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Dreieinhalb Jahre bin ich jetzt mit Luke verheiratet, aber ich weiß manchmal immer noch nicht, was in ihm vorgeht. Während wir gehen, kneift er den Mund zusammen, und ich werde fast nervös. Was könnte es sein?

»Hier.« In einer einsamen Ecke des Einkaufszentrums bleibt er stehen und zückt seinen BlackBerry. Auf dem Bildschirm sehe ich eine E-Mail von seinem Anwalt. Sie besteht aus einem einzigen Wort. »Angenommen.« »Angenommen?« Für den Bruchteil einer Sekunde begreife ich nicht. Dann habe ich plötzlich einen Geistesblitz.

»Doch nicht ... Arcodas? Sie haben angenommen?«

»Jep.« Und jetzt sehe ich ein winzig kleines Lächeln glimmen.

»Aber ... du hast nie was gesagt ... ich hatte keine Ahnung ... «

»Ich wollte keine falschen Hoffnungen schüren. Wir verhandeln schon seit drei Wochen. Es ist nicht der tollste Deal für uns ... aber er ist okay. Entscheidend ist: Es ist vorbei.« Meine Beine fühlen sich etwas zittrig an. Es ist vorbei. Einfach so. Die Sache mit Arcodas hängt schon so lange drohend über uns, dass sie schon fast zur Familie gehört, wie eine Verwandte. (Selbstverständlich keine liebe, nette Verwandte. Eher die böse, alte Hexentante mit der Warze auf der Nase und dem fiesen Gackern.)

Es ist zwei Jahre her, dass Luke sich in die Schlacht gegen Arcodas gestürzt hat. Ich sage »Schlacht«. Es war nicht so, als hätte er einen Brandanschlag oder irgendwas verübt. Er weigerte sich nur, für sie zu arbeiten, und zwar aus Prinzip. Und das Prinzip war, dass er keine Bande von Rüpeln repräsentieren wollte, die ihr Personal schlecht behandelt. Luke gehört eine PR-Firma, Brandon Communications, und die meisten seiner Angestellten sind schon seit Jahren bei ihm. Nie habe ich ihn so wütend erlebt wie in dem Moment, als er herausfand, wie Arcodas sich seinen Leuten gegenüber benahm.

Also hat er Arcodas gekündigt, und sie haben ihn wegen Vertragsbruchs vor Gericht gezerrt. (Was nur beweist, wie übel und anmaßend sie sind.) Woraufhin Luke sie wiederum vor Gericht gezerrt hat, weil sie nicht für die bereits geleisteten Dienste bezahlen wollten.

Man hätte meinen sollen, der Richter hätte sofort gemerkt, wer der Gute ist, und zu Lukes Gunsten entschieden. Ich meine: Hallo?, haben Richter denn keine Augen im Kopf? Aber stattdessen gab es unsinnige Anhörungen und zahllose Unterbrechungen, und die ganze Sache zog sich hin und wurde total stressig. Ich muss sagen, dass ich danach eine erheblich schlechtere Meinung von Anwälten, Richtern, sogenannten »Vermittlern« und dem gesamten Rechtssystem hatte. Was ich ihnen gern persönlich gesagt hätte, wenn sie mich nur hätten zu Wort kommen lassen.

Ich wollte unbedingt, dass Luke mich als Zeugin benennt. Ich hatte meine Outfit und alles schon bereit. (Dunkelblauer, enger Rock, weiße Rüschenbluse, Lackpumps.) Und ich hatte diese grandiose Rede geschrieben, die ich immer noch auswendig kann. Sie fängt an: »Meine sehr verehrten Damen und Herren Geschworenen. Ich bitte Sie, einen Blick in Ihre Herzen zu werfen. Und dann bitte ich Sie, sich die beiden Männer anzusehen, die dort vor Ihnen stehen. Ein ehrenhafter, aufrechter Held, dem das Wohlergehen seiner Mitarbeiter mehr bedeutet als Geld ... « (woraufhin ich auf Luke zeigen würde) ) ... und ein widerwärtiger, sexistischer Kerl, der alle Welt schikaniert und weder Integrität besitzt noch sich zu kleiden weiß.« (Woraufhin ich auf Iain Wheeler von Arcodas deute.) Das hätte Schwung in den Laden gebracht, und der Richter hätte seinen Hammer schlagen und rufen müssen: »Ruhe! Ruhe im Gericht!« Und dann hätte ich die Geschworenen taxiert, wie in John Grishams Romanen, und diejenigen aussondiert, die auf unserer Seite wären.

