»Die Wirtschaftslage ist wirklich nicht so rosig.« Er verzieht das Gesicht. »Was ist mit deinem Job? Ich könnte mir vorstellen, dass ihr es in den letzten lagen auch nicht leicht hattet.«
»Na ja, eigentlich ... « Schon will ich ihm von meinem tollen neuen System erzählen, mit dem die Kundinnen ihre Einkäufe vor den Ehemännern verbergen können.
Doch ich bremse mich. Wenn ich es recht bedenke, sollte ich das Ganze vielleicht lieber für mich behalten. »Wir schlagen uns so durch«, sage ich stattdessen. »Du weißt schon.«
Luke nickt, nimmt noch einen Schluck Wein und lehnt sich auf seinem Stuhl zurück. »Schön, dass wir einen Moment für uns haben, nur wir zwei. Du solltest öfter in diese Gegend kommen. Wenn auch nicht unbedingt für eine Schönheits-OP« Wieder wirft er mir diesen skeptischen Blick zu.
Will er weiter darauf herumhacken? Oder nicht? Ich kann es wirklich nicht sagen. »Hast du die E-Mail mit den Kindermädchen gesehen?« Eilig wechsle ich das Thema. »Sind die nicht toll?«
»Ja!« Er nickt. »Ich war beeindruckt.«
Wir haben schon stapelweise Lebensläufe von Ultimate Nannies bekommen, und eine Bewerberin sieht besser aus als die andere! Eine spricht fünf Sprachen, eine ist über den Atlantik gesegelt, und eine hat einen Magister in Kunstgeschichte. Wenn von denen keine dafür sorgen kann, dass Minnie kultiviert und ausgeglichen wird, dann weiß ich nicht wer.
»Ich muss los.« Luke steht auf, und ich greife mir meine Tasche. Wir treten auf die Straße hinaus, und Luke bleibt stehen, um mir einen Kuss zu geben. »Mach's gut, Becky.«
»Bis später.« Ich nicke. Ich bin gerettet. Er will es dabei belassen. Obwohl er nie im Leben an die Busenstory glaubt. Danke, dass du mir vertraust, möchte ich als leise Nachricht in seinen Kopf senden. Ich hatte nichts Böses vor, versprochen.
Ich halte die Luft an und sehe ihm hinterher, bis er um die Ecke ist. Dann sinke ich auf eine Bank in der Nähe, zücke meinen Klappspiegel und sehe mir mein Gesicht genauer an.
Okay, Luke hat echt keine Ahnung von irgendwas. Es wäre ohne Weiteres möglich, dass ich Botox bekommen habe. Sieh sich einer dieses total glatte Stück unter meinem Haaransatz an. Er muss blind sein.
Als ich wieder zu The Look komme, ist Jasmine am Telefon.
»Ja, vierzehn Uhr, kein Problem«, sagt sie. »Bis dann.« Sie legt den Hörer auf und sieht mich mit einem Ausdruck triumphaler Begeisterung an. (Womit ich sagen will, dass sich ein Mundwinkel widerwillig zu einem Lächeln anhebt. Ich kann Jasmine mittlerweile ganz gut einschätzen.) »Tja, dein Plan hat funktioniert. Drei Kundinnen haben ihre Termine nachträglich wieder zugesagt. «
»Super!«
»Und eine Kundin wartet schon, fügt Jasmine hinzu. »Ohne Termin. Sie sagt, sie möchte dich -und nur dich -sprechen. Bist du wiederkommst, treibt sie sich draußen in der Verkaufsabteilung herum.«
»Okay«, sage ich überrascht. »Gib mir nur einen Moment Zeit.« Ich haste in meine Garderobe, stelle meine Tasche weg, frische mein Lipgloss auf und frage mich, wer das wohl sein könnte. Oft genug kommen Kundinnen ohne Termin, also könnte es sonstwer sein. Oh, Gott, ich hoffe, es ist nicht dieses Mädchen, das wie Jennifer Aniston aussehen möchte, denn das schafft sie im Leben nicht, egal wie viele Trägerhemdchen sie auch kaufen mag ...
»Rebecca.«
Eine altbekannte, herablassende Stimme unterbricht meine Überlegungen. Einen Moment lang kann ich gar nicht reagieren. Es kommt mir vor, als würde ich träumen. In meinem Nacken kribbelt es, als ich mich schließlich umdrehe ... und sie ist es. Perfekt wie eh und je, mit pistaziengrünem Kostüm, steifer Frisur, starrer Miene und ihrer Crocodile Birkin von Hermes am dürren Arm.
