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»Tschuldigung«, murmelt er. »Bisschen heiß.« »Du schaffst es!«, feuert Nicole ihn noch mal an. »Komm schon. Denk einfach: Luella.«

»Okay.« Er hat die Augen geschlossen und scheint seinen ganzen Mut zusammenzunehmen. »Ich mach es. Ich mach es.«

Der Stock steht mittlerweile halb in Flammen. Okay, nie im Leben ist dieser Typ ein echter Feuerschlucker.

»Warte!«, rufe ich, als er den brennenden Stock wieder anhebt. »Hast du das denn schon mal gemacht?«

»Hab ich bei YouTube gesehen«, sagt Daryl schwitzend. »Ich kann das.«

YouTube?

»Ausatmen, Daryl«, mischt Nicole sich ein, ein wenig sorgenvoll. »Vergiss nicht: Ausatmen!«

Wieder hebt er zitternd den Stock an. Hellrote Flammen flackern auf wie ein Inferno. Jeden Moment wird er uns alle in Brand setzen.

»Komm schon«, murmelt er vor sich hin. »Komm schon, Daryl.«

»Aufhören!«, rufe ich entsetzt. »Du wirst dir nur wehtun! Hör zu, du kannst die Luella-Tasche haben, okay? Du kannst sie haben! Nur verbrenn dir nicht das Gesicht!«

»Wirklich?« Daryl lässt den Stock sinken, wobei er etwas weiß und zittrig aussieht, dann macht er plötzlich einen Satz, als die Flamme ihm die Finger versengt. »Autsch! Scheiße!« Er lässt sie fallen, schüttelt seine Hand, und wir sehen uns an, wie die Flamme verglüht.

»Du bist überhaupt kein Feuerschlucker, oder?«, sage ich schließlich. »Nein.« Er scharrt mit dem Fuß. »Ich wollte nur das Täschchen. Krieg ich es wirklich trotzdem?«

Ich kann es ihm nicht verdenken. Offen gesagt, wenn ich eine Anzeige sehen würde, in der jemand eine DesignerTasche anbietet, im Gegenzug für einen Auftritt als Feuerschlucker, würde ich wahrscheinlich auch so tun, als könnte ich Feuer schlucken. Trotzdem bin ich irgendwie entmutigt. Was wird jetzt aus Lukes Party?

»Okay.« Ich seufze. »Du kannst sie haben.« 

Ich sehe Nicole an, die noch immer voller Hoffnung ist und ihren Arm um die graue Marc-Jacobs-Tasche geschlungen hat. Wenn ich die Wahrheit sagen soll, benutze ich die beiden Taschen überhaupt nicht mehr. Und irgendetwas sagt mir, dass ich dafür nie im Leben ein Festzelt bekomme werde.

»Und, Nicole, du kannst die Marc-Jacobs-Taschen auch behalten, wenn du willst.«  »Hammer! »Sie explodiert beinah vor Freude. Echt wahr? Wollen Sie, dass ich Ihnen ... das Auto wasche oder so?«

»Nein, danke!« Da muss ich doch lachen.

Nicoles Gesicht leuchtet. »Das ist unfassbar. Oh, guck mal, da kommt Julie!« »Sag nichts«, sage ich. »Ihr kennt euch auch.« Ein blondes Mädchen kommt die Auffahrt herauf, mit drei bunten Bällen in der Hand.

»Hi!« Sie lächelt unsicher. »Ich bin die Jongleurin? Für die Gina-Sandalen?« »Kannst du jonglieren?«, frage ich unverblümt. »Na ja ... « Zögernd sieht sie Nicole an, die eine Grimasse schneidet und den Kopf schüttelt. »Mh ... ich lerne schnell?«

Als Daryl, Nicole und Julie die Auffahrt hinuntergehen, sinke ich auf die Stufe vor unserer Haustür und starre ins Leere, umarme meine Knie. Ich bin ein wenig deprimiert. Das war ja ein toller Tausch. Ich meine, nicht, dass ich es bereue, die Sachen weggegeben zu haben. Im Grunde habe ich mich gefreut, dass sie in gute Hände kamen. Und alle drei waren wirklich dankbar.

Aber trotzdem war es nicht gerade eine erfolgreiche Transaktion, oder? Wenn man mich fragt, ist Tauschhandel Mist, und ich weiß gar nicht, wieso ich Jess jemals geglaubt habe. Ich habe drei Designer-Taschen und ein Paar Sandalen weniger und nichts dafür bekommen. Und mit der Party bin ich auch noch keinen Schritt weiter... und wir haben kein Haus... und wir müssen ausziehen ... Mein Kopf sackt immer weiter nach vorn. Doch gleich darauf höre ich eine sanfte Stimme: »Rebecca?«

Ich blicke auf und sehe eine Frau in einer adretten Jacke und einem Rock, die ein Tablett in Händen hält.

