In der Leitung ist es still, und mir bleibt das Herz stehen. Ich wusste es.
»Geht es um Minnie? Seien Sie ehrlich.«
»Nein, nein!« Sie klingt betroffen. »Ich habe nichts davon gehört, dass Luke etwas über Minnie gesagt hätte!«
»Oh.« Ich reibe an meiner Nase herum. »Na, dann irgendwas bei der Arbeit?«
Wieder dieses Schweigen. Die Antwort ist ganz offensichtlich Ja. Plötzlich bekomme ich so eine unheilvolle Ahnung.
»Bonnie, ich dachte, Sie sind meine Freundin«, sage ich schließlich. »Wieso können Sie mir nicht sagen, was los ist? Ist es so schlimm? Gibt es den nächsten Prozess?« Meine Gedanken hecheln die fürchterlichen Möglichkeiten durch. »Steckt Luke in Schwierigkeiten? Ist er bankrott?«
»Nein!«, wirft Bonnie eilig ein. »Bitte, Becky, denken Sie so etwas nicht!«
»Was soll ich denn denken?« Meine Stimme wird immer lauter. »Ich weiß, dass Luke mir schlechte Nachrichten ersparen möchte, aber wie kann ich ihm helfen, wenn ich nicht weiß, was los ist?«
»Becky, bitte regen Sie sich nicht auf! Es ist nichts Schlimmes! Es ist nur ... ein neuer Kunde.«
»Oh.«
Das nimmt mir etwas den Wind aus den Segeln. Das hatte ich nicht erwartet. Obwohl mir jetzt doch einfallt, dass Luke einen neuen Klienten erwähnt hat, oder? Aber wieso ist es ein so großes Geheimnis?
»Wer ist es?«
»Das darf ich Ihnen nicht sagen«, antwortet Bonnie zögerlich. »Luke hat mich ausdrücklich gebeten, es nicht zu erwähnen. Er war der Ansicht, dass Sie vielleicht ... allzu euphorisch wären. Er wollte erst sichergehen, dass es auch klappt.«
»Allzu euphorisch?« Entrüstet starre ich mein Handy an. »Bonnie, Sie müssen es mir erzählen!«
»Ich kann nicht.«
»Doch, können Sie! Sind wir denn nicht ein Team?«
»Ich kann nicht. .. « Es scheint Bonnie direkt Schmerzen zu bereiten. »Becky, verstehen Sie doch! Luke ist mein Chef. .. « »Und ich bin Ihre Freundin. Freunde sind wichtiger als Chefs! Das weiß doch jeder.« Bonnie schweigt, dann flüstert sie: »Becky, ich muss wieder an die Arbeit. Wir sprechen morgen wieder miteinander.«
Sie legt auf, und ich sehe, wie das Licht in meinem Handy erlischt. Ich gehe zu dem Weidenbaum mitten auf dem Rasen vor unserem Haus hinüber und setze mich auf die alte Holzbank. Wenn ich ehrlich sein soll, bin ich etwas beunruhigt. Was geht bei Luke vor sich? Und wie soll ich diese Party zustande bringen? Ich dachte, es lief alles so gut. Ich war doch zufrieden mit mir. Jetzt kriege ich langsam Panik.
Türsteher. Parkservice. Koschere Speisen. Toiletten. Fußmassagen. Oh, Gott, oh, Gott. Wie soll ich das alles bezahlen? Wieso habe ich so viel Zeit mit den dämlichen Troddeln vertrödelt? Was muss ich noch bedenken?
Bestimmt weiß Suze Bescheid. Suze geht ständig auf schicke Partys. Aber die kann ich nicht fragen. Nicht jetzt.
Eilig klappe ich meinen BlackBerry auf und scrolle mich durch die Liste der Zusagen. Je mehr Namen ich lese, desto unwohler fühle ich mich. Wieso kann Luke keine normalen Freunde haben? Warum müssen die alles so nobel und wichtig sein? Diese Leute sind pompöse Empfänge an exklusiven Orten gewöhnt. Sie erwarten Marmorsäulen und Streichquartette und Kellner in weißen Uniformen ...
»Becky?« Mom steht mit besorgtem Blick in der Haustür. »Alles in Ordnung, Schätzchen?«
»Alles gut«, sage ich fröhlich. »Hab nur ... nachgedacht.«
Nie im Leben werde ich zugeben, dass ich mir um die Party Sorgen mache.
Mum verschwindet wieder, und ich knabbere an meinem Daumennagel. Na, ich habe keine Wahl, oder? Ich werde die Rausschmeißer und die Toiletten und die Masseure und alles andere engagieren müssen. Und für alles aufkommen... irgendwie.
Mir wird ganz flau, als ich an meine Finanzen denke. Ich kann das Geld nicht von unserem gemeinsamen Konto abheben, weil Luke dann was merken würden. Und ich kann es auch nicht von meinem eigenen Konto nehmen, weil da nichts zu holen ist. Im Moment jedenfalls. Und ich habe schon die Hälfte meiner Karten ausgereizt. Diese Kreditkartenfirmen sind im Augenblick auch ziemlich eigen.
Könnte ich Derek Smeath bei meiner alten Bank anrufen und um einen Party-Notkredit betteln? Er würde es bestimmt verstehen. Und er mochte Luke schon immer, und ich könnte ihn zur Party einladen ...
Plötzlich sitze ich ganz starr. Nein. Ich hab's. Ich werde Trevor im Voraus um meine Prämie für die Mitarbeiterin des Jahres bitten. Das kann er mir doch nicht abschlagen, oder? Nicht nach den vielen netten Sachen, die er über mich gesagt hat.
Und wenn ich schon mal dabei bin ... wieso frage ich nicht gleich nach einer Lohnerhöhung?
Ich bin derart erleichtert, dass ich fast laut lachen muss. Wieso habe ich nicht schon früher daran gedacht? Schließlich hat er mir gerade erst Blumen geschenkt. Meine Abteilung ist mit Abstand die beste. Von Wirtschaftskrise keine Spur! Es liegt doch nahe, dass ich eine Lohnerhöhung bekommen sollte. Ich werde um ein vertrauliches Gespräch nachsuchen und ihn in aller Ruhe um eine kleine und doch nicht unerhebliche Lohnerhöhung bitten, zusammen mit der Prämie für die Mitarbeiterin des Jahres, und das müsste dann für alles reichen.
Vielleicht eine mittelgroße und doch nicht unerhebliche Erhöhung. Noch besser. Und bis dahin googel ich »Pompös Luxusparty Planung Details«, nur um mal nachzusehen, was ich vergessen habe.
Schon fühle ich mich tausend Mal besser, stehe auf und will gerade ins Haus gehen, als mein Handy piept. Ich nehme es hervor und sehe, dass ich eine SMS von Bonnie habe.
Liebe Becky. Mein