Выбрать главу

»Mh-hm.« Luke nickt kaum merklich.

Der hat ja Nerven. Am liebsten würde ich sagen: »Nein, kriegen sie nicht! Die stapeln sich alle in deinem Büro, zum unterschrieben!« 

»Oh, gut.« Ich zwinge mich, gleichgültig zu klingen. »Denn offenbar macht es die Menschen richtig glücklich, wenn sie wissen, dass ihr Chef die Karte persönlich unterschrieben hat und nicht nur seine Sekretärin oder so. Es steigert ihre Endorphin-Produktion um fünfzehn Prozent.«

Luke hört auf zu tippen. Ja! Ich bin zu ihm durchgedrungen.

» Becky ... du liest echt einen Haufen Blödsinn. «

Blödsinn?

»Das ist der neueste Stand der Forschung«, sage ich würdevoll. »Man sollte meinen, du würdest dich dafür interessieren, was ein winzig kleines Ding wie eine unterschriebene Geburtstagskarte bewirken kann. Denn viele Chefs würden so etwas einfach vergessen. Aber du ja offensichtlich nicht.«

Ha. Nimm das, Mister Zu-viel-zu-tun-zum-Unterschreiben.

Einen Moment habe ich Luke zum Schweigen gebracht.

»Faszinierend«, sagt er schließlich. Doch dann nimmt er einen Bleistift und notiert sich was auf dem Zettel, den er immer bei sich hat. Ich tue so, als würde ich nichts mitbekommen, innerlich lächle ich allerdings zufrieden.

Okay, damit scheint mir dieses Thema endgültig abgehakt zu sein. Und ich möchte ganz bestimmt nicht wieder von Botox anfangen. Also kuschle ich mich mit ausgiebigem Gähnen in die Kissen, um einzuschlafen.

Als ich jedoch die Augen schließe, sehe ich immer noch Elinor vor mir. Ich habe ernstlich ein schlechtes Gewissen ihretwegen, was sehr merkwürdig ist und eine ganz neue Erfahrung. Aber heute kann ich deswegen nichts mehr unternehmen.

Na, gut. Ich überleg mir morgen was.

Von: Bonnie Seabright Betreff: Karten Datum: 23. Januar 2006 An: Becky Brandon

Luke hat alle Geburtstagskarten unterschrieben! Vielen Dank! Bonnie!

Von: Becky Brandon Betreff: Re: Karten Datum: 24. Januar 2006 An: Bonnie Seabright

Kein Problem! Sagen Sie einfach Bescheid, wenn Sie etwas auf dem Herzen haben.

Becky xxx

PS: Hatten Sie schon Gelegenheit, den Fitnessraum anzusprechen?

ZENTRALBEHÖRDE  FÜR FINANZ UND WIRTSCHAFTSPOLIK

5. Stock

180 Whitehall Place

London

SWI

Mrs. Rebecca Brandon

The Pines

43 Elton Road

Oxshott

Surrey

                                                                                    6. Februar 2006

Liebe Rebecca,

vielen Dank für Ihren Brief vom 1. Februar.

Der Schatzkanzler hat tatsächlich kürzlich eine Rede gehalten, in der er die Bedeutung des Einzelhandels für die Britische Wirtschaft hervorhob.

Leider gibt es zu diesem Zeitpunkt weder einen spezifischen Orden des Britischen Empires noch einen weiblichen Adelstitel für »Shopping«, wie Sie vorgeschlagen haben. Sollte eine solche Ehrung eingeführt werden, will ich Ihren Namen gern weiterleiten.

Aus diesem Grunde schicke ich Ihnen dankend Ihr Päckchen mit den Quittungen und Etiketten zurück, nachdem ich es mit Interesse durchgesehen habe und Ihnen darin zustimmen muss, dass diese Sammlung, wahren Einsatz für die Ankurbelung der Wirtschaft, beweist.

Mit freundlichen Grüßen

Edwin Tredwell

Abteilungsleiter Strategierecherche  

9

Eine Woche später weiß ich noch immer nicht, was ich mit Elinor machen soll. Ehrlich gesagt hatte ich so viel zu tun, dass ich ihr kaum einen Gedanken widmen konnte. Wir wurden geradezu überrannt von Kundinnen, die unseren vertraulichen Kaufservice nutzen wollten! Es ist unglaublich! Die Fernsehnachrichten mögen trostlose Bilder von menschenleeren Einkaufsstraßen zeigen ... aber die sollten mal in unsere Abteilung kommen -die brummt nämlich!