Sie war es, schießt mir durch den Kopf. Sie war draußen vor der Kirche .
»Elinor!« bringe ich hervor. »Was für eine ...Überraschung.« Das wäre dann wohl die Untertreibung des Jahres .
»Hallo, Rebecca.« Abfällig sieht sie sich in der Garderobe um, als wollte sie sagen: »Ich hätte etwas Besseres erwartet«, was echt dreist ist, weil hier gerade erst renoviert wurde.
»Äh ... was kann ich für dich tun?«, sage ich schließlich.
»Ich möchte ... «, Sie stockt, und es folgt langes, eisiges Schweigen. Ich fühle mich wie in einem Theaterstück, bei dem wir beide unseren Text vergessen haben. Was zum Teufel willst du hier?, möchte ich am liebsten sagen. Oder im Grunde nur: Grrrrrrrr.
Dieses Schweigen wird langsam lächerlich. Wir können nicht ewig hier so stehen wie zwei Schaufensterpuppen. Elinor hat sich Jasmine als Kundin vorgestellt. Na denn. Ich werde sie wie eine Kundin behandeln .
»Und hast du etwas Spezielles im Sinn?« Ich nehme meinen Notizblock hervor, als wäre sie eine Kundin wie alle anderen auch. »Etwas für den Alltag vielleicht? Wir haben ein paar neue Stücke von ChaneI, die meiner Ansicht nach zu deinem Stil passen könnten.«
»Nun gut, sagt Elinor nach einer langen Pause.
Was?
Sie will Kleider anprobieren? Hier? Ernstlich?
»Okay«, sage ich und komme mir dabei vor wie im falschen Film. »Gut. Ich werde ein paarTeile aussuchen, die dir ... äh ... gefallen könnten.«
Ich gehe und sammle die Kleider zusammen, dann kehre ich in die Garderobe zurück und reiche sie Elinor. »Probier ruhig so viel an, wie du möchtest«, sage ich freundlich. »Ich warte draußen, falls du Rat oder Hilfe brauchst.«
Leise schließe ich die Tür und stoße einen stillen Schrei aus. Elinor. Hier. Was zum Teufel soll das werden? Soll ich Luke davon erzählen? Das Ganze ist einfach zu schräg. Plötzlich wünschte ich, ich hätte Luke mehr gedrängt, mir zu erzählen, was genau zwischen den beiden vorgefallen ist und was sie Fürchterliches gesagt hat. Sollte ich Elinor theatralisch an den Kopf werfen, dass sie verschwinden und The Look nie wieder mit ihrer Gegenwart verfinstern soll?
Da würde man mich wahrscheinlich feuern.
Nach einer Minute etwa geht die Tür wieder auf, und Elinor erscheint mit einem ganzen Arm voller Kleider. Sie kann sie unmöglich anprobiert haben. So viel Zeit war nicht.
»Soll ich sie dir abnehmen?« Ich zwinge mich, freundlich zu bleiben.
»Ja. Sie waren zufriedenstellend.« Sie nickt.
Einen Moment denke ich, ich muss sie falsch verstanden haben. »Du meinst ... du willst sie haben?«, frage ich ungläubig. »Du willst sie kaufen?« »Gut. Ja.« Ungeduldig runzelt sie die Stirn, als ginge ihr das Gespräch jetzt schon auf die Nerven. Acht Riesen für Kleider? Einfach so? Mein Bonus wird galaktisch sein! »Okay! Nun, das ist schön!« Ich versuche, mir meine Freude nicht anmerken zu lassen. »Irgendwelche Änderungen oder so?«
Elinor schüttelt kaum merklich ihren Kopf. Das ist offiziell der bizarrste Termin, den ich je hatte. Wer achttausend Pfund für Kleidung ausgibt, kommt doch wenigstens einmal heraus, macht eine Pirouette und sagt: >Wie sehe ich aus?<
Jasmine schiebt eine Stange voller Kleider vorbei, und ich sehe, dass sie Elinor ungläubig mustert. Man muss sie einfach gesehen haben, diese Elinor, mit ihrer blassen Haut, dem starren, stark geschminkten Gesicht und den aderigen, mit Edelsteinen überladenen Händen und ihrem stählernen, herrischen Blick. Außerdem sieht sie älter aus, wie mir plötzlich auffallt. Ihre Haut wirkt dünn und ausgetrocknet, und ich sehe ein paar graue Strähnen an ihrer Schläfe, die der Friseur offenbar übersehen hat. (Vermutlich wird er im Morgengrauen erschossen.)