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Daran habe ich nie gezweifelt. Ich gehe davon aus, dass sie außerdem einen gottverdammten Michelin-Stern hat. »Absolut« antworte ich, ohne mit der Wimper zu zucken. »Minnie liebt Gemüse. Stimmt es nicht, Schätzchen?«

Minnie hat in ihrem ganzen Leben noch keine Möhre gegessen. Als ich einmal versucht habe, welche im Shepherd's Pie zu verstecken, hat sie den Shepherd's Pie davon abgelutscht und eine Möhre nach der anderen durchs Zimmer gespuckt.

Aber das werde ich vor Miss Perfect nicht zugeben. Wenn sie so eine tolle Nanny ist, kann sie Minnie ja wohl auch dazu bringen, Möhren zu essen, oder?

»Also, vielleicht sollten Sie sich eine Weile zurückziehen, während Minnie und ich uns kennenlernen!«, Strahlend wendet sich Kyla Minnie zu. »Willst du mir dein Knetgummi zeigen?« 

»Okay!«, sage ich. »Bis später.«

Ich verziehe mich mit meiner Tasse Kaffee aus der Küche und stoße beinah mit Mum zusammen, die sich auf dem Flur herumtreibt.

»Mum!«, rufe ich aus. »Spionierst du uns etwa aus«, »Kennt sie schon die Liedzeilen von >Edelweiss<?«, sagt sie verschnupft. »Oder sind wir immer noch bei >Alle meine Entchen<? Arme, alte Mum. Ich sollte wirklich versuchen, sie ein wenig aufzuheitern.

»Hör mal, wieso gehen wir zwei nicht shoppen?<" schlage ich spontan vor. »Kyla möchte Minnie kennenlernen, und Dad ist zu Hause. Für den Fall, dass sie irgendwelche Probleme bekommt ...<'

»Ich kann nicht shoppen gehen!«, erwidert Mum zickig. »Weißt du nicht mehr? Wir sind verarmt. Ich musste bereits alle unsere Bestellungen bei Ocado absagen. Dein Vater hat darauf bestanden. Keine exquisiten Quiches mehr, keinen Räucherlachs ... Alles ist streng rationiert.« Mums Stimme bebt. »Wenn ich überhaupt irgendwo hingehe, dann in den Pound Shop!«

Plötzlich habe ich Mitleid mit ihr. Es überrascht mich nicht, dass Mum in letzter Zeit so unglücklich ist.

»Na, dann gehen wir eben in den Pound Shop!« Ich versuche, sie irgendwie bei Laune zu halten. »Komm schon, das wird lustig!«

Bis ich meinen Mantel angezogen habe, hat Mum mit Janice telefoniert, die uns zum Pound Shop begleiten möchte. Und als wir vor die Tür treten, muss ich feststellen, dass Jess bei ihr steht und wartet, in einer uralten Skijacke und Jeans.

»Hi, Jess!«, sage ich, als wir losgehen. »Wie geht's?«

Ich habe Jess seit Ewigkeiten nicht gesehen. Sie und Tom wollten letzte Woche nach Cumbria, und ich wusste gar nicht, dass sie schon wieder zurück sind.

»Ich dreh bald durch«, sagt sie mit brodelndem Unterton. »Ich halt's nicht aus. Hast du schon mal versucht, bei Janice und Martin zu wohnen?«

»Äh ... nein.« Ich kann mir kaum vorstellen, dass Janice und Jess allzu gut miteinander auskommen. »Was ist passiert?«

»Zuerst hat sie uns ständig bedrängt, dass wir noch mal Hochzeit feiern sollen. Nachdem sie das jetzt aufgesteckt hat, sollen wir ein Baby kriegen.«

»Schon?« Ich möchte lachen. »Aber ihr seid doch erst fünf Minuten verheiratet!«

»Genau! Aber Janice hört nicht auf, Anspielungen zu machen. Jeden Abend sitzt sie da und strickt irgendwas Gelbes, Flauschiges, will aber nicht sagen, was es wird.«

»Tja. Da sind wir ...« Mum unterbricht unser Gespräch, als wir zur Hauptstraße kommen. Rechts von uns gibt es einen Pound Shop und gegenüber einen 99p-Shop. Einen Moment lang betrachten wir beide schweigend und zweifelnd. »In welchen wollen wir gehen?«, meint Janice schließlich. »Der 99p-Shop ist natürlich etwas billiger ... « Ihr Satz verrinnt.

Mums Blick schweift immer wieder über die Straße zum Emma Jane Gift Shop, dieser zauberhaften Boutique mit Kaschmir-Strickwaren und handgemachter Keramik, in dem wir beide gern stöbern. Ich sehe sogar ein paar von Mums Bridge Freundinnen da drinnen, die uns zuwinken. Doch dann reißt sich Mum zusammen, als zöge sie in eine Schlacht, und sie wendet sich dem Pound Shop zu.