Und ich habe noch mehr um die Ohren als sonst, denn heute fangt unsere neue Nanny an.

Sie heißt Kyla und ist ganz fabelhaft. Sie hat ihren Abschluss in Harvard gemacht und einen Magister in Pädagogik, und sie ist ausgebildete Lehrerin für Mandarin und Tennis und Flöte und Gitarre und Gesang und ... noch irgendwas, das ich vergessen habe. Harfe vielleicht. Ursprünglich kam sie mit einer amerikanischen Familie nach Großbritannien, aber die ist wieder nach Boston zurück, und Kyla wollte lieber bleiben, weil sie nach Feierabend ihre Dissertation an der Goldsmiths University schreibt und hier drüben Familie hat. Daher möchte sie nicht mehr als drei Tage die Woche arbeiten, was uns nur recht ist.

Und sie hat echte Pferdezähne.

Die sind riesig. Fast wie ein Elch.

Nicht, dass ihr Äußeres von Belang wäre. Warum sollte es? Ich habe keine Vorurteile. Ich bin ja schließlich kein Mensch, der auf Oberflächlichkeiten achtet. Ich hätte sie auch engagiert, wenn sie ein megastrahlendes Supermodel-Lächeln gehabt hätte.

Aber trotzdem. Ihre Zähne haben mich irgendwie für sie eingenommen. Außerdem sind ihre Haare nicht mal im Entferntesten seidig.

Was im Übrigen beim Vorstellungsgespräch keine Rolle spielte. Als ich Kylas seidiges Haar schrieb, meinte ich damit was total anderes, und Luke hätte mich damit keineswegs aufziehen müssen. Kylas Haare sind mir nur so nebenbei aufgefallen, aus Interesse, und sie trägt einen ausgesprochen tristen Bubikopf mit ein paar grauen Strähnen.

Im Grunde ist sie also perfekt!

»Julie Andrews müsste bald hier sein, oder? »Mum kommt in die Küche, wo Minnie mit Knetgummi spielt und ich etwas lustlos bei eBay herumstöbere. Sie sieht die Website und holt tief Luft. »Bist du am Shoppen, Becky?« 

»Nein!« , sage ich empört.

Dass ich bei eBay bin, muss doch nicht zwingend heißen, dass ich irgendwas kaufe, oder? Selbstverständlich brauche ich keine Türkisen Lacklederschuhe von ehloe, einmal getragen, nur Paypal. Ich halte mich auf dem Laufenden, was es da so gibt. Wie man sich eben über den Lauf der Welt informiert.

»Ich hoffe, du hast Minnies Lederhosen griffbereit?«, fügt Mum hinzu. »Und deine Hundepfeife?« 

»Ha ha«, sage ich höflich.

Mum ist nach wie vor reichlich kratzbürstig, was unsere Nanny angeht. Sie war richtig eingeschnappt, als Luke und ich sie nicht bei den Vorstellungsgesprächen dabeihaben wollten. Kopfschüttelnd schlich sie draußen vor der Tür herum und musterte jede Kandidatin abschätzig von oben bis unten. Und als sie dann Kylas Lebenslauf las, mit all dem Zeug über ihre Gitarre und das Singen, war der Fall für sie klar. Sie taufte Kyla auf den Namen »Julie Andrews«, weil sie sie an besagte Schauspielerin in The Sound of Music erinnerte, und lässt seitdem kleine, ach so lustige Bemerkungen fallen. Sogar Janice macht mit und nennt Luke inzwischen »Baron von Trapp«, was echt nervig ist, weil für mich dann nur entweder die tote Ehefrau oder die Baronin übrig bleibt.

»Falls sie Kleider aus Gardinen nähen will, könntest du ihr dann sagen, sie soll die aus dem blauen Zimmer nehmen?«, fügt Mum hinzu.

Ich werde einfach so tun, als hätte ich sie nicht gehört. Und außerdem klingelt mein Telefon. Lukes Nummer steht auf dem Display. Wahrscheinlich will er wissen, wie es läuft.