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Augenblicklich bereue ich, dass ich so harsch klinge. Am anderen Ende ist es still, und ich spüre, wie meine Wangen rot werden.

»Suze ...«Ich schlucke. »Ich meinte nicht ... «

»Weißt du, Bex, manchmal möchten Menschen einfach helfen«, fällt mir Suze ins Wort, und plötzlich bebt ihre Stimme. »Es dreht sich nicht immer alles nur um dich, okay? Es geht nicht darum, dass wir es dir nicht zutrauen. Es geht darum, dass Luke nicht nur dein Mann ist, sondern auch unser Freund, und wir wollten ihm was Gutes tun. Tarkie hat vorgeschlagen, dass sich die Leute von Shetland Shortbread ein spezielles Shortbread-Rezept nur für Luke ausdenken. Und wir dachten, wir könnten es auf der Party zum Kaffee servieren. Aber -gut wenn du so empfindlich bist, dann eben nicht. Vergiss es. Ich muss los.«

»Suze ...« Es ist zu spät. Sie hat aufgelegt. Ich versuche, sie zurückzurufen, doch es ist besetzt.

Oh, Gott. Sie klang echt gekränkt. Vielleicht war ich wirklich zu empfindlich. Aber woher sollte ich auch wissen, dass es um eine ganz neue Kekssorte ging?

Einen Moment lang stehe ich nur da und verziehe das Gesicht. Soll ich ihr eine SMS schicken? Nein. Dafür ist sie mir noch zu böse. Ich warte lieber, bis sie sich etwas abreagiert und vielleicht eine Nacht darüber geschlafen hat.

Ich kann jetzt nichts daran ändern. Da kann ich ebenso gut reingehen und mir ein Stück Kuchen gönnen.

Ich gehe durch das Schultor, an plaudernden Müttern vorbei, und folge den Schildern zur Ausstellung. Sie findet in einer luftigen Halle mit Parkettboden statt, und ich sehe schon, was Suze mit den Kuchen meinte. Da stehen Tapeziertische mit bonbonfarbenen Makronen und Mini-Schokoladen-Brownies und haufenweise durchtrainierte Mütter in Hüftjeans, die Kaffeebecher in Händen halten und die Leckereien mit feindseligen Blicken mustern. Niemand isst ein Stück Kuchen -wozu machen sie sich denn überhaupt die Mühe?

»Hi!« Ich trete an den Tapeziertisch, hinter dem eine wohlfrisierte, blonde Frau steht. »Ich hätte gern einen Schokoladen-Brownie, bitte.«

»Aber gern!« Sie reicht mir ein winziges Brownie-Stückchen in einer Serviette. »Fünf Pfund, bitte.«

Fünf Pfund? Für zwei Bissen?

»Alles für die Schule!« Sie zwitschert ein Lachen hervor, das wie ein Eiszapfen klingt, und legt meinen Fünfer in eine mit Filz ausgeschlagene Geldkassette, die mit kariertem Stoff bezogen ist. »Und sind Sie eine Schulanfänger-Mama? Denn wir erwarten die verzierten Pfefferkuchenhäuschen erst am Dienstag, und einige waren doch sehr enttäuscht ... «

»Ich bin keine Mama«, korrigiere ich sie eilig. »Zumindest nicht hier. Ich bin nur zu Besuch. Meine Tochter geht noch nicht zur Schule.«

»Ah, ich verstehe.« Ihr Interesse lässt ein wenig nach. »Und welche Schule wird Ihre Tochter besuchen?«

»Ich weiß nicht.« Meine Stimme wird ein wenig durch den Brownie gedämpft, der absolut himmlisch schmeckt. »Sie ist erst zwei.«

»Zwei Monate.« Die Frau nickt wissend. »Na, da müssen Sie sich aber ranhalten ...« »Nein, zwei.« Ich schlucke den Brownie herunter. »Zwei Jahre.« »Zwei Jahre?« Die Frau wirkt wie gebannt. »Und Sie haben noch nicht angefangen?«

»Äh ... nein.«

»Sie haben sie noch nirgends angemeldet?« Mit großen, zwinkernden Augen starrt sie mich an. »Nirgendwo?«

Okay, diese Frau ist mir unheimlich, mit ihren superweißen Zähnen und ihrer stressigen Art. Ich meine, ich weiß ja, dass die Schulen ausgebucht sind und so. Aber mal ehrlich, selbst die Wartezeit für die neue Prada-Tasche war nur ein Jahr. Keine Schule ist exklusiver als eine limitierte Prada-Tasche, oder?

