Oh, Gott. Ich sollte ihn besser bald vom Thema Botox abbringen, sonst sagt er noch: »Wir gehen sofort zu der Klinik und fordern dein Geld zurück.«
»Ich hatte nur ein ganz kleines bisschen Botox«, sage ich eilig. »Eigentlich war ich wegen ... was ganz anderem da.« »Etwas anderem?« Luke starrt mich an. »Weswegen denn, um Gottes willen?« Mein Kopf ist völlig leer. Denk nach! Denk nach! Was lassen sich Leute machen?
»Brüste«, höre ich mich sagen. »Eine Brust-OP.«
Seiner entsetzten Miene entnehme ich, dass das möglicherweise nicht die richtige Richtung war. »Eine Brust-OP?«, bringt er schließlich hervor. »Du hattest eine ... «
»Nein! Ich habe nur ... überlegt, ob ich eine will.«
»Gott im Himmel.« Luke reibt seine Stirn. »Becky, wir müssen reden. Lass uns irgendwo reingehen. « Er nimmt meinen Arm und steuert mich mit festem Griff in die nächstbeste Bar. Sobald wir drinnen sind, dreht er sich um und nimmt mich so abrupt bei den Schultern, dass ich überrascht aufstöhne.
»Becky, ich liebe dich. Egal, wie du aussiehst. Mit jeder Figur. Und der Gedanke, dass du meinst, du müsstest heimlich irgendwo hingehen ... das bringt mich um. Bitte, bitte, bitte, tu das nie wieder!«
Ich hätte nicht gedacht, dass er so reagieren würde. Er sieht so aufgebracht aus, dass ich mich plötzlich ganz schrecklich fühle. Wieso habe ich mir so was Blödes ausgedacht? Wieso konnte ich nicht sagen, dass ich mich mit einer Kundin in ihrem Büro treffe? Jetzt fallen mir Millionen gute Ausreden ein, von denen keine einzige irgendwas mit Kliniken oder Brust OPs zu tun hat.
»Luke, es tut mir leid«, stottere ich. »Ich hätte das nicht tun sollen. Mach dir bitte keine Sorgen ...«
»Du bist perfekt«, sagt er fast etwas zu scharf. »Du musst kein Haar an dir verändern. Keine Sommersprosse. Keinen kleinen Zeh. Und wenn ich es bin, der dir das Gefühl gibt, dass du es tun solltest ... dann ist mit mir irgendwas nicht in Ordnung.«
Ich glaube, das ist das Romantischste, was Luke je zu mir gesagt hat -jemals. Ich merke, dass mir die Tränen kommen. »Es hat nichts mit dir zu tun.« Ich schlucke. »Es war ... weißt du ... der gesellschaftliche Druck und alles.«
»Weißt du überhaupt, ob diese Klinik was taugt?« Er greift nach meiner Tasche. »Lass mich mal sehen! Viele dieser sogenannten Chirurgen sind verantwortungslose Cowboys. Ich werde deinen Arzt mal unter die Lupe nehmen ...«
»Nein!« Instinktiv reiße ich meine Tasche an die Brust. »Ist schon okay, Luke. Ich weiß, dass er gut ist ... «
»Nein, weißt du nicht!«, bellt er frustriert. »Das ist ein schwerer chirurgischer Eingriff, Becky! Bist du dir dessen bewusst? Und die Vorstellung, dass du ganz allein losziehst, dein Leben aufs Spiel setzt, ohne einen Gedanken an mich oder Minnie zu verschwenden..«
»Ich würde doch nicht mein Leben riskieren!«, sage ich verzweifelt. »Ich würde mich nie operieren lassen, ohne es dir zu erzählen! Es ist eine von diesen kleinen Praxen, bei denen man in der Mittagspause eine Spritze kriegt.«
»Du meinst, das macht es in irgendeiner Form besser?« Er gibt keinen Millimeter nach. »In meinen Ohren klingt das nur noch zweifelhafter. Was genau haben die mit dir gemacht?«
Ich bin mir sicher, dass ich in der Marie Claire etwas über Brustvergrößerungen in der Mittagspause gelesen habe, nur kann ich mich nicht mehr an Einzelheiten erinnern.
»Es ist minimal. Total ungefährlich.« Ich reibe an meiner Nase herum, um Zeit zu schinden. »Sie markieren den Bereich und injizieren einen speziellen Schaum in die ... mh, Kapillaren. Und die ... äh ... expandieren.«
« Du meinst ... sie schwellen an?« Er starrt mir in die Augen.
