»Starrsinnig?« Ich lege meine Stirn in Falten, als wäre ich erstaunt. »Nein, das sieht Minnie gar nicht ähnlich. Mir gegenüber ist sie nie starrsinnig«, füge ich dann noch hinzu. »Sie ist ein kleiner Engel, stimmt's nicht, Schätzchen?« Ich strahle Minnie an.
»Verstehe.« Kylas Wangen sind gerötet, und sie scheint mir ein wenig unter Druck zu stehen. »Nun, ich denke, es ist vielleicht noch etwas zu früh, um etwas sagen zu können, nicht wahr, Minnie? Die andere Sache ... « Sie flüstert. »Sie will keine Möhren essen. Bestimmt will sie mich nur ärgern. Sie sagten doch, sie isst Möhren, oder?«
»Absolut«, sage ich nach einer ultrakurzen Pause. »Immer. Mach schon, Minnie! Iss deine Möhren!«
Ich gehe zum Kinderstuhl hinüber und sehe mir Minnies Essen an. Hühnchen und Kartoffeln sind fast weg, aber da liegt noch ein ganzer Stapel hübsch gekochter Möhren, die Minnie anstarrt, als wären sie der Schwarze Tod.
»Ich begreife nicht, was ich falsch mache.« Kyla klingt, als stünde sie ziemlich unter Druck. »Solche Probleme hatte ich mit Eloise nie ... «
»Könnten Sie mir vielleicht einen Becher geben, Kyla?«, sage ich beiläufig. Als sie sich zum Regal hinwendet, nehme ich schnell eine Möhre vom Teller, stopfe sie mir in den Mund und schlucke sie in einem Stück herunter.
»Eben hat sie eine gegessen«, sage ich und gebe mir Mühe, dabei nicht allzu selbstgefallig zu klingen. »Sie hat eine gegessen?« Kyla fahrt herum. »Aber ... aber ich versuche es schon seit einer Viertelstunde!«
»Sie kriegen den Dreh schon noch raus«, sage ich freundlich. »Könnten Sie mir vielleicht auch noch ein Kännchen reichen?« Als sie sich abwendet, stopfe ich mir die nächste Möhre in den Mund. Eins muss ich Kyla lassen -sie schmecken ziemlich lecker.
»Hat sie schon wieder eine gegessen?« Ich sehe, wie Kyla begeistert die Möhren auf dem Teller zählt. Gut, dass ich so schnell kauen kann.
»Ja!« Ich räuspere mich. »Braves Mädchen, Minnie! Jetzt iss auch noch den Rest für Kyla ... « Eilig gehe ich quer durch die Küche und fange an, Kaffee zu kochen. Hinter mir höre ich Kyla, entschlossen optimistisch.
»Komm schon, Minnie! Lecker Möhren. Zwei hast du schon gegessen. Zeig uns mal, wie schnell du auch noch den Rest aufessen kannst!«
»Neeeeiiiin!«, schreit Minnie sie an, und als ich mich umdrehe, sehe ich, dass sie ihr fast die Gabel aus der Hand schlägt. »Neeeiiiin Möö-hrn!«
Oh, Gott. Jeden Moment pfeffert sie die Möhren durch die Gegend.
»Sagen Sie, Kyla ... «, frage ich hastig. »Wären Sie wohl ein Schatz und würden mir meine Einkäufe nach oben tragen? Die Tüten in der Diele. Ich passe so lange auf Minnie auf.«
»Klar.« Kyla wischt sich die Stirn. »Kein Problem.«
Sobald sie draußen ist, hetze ich zu Minnies Kinderstuhl und stopfe mir alle Möhren in den Mund. Gott im Himmel, wieso musste sie nur so viele von den Dingern kochen? Ich kriege meinen Mund kaum wieder zu, ganz zu schweigen davon, dass ich sie kauen könnte ...
»Becky?« Entsetzt erstarre ich, als ich Kylas Stimme hinter mir höre. »Ihre Mum sagt, ich soll diese Tüten hier in die Küche bringen. Ist das okay?«
Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich habe die Backen voller Möhren.
Okay, geht schon. Ich drehe ihr den Rücken zu. Sie kann meinen Mund nicht sehen.
»Mmm-hmm«, bringe ich undeutlich hervor.
»Oh, mein Gott! Hat sie alle Möhren aufgegessen?« Kyla lässt die Einkaufstüten fallen. »Und so schnell! Was ist passiert? Hat sie sie einfach runtergeschlungen?«
»Mmm-hmmm.« Ohne sie anzusehen, zucke ich ausdrucksvoll -wie ich hoffe -mit den Schultern.
Da kommt Kyla zum Kinderstuhl hinüber. Eilig weiche ich zurück, bis ich am Fenster stehe, noch immer von ihr abgewandt. Gott, es ist grässlich. Von den vielen Möhren tut mir der Unterkiefer weh, und von der Anstrengung wird mein Gesicht ganz heiß. Ich riskiere einen kleinen Biss, dann noch einen ...
»Das gibt's doch nicht.« Kylas Stimme kommt aus dem Nichts. Mist! Sie steht einen halben Meter vor mir und starrt mich an. Wie ist sie um mich herumgeschlichen, ohne dass ich es gemerkt habe? Heimlich werfe ich einen kurzen Blick in den Edelstahlkühlschrank.
Oh, Gott. Da ragt die Spitze einer Möhre aus meinem Mund. Einen Moment lang starren wir einander nur an. Ich traue mich nicht recht, mir das Gemüse in den Mund zu schieben. »Minnie hat die Möhren gar nicht selbst gegessen, stimmt's?«, sagt Kyla höflich, wenn auch mit einer gewissen Schärfe. Verzweifelt starre ich sie an. Ob mir die Möhren auf den Boden fallen, wenn ich etwas sage? »Möglich, dass ich ihr geholfen habe«, sage ich schließlich eher undeutlich. »Ein bisschen.« Ich sehe, dass Kylas Blick ungläubig von mir zu Minnie wandert, und dann wieder zurück.
»Ich habe so das Gefühl, dass sie auch das Gedicht nicht selbst verfasst hat, was?«, sagt sie, und nun klingt definitiv Sarkasmus durch. »Mrs. Brandon, wenn ich effektiv mit einer Familie arbeiten soll, bin ich auf offene und ehrliche Kommunikation angewiesen. Ich brauche Aufrichtigkeit. Und darauf kann ich hier offensichtlich nicht hoffen. Tut mir leid, Minnie. Ich hoffe, ihr findet eine Betreuerin, die dir gewachsen ist.«
»Sie können doch nicht einfach gehen ...«, sage ich bestürzt und etwas unverständlich, und mir fallen drei Möhren aus dem Mund.
Verdammt.
Von: cathy@ultimatenannies.uk.com Betreff: Re: Kleiner Gefallen Datum: 8. Februar 2006 An: Becky Brandon
Liebe Mrs. Brandon,
vielen Dank für Ihre telefonische Nachricht. Es tut uns leid, dass es mit Kyla nicht geklappt hat.
Leider können wir keine Post-its an alle unsere Mitarbeiter ausgeben, wie Sie vorschlagen, damit diese, falls Ihr Mann anruft, Bescheid wissen, »dass Kyla sich das Bein gebrochen hat«. Hinsichtlich eines sofortigen Ersatzes, »der wie Kyla aussieht«, muss ich Ihnen leider mitteilen, dass auch ein solcher leider nicht zur Verfügung steht.
Vielleicht könnten Sie mich anrufen, falls Sie die Angelegenheit noch weiter erörtern möchten.
Herzlichst,
Cathy Ferris
Geschäftsleitung, Ultimate Nannies
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