Jedenfalls hatte Luke meine Pläne vollständig zunichtegemacht, als er meinte, es gäbe da gar keine Geschworenen, so ein Gericht sei das nicht. Und dann hat er gesagt, das Ganze sei sowieso ein Sumpf und er wollte nicht, dass ich da mit reingezogen werde, und ich sollte zu Hause bei Minnie bleiben. Was ich dann auch getan habe, obwohl ich vor lauter Frust fast gestorben bin.

Jetzt seufzt Luke schwer und fahrt mit beiden Händen durch sein Haar.

»Vorbei«, sagt er wie zu sich selbst. »Endlich.«

»Gott sei Dank.«

Als ich ihn umarmen will, sehe ich die Erschöpfung in seinem Gesicht. Die ganze Sache hätte Luke fast geschafft. Er musste seine Firma leiten, mit dem Verfahren klarkommen, seine eigenen Leute motivieren und neue Kunden gewinnen.

»Also ... « Er legt seine Hände auf meine Schultern und sieht mir in die Augen. »Zeit für einen Tapetenwechsel.«

Es dauert einen Moment, bis ich begreife, was er meint.

»Wir können das Haus kaufen!« Mir stockt der Atem.

»Ich habe das Angebot gleich abgegeben.«Er nickt. »Sie meinten, bis heute Abend hätten wir eine Antwort.«

»Oh, mein Gott!« Vor lauter Aufregung kann ich mir einen kleinen Hüpfer nicht verkneifen. Ich kann es nicht fassen, dass es endlich so weit sein soll! Der Prozess ist vorbei! Endlich können wir bei Mum und Dad ausziehen und kriegen unser eigenes Zuhause!

Wir haben schon früher versucht auszuziehen. Offen gesagt: schon öfter. Wir hatten bereits Verträge für vier Häuser aufgesetzt, aber irgendwie war es wie verhext. Entweder wollte der Verkäufer gar nicht wirklich verkaufen (Haus drei), oder plötzlich wollte er viel mehr Geld (Haus eins), oder das Haus gehörte ihm gar nicht, sondern seinem Onkel in Spanien, und das Ganze war der reine Betrug (Haus vier), oder es ist abgebrannt (Haus zwei). Ich dachte schon, wir würden das Pech nie abschütteln, und deshalb meinte Luke, wir sollten vielleicht lieber warten, bis die Sache mit Arcodas ausgestanden wäre.

»Ob die Fünf unsere Glückszahl wird?« Hoffnungsvoll sehe ich Luke mit hochgezogenen Augenbrauen an. Er drückt nur die Daumen und grinst.

Alles spricht für dieses Haus. Es liegt in einer hübschen Straße in Maida Vale, es hat einen zauberhaften Garten mit einer Schaukel am Baum, und drinnen ist es geradezu erstaunlich geräumig. Und es gehört so gut wie uns! Plötzlich ergreift mich ein Hochgefühl. Ich muss mir unbedingt die neue Living Etc. kaufen, so schnell wie möglich. Und die Elle Deco und Hause & Garden und Wallpaper ...

»Wollen wir zurückgehen?«, sage ich beiläufig. »Vielleicht guck ich unterwegs kurz bei W. H. Smith rein und hol mir ein paar Zeitschriften ...«

Ich sollte mir auf alle Fälle auch noch Grand Designs und World Interiors und 25 Beautiful Homes besorgen ...

»Moment noch.« Irgendetwas an Lukes Stimme macht mich stutzig, und als ich aufblicke, sehe ich, dass er zwei Schritte zurückgetreten ist. Er hat sich abgewandt und beißt die Zähne zusammen. Irgendwas ist mit ihm los.

»Hey, alles okay bei dir?«, sage ich vorsichtig. »Du hast doch nicht noch eine schlechte Nachricht, oder?«  »Nein. Aber da ist noch etwas, was ich dir kurz ... erzählen wollte.« Er macht eine Pause, faltet die Hände im Nacken, blickt  ins Leere, als könnte er sich nicht dazu bewegen, mich anzusehen. »Mir ist gerade was Merkwürdiges passiert. Ich war bei Waterstones und habe auf den Anruf von Arcodas gewartet. Bin einfach so herumspaziert ... « Wieder macht er eine Pause, diesmal länger. »Und dann habe ich Annabel ein Buch gekauft. Das neue von Ruth Rendell. Es hätte ihr gefallen.«