »Oder so einen Concierge Service? Es gibt da einen ganz bestimmten, den mehrere meiner Arbeitgeber genutzt haben. Er nennt sich The Service. Sehr effizient. Kann ich nur empfehlen.«
Sie zückt einen Notizblock und schreibt mir eine Nummer auf. »Diese Leute würden Ihnen bestimmt helfen, was Organisation, Lieferanten, Personal und dergleichen angeht. Aber das ist nur ein Vorschlag.«
»Danke!« Ich nehme den Zettel und stecke ihn in meine Handtasche. Das ist vielleicht gar keine schlechte Idee. Ich meine, nicht dass ich Hilfe bräuchte. Nur falls es irgendwo mal brennt.
Der Kellner kommt, und wir bestellen beide Salat. Dann schenkt er uns Wasser nach. Als Bonnie gewissenhaft trinkt, mustere ich sie unwillkürlich voller Neugier. Wenn man es recht bedenkt, ist sie die andere Frau in Lukes Leben. (Nicht Camilla Parker-Bowles-mäßig. Definitiv nicht. Ich werde nicht wieder in die Falle tappen und denken, Luke hätte eine Affäre, und Privatdetektive anheuern und mich wegen nichts und wieder nichts fertigmachen.)
»Möchten Sie etwas Wein, Becky?«, sagt Bonnie plötzlich. »Ich muss ja leider wieder zur Arbeit. .. « Bedauernd lächelt sie mich an.
»Ich auch«, nicke ich, mit meinen Gedanken nach wie vor bei ihr.
Sie verbringt mehr Zeit mit Luke als ich. Sie weiß alles über sein Leben. Dinge, von denen er mir nie erzählt. Wahrscheinlich weiß sie sogar das ein oder andere, was interessant sein könnte.
»Und ... wie ist Luke so als Chef?«, kann ich mir nicht verkneifen. »Er ist bewundernswert.« Sie lächelt und nimmt ein Stück Brot aus dem Korb. Bewundernswert. Das ist so typisch. Diskret, verbindlich, sagt mir nichts.
»Wie bewundernswert ist er genau?«
Bonnie betrachtet mich mit merkwürdigem Blick, und plötzlich merke ich, dass ich ein bisschen übers Ziel hinausschieße. »Na, Mister Perfect ist er bestimmt nicht«, füge ich eilig hinzu. »Es muss doch etwas geben, was Sie stört.« »Das kann ich so nicht sagen.« Sie schenkt mir noch ein verschlossenes Lächeln und nippt an ihrem Wasser.
Will sie jede Frage so abwehren? Plötzlich spüre ich das Bedürfnis, hinter ihre professionelle Fassade zu blicken. Vielleicht könnte ich sie mit einer Nussschokolade ködern.
»Kommen Sie, Bonnie!«, beharre ich. »Es muss doch irgendwas geben, was Sie an Luke stört. Also, mich stört es, dass er ständig mitten im Gespräch mit seinem BlackBerry herumhantiert.«
»Ehrlich.« Bonnie gibt ein beherrschtes Lachen von sich. »Das kann ich nicht sagen.«
»Doch, können Sie!« Ich beuge mich über den Tisch. »Bonnie, ich weiß, dass Sie sich professionell verhalten möchten. Genau wie ich. Aber das hier ist inoffiziell. Wir können ehrlich miteinander sein. Ich werde dieses Restaurant nicht verlassen, bevor Sie mir nicht gesagt haben, was Sie an ihm stört.«
Bonnie ist ein wenig rot angelaufen und sieht dauernd zur Tür, als suchte sie nach einer Fluchtmöglichkeit.
»Sehen Sie«, sage ich, um ihre Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. »Wir sind nun mal die beiden Frauen, die die meiste Zeit mit Luke verbringen. Wir kennen ihn besser als alle anderen. Weshalb sollten wir da nicht unsere Erfahrungen austauschen und voneinander lernen? Ich werde ihm auch bestimmt nichts davon erzählen!«, füge ich hinzu, als mir bewusst wird, dass ich das vielleicht nicht klar genug geäußert habe. »Es bleibt strikt unter uns. Ich schwöre es.«
Es folgt eine lange Pause. Ich glaube, es ist bei ihr angekommen. »Nur eine einzige Sache«, beschwätze ich sie. »Eine einzige, winzig kleine Sache ... »Bonnie nimmt einen Schluck Wasser, als müsste sie ihre Nerven stärken. »Nun«, sagt sie schließlich. »Das mit den Geburtstagskarten ist vielleicht ein wenig frustrierend.«