»Vielen Dank für den Brownie!« Eilig entferne ich mich von ihr. Ich bin richtig verunsichert, als hätte ich die Fähre verpasst und gar nicht gewusst, dass es überhaupt eine Fähre gibt. Es sollte eine Vogue für Schulen geben. Sie sollte die monatlichen Must-Haves und die neuesten Trends und aktuellen Wartelisten bringen. Dann wüsste man es.

Jedenfalls will ich mich deshalb nicht verrückt machen lassen. Wir werden schon eine hübsche Schule für Minnie finden. Da bin ich mir ganz sicher.

Ich frage mich, auf welche Schule Madonna ihre Kinder schickt. Ich meine, nicht dass ich Minnie nur wegen irgendwelcher Prominenten auf eine bestimmte Schule schicken würde. Bestimmt nicht.

Aber trotzdem. Vielleicht guck ich mal im Internet nach. Nur so aus Interesse.

Ich kaufe mir einen Kaffee und steuere auf die Kunstwerke zu. Die meisten Bilder zeigen Blumen, und als ich zu Ernies Bild komme, hinten in der Ecke, bin ich doch ein wenig konsterniert. Es ist. »anders.« Es ist sehr düster und verschmiert und zeigt ein Schaf vor einem dunklen Hintergrund, bei dem es sich um ein Moor handeln könnte ...

Ah. Wenn ich genauer hinsehe, könnte das Schaf auch tot sein.

Nun. Es ist ja nichts Falsches daran, ein totes Schaf zu malen, oder? Und das Blut, das aus seinem Maul rinnt, sieht ganz realistisch aus. Das werde ich zu Suze sagen, wenn wir uns wieder vertragen haben. Ja. Ich werde sagen: »Das Blut fand ich super! Es hatte so einen ... Schwung!«

» ... absolut scheußlich!« 

»Ekelhaft!« 

Plötzlich bemerke ich einen Pulk kleiner Mädchen, die sich auch das Bild ansehen. Eine hat stramme Zöpfe und hält sich den Mund zu. »Mir wird übel«, verkündet sie. »Wisst ihr, wer das gemalt hat? »Ernest.«»Er malt immer Schafe«, sagt eine andere spöttisch. »Was anderes kann er nicht.« 

Die anderen brechen in zickiges Gekicher aus. Wütend starre ich sie an. Sie sehen alle aus wie kleine Zimtzicken. Eine Glocke läutet, und alle laufen eilig weg, was gut ist, weil ich sonst wahrscheinlich etwas Würdeloses und Unreifes unter Verwendung des Wortes »Tussis«, gesagt hätte.

Plötzlich bemerke ich eine Frau mit einem dunklen Dutt und hochherrschaftlicher Ausstrahlung, die durch den Raum schwebt, gnädig lächelt und hin und wieder kurz Konversation betreibt. Ich stehe wie auf glühenden Kohlen, als sie sich mir nähert.

Ja! Das dachte ich mir doch. Am Revers ihrer Strickjacke trägt sie ein Namensschild, auf dem »Harriet Grayson MA, Rektorin«, steht. Das ist die Frau, die Ernie das Leben schwer macht.

Nun, ich werde ihr das Leben schwer machen. Besonders, da ich mich immer noch dafür schäme, dass ich Suze so anfahren musste.

»Hallo.« Sie lächelt und reicht mir die Hand. »Ich fürchte, Sie werden mir helfen müssen. Gehören Sie zu einer unserer Neuaufnahmen?«

»Oh, nein, ich gehöre nicht zu den Eltern dieser Schule«, setze ich an. »Ich bin ...«

Ich wollte schon sagen: »Ich bin die Patentante von Ernest Cleath-Stuart und habe Ihnen einiges mitzuteilen.« Doch plötzlich habe ich noch eine bessere Idee. Hier kennt mich ja keiner, oder?

»Ehrlich gesagt ... ich bin beruflich auf der Suche nach künstlerischen Talenten«, sage ich kühl.

»Auf der Suche nach Talenten?« Sie scheint mir perplex.

»Ja, Professor Rebecca Bloomwood von der Guggenheim Jugendstiftung. Tut mir leid, ich habe keine Karte bei mir.« Ich schüttle kurz ihre Hand, ganz Profi. »Ich bin geschäftlich hier. Wir Talentsucher sehen uns gern inkognito Schulausstellungen an, um neue Talente aufzuspüren. Und ich habe schon eins gefunden, gleich hier.«

Ich deute auf Ernies düsteres, verschmiertes Bild, und unsicher folgt die Schulleiterin meinem Blick. »Das ist von Ernest Cleath-Stuart«, sagt sie schließlich. »Ein interessantes Kind, dieser Ernest ... «