»Ich bin Erica«, sagt sie. »Von Oxshott-Marktplatz.com? Mit den Kanapees für den Missoni-Mantel? Ich dachte, ich bringe eine kleine Auswahl mit, damit Sie sich entscheiden können.«

Ich kämpfe mich auf die Beine und starre sie einen Moment lang argwöhnisch an. »Können Sie denn wirklich kochen?«

Erica lacht. »Probieren Sie!« Sie deutet auf das Tablett. »Und dann sagen Sie es mir.«

Wortlos greife ich zu, nehme ein Häppchen und beiße hinein. Es ist eine Garnele mit Chili auf Mürbeteig, und es ist einfach köstlich. Genauso wie das Avocado-Mozzarella-Röllchen.

Als ich alles aufgegessen habe, fühle ich mich tausendmal besser. Wie sich herausstellt, betreibt Erica einen professionellen Partyservice! Sie will ein ganzes Sortiment vorbereiten und selbst servieren. Und der Missoni-Mantel steht ihr fabelhaft, besonders wenn ich noch einen Lackgürtel und ein Paar kniehohe, glänzende Prada-Stiefel drauflege (die mir ins Schienbein schneiden, weshalb ich sie sowieso nie getragen habe) und ihr dann noch die Haare mache.

Und sie hat gesagt, wenn ich möchte, dass sie die ganze Party versorgt, wäre sie auch bereit, noch mehr zu tauschen!

Ich glühe vor Stolz. Es hat geklappt! Hier bin ich, führe Tauschhandel in meiner Gemeinde, bin total grün und lobenswert, nutze die Ressourcen der Welt, wie man es tun sollte. Ohne Geld, ohne Kreditkarten, ohne Abfall. Ich kann es kaum erwarten, Jess davon zu erzählen!

Selig schwebe ich ins Haus und sehe nach Minnie. Dann stelle ich mein Notebook an und rufe Ericas Website auf, nur so interessehalber. Wow. Echt beeindruckend. Da ist sie, sieht mit ihrer Schürze richtig gepflegt und professionell aus. Und da ist auch eine Seite mit Referenzen... und hier ist eine Liste mit Speisekarten ... und ...

Bitte? Schockiert starre ich die Website an. Ich kann es nicht glauben.

Der Missoni-Mantel, die Prada-Stiefel und der Gürtel, die ich getauscht habe, sind zusammen bestimmt tausendsechshundert Pfund wert, mindestens -und hier steht, ich könnte genau dieselbe Menge Schnittchen bei ihrem »Knabber-SpecialDeal« für zwölfhundert Pfund kriegen.

Ich habe vierhundert Pfund zu viel bezahlt. Kein Wunder, dass sie so erpicht darauf war. Als ich den Computer herunterfahre, schäme ich mich förmlich. Ich hatte doch recht. Tauschhandel ist ein dämliches, nutzloses System, und es hatte seinen guten Grund, dass es aus der Mode kam, und ich mache es nie, nie wieder. Was ist so falsch an Geld?

DA. JAMES LINFOOT

36 HARLEY STREET

LONDON W1

Rebecca Brandon

The Pines

42 Elton Road

Oxshott

Surrey

                                                                                        17. Februar 2006

Liebe Rebecca,

vielen Dank für Ihren Brief vom 15. Februar.

In der Tat bin ich Herz-Lungen-Spezialist und höre mit Bedauern von Ihren Symptomen. Jedoch halte ich es für unwahrscheinlich, dass diese durch einen »Shopping-Totalentzug« ausgelöst wurden.

Ich bin keineswegs der Ansicht, dass Sie »aus gesundheitlichen Gründen unbedingt ein paar Kleinigkeiten kaufen« müssen. Ebenso wenig kann ich Ihnen »ein Rezept zum Shoppen« ausstellen.

Ich schlage vor, dass Sie Ihren Hausarzt aufsuchen, falls die Symptome andauern sollten.

Mit freundlichen Grüßen

James Linfoot

ZENTRALHEHÖRDE FÜR FINANZ UND WIRTSCHAFTSPOLITIK

5. Stock

180 Whitehall Place

London SW1

Mrs. Rebecca Brandon

The Pines

43 Elton Road

Oxshott