»Ich habe gewisse Ansprüche, Janice«, sagt sie mit stiller Würde, wie ein General, der verkündet, dass er sich zum Essen umzieht, obwohl überall um ihn herum die Bomben fallen. »Ich glaube nicht, dass wir jetzt schon in den 99p-Shop müssen.«

»Okay«, flüstert Janice etwas fahrig.

»Ich schäme mich nicht, hier gesehen zu werden«, fügt Mum hinzu. »Wofür sollte ich mich schämen? Das ist unser neuer Lebensstil, und wir werden uns alle einfach daran gewöhnen müssen. Wenn dein Vater sagt, wir müssen uns von Rübenmarmelade ernähren, dann soll es so sein.«

»Mum, er hat nicht gesagt, dass wir uns von Rübenmarmelade ... «, will ich sagen, aber Mum stolziert bereits hinein, mit hoch erhobenem Kopf. Jess und ich werfen uns einen Blick zu und folgen ihr.

Wow. Der Laden ist größer, als ich dachte. Und es gibt so viel Zeug! Mum hat sich schon einen Korb genommen und stellt mit eckigen, widerwilligen Bewegungen irgendwelche Dosen mit zweifelhaft aussehendem Fleisch hinein.

»Dein Vater wird einfach seine Geschmacksknospen auf seine Brieftasche einstellen müssen!«, sagt sie und stellt klappernd die nächste Dose in den Korb. »Vielleicht können wir uns so etwas wie Nährwert einfach nicht mehr leisten! Vielleicht sind Vitamine nur noch etwas für die Superreichen!«

»Oh, Cognacbohnen!«, sage ich, als ich welche entdecke. »Kauf welche davon, Mum! Und Toblerone!«

Hey. Da drüben ist ein Regal mit Wattebäuschchen. Es wäre doch verrückt, sich keinen Vorrat davon anzulegen. Ich meine, es wäre ökonomisch unsinnig. Und da gibt es Make-up-Applikatoren und sogar Wimpernformer! Für nur ein Pfund! Ich schnappe mir einen Korb und fange an, ihn vollzupacken.

»Jane!« Ich höre eine atemlose Stimme und sehe Janice, die einen Stapel von Schachteln mit der Aufschrift »Solar-Gartenlichter« an sich presst. »Hast du die hier gesehen? Die können doch unmöglich nur ein Pfund kosten! «

»Ich glaube, hier kostet alles nur ein Pfund ...«, will ich sagen, doch sie tippt bereits einer Verkäuferin an die Schulter.

»Verzeihung«, sagt sie höflich. »Wie viel kostet das?«

Die Verkäuferin wirft ihr einen abgrundtief verächtlichen Blick zu. »Pund.« »Und das da?« Sie deutet auf einen Gartenschlauch. »Pund. Kostet alles Pund. Ist Pundshop, oder?«  »Aber ... aber ... « Janice scheint vor lauter Aufregung die Luft auszugehen. »Das ist ja unglaublich! Sind Sie sich darüber im Klaren, was die bei John Lewis kosten würden?«

Ich höre ein Stöhnen aus dem Nachbargang und sehe, dass Mum einen Stapel Plastikdosen schwenkt. Sie hat ihre Märtyrermiene abgelegt, und ihre Augen leuchten. »Janice! Tupperware!«

Gerade will ich ihnen folgen, als mir ein Regal mit glitzernden Schlangenhautgürteln auffällt. Es ist unglaublich. Ich meine, jeder Gürtel nur ein Pfund! Es wäre kriminell, nicht zuzuschlagen. Und da gibt es einen ganzen Haufen Hair-Extensions und Perücken ... mein Gott, dieser Laden ist das Größte! Wieso war ich noch nie hier?

Ich lege fünf Gürtel und eine Auswahl von Perücken in meinen Korb und werfe diverses Make-up von »berühmten Marken« dazu (obwohl ich von keiner dieser Marken je etwas gehört habe), dann wandere ich weiter und finde mich vor einem Regal wieder, auf dem steht: »Partyservice Retouren -gekauft wie gesehen.“

Wow. Sieh sich das mal einer an! Da gibt es massenweise Platzkarten und Tischkonfetti und so Zeug. Perfekt für eine Party.

Schweigend stehe ich eine Weile davor. In meinem Kopf dreht sich alles. Natürlich kann ich die Sachen für Lukes Party nicht in einem Pound Shop kaufen. Es wäre echt schäbig und geizig von mir.