»SO ungefähr.« Ich versuche, selbstbewusst zu klingen. »Nur ganz wenig. Du weißt schon. Ein, zwei Größen.« Ich mache vor meiner Brust eine Geste, von der ich hoffe, dass sie realistisch ist.
»Über was für einen Zeitraum denn?«
Ich suche nach etwas Überzeugendem.
»Ungefähr ... eine Woche.«
»Deine Brüste schwellen im Laufe einer Woche an?« Die Vorstellung scheint ihn umzuhauen. Mist. Ich hätte eine Stunde sagen sollen.
»Abhängig vom Körpertyp«, füge ich eilig hinzu, »und dem ... individuellen Bruststoffwechsel. Manchmal dauert es nur fünf Minuten. Da ist jeder anders. Wie dem auch sei, ich mache es ja nicht. Du hast recht. Ich hätte nie heimlich losgehen sollen.« Mit meiner aufrichtigsten Miene blicke ich zu ihm auf. »Es tut mir leid, Luke. Ich bin es dir und Minnie schuldig, mich nicht in Gefahr zu bringen, und ich habe meine Lektion gelernt.«
Ich hatte gehofft, Luke würde mir daraufhin vielleicht einen Kuss geben und mir noch mal sagen, wie perfekt ich bin. Aber sein Gesichtsausdruck hat sich irgendwie verändert. Er scheint mir nicht mehr ganz so aufgebracht wie vorhin. Tatsächlich mustert er mich mit einer mehr oder minder altbekannten Miene.
So was Ähnliches wie Misstrauen.
»Wie heißt die Klinik?«, sagt er locker.
»Fällt mir gerade nicht ein.« Ich huste. »Egal, lass uns nicht mehr davon reden. Ich habe so ein schlechtes Gewissen, Luke ...«
»Du könntest einen Blick in deine Unterlagen werfen.« Er deutet auf meine Tasche.
»Das mach ich später.« Ich nicke. »Wenn ich mich nicht mehr so schäme, weil ich dir solche Sorgen bereitet habe.«
Noch immer sieht er mich mit diesem Blick an.
Oh, Gott. Er hat mich durchschaut, oder? Zumindest hat er kapiert, dass ich nicht in einer Klinik für Brustvergrößerungen war.
»Möchtest du was trinken?«, sagt er plötzlich.
»Äh ... okay«, sage ich mit Herzklopfen. »Hast du denn Zeit?«
»Ich könnte eine Viertelstunde abzweigen.« Er wirft einen Blick auf seine Uhr. »Verrate es nur nicht meiner Assistentin.« »Bestimmt nicht.« Ich stoße ein leicht unnatürliches Lachen aus. »Nicht dass ich sie überhaupt kennen würde!«
»Natürlich kennst du sie.« Luke wirft mir einen verwunderten Blick zu, als er zum Tresen geht. »Bonnie. Ihr seid euch schon begegnet.«
»Ach ja. Natürlich.«
Ich lasse mich auf einem Stuhl nieder und löse meine verkrampften Finger von der Tasche. Diese ganze Sache mit der Geheimparty ist total stressig, und dabei habe ich gerade erst angefangen.
»Auf dein Wohl.« Luke ist mit zwei Gläsern Wein wieder an den Tisch zurückgekommen, und wir stoßen an.
Eine Weile schweigen wir und trinken. Luke beobachtet mich über den Rand seines Glases hinweg. Dann -als hätte er einen Entschluss gefasst -stellt er es ab.
»Es gibt gute Neuigkeiten. Wir haben zwei neue Klienten. Nicht aus der Finanzwelt.«
»Oooh!« Interessiert blicke ich auf. »Wen?«
Lass es Gucci sein, lass es Gucci sein ...
»Eine Firma für Klimatechnik. Sie bemühen sich um Investoren für ein neues Projekt zur C02-Absorption und möchten, dass wir mit an Bord kommen. Könnte interessant sein.«
C02-Absorption. Hmpf.
»Wunderbar!«, sage ich warmherzig. »Bravo! Was ist mit dem anderen?«
»Das andere ist ein ziemlicher Coup ...«, sagt er mit funkelnden Augen. Dann zögert er, sieht mich an und nippt an seinem Wein. »Leider ist der Deal noch nicht ganz unter Dach und Fach. Ich sage es dir, wenn es so weit ist.«
»Na, trotzdem herzlichen Glückwunsch.« Ich erhebe mein Glas. »Ich könnte mir vorstellen, dass du momentan ein paar gute Nachrichten gebrauchen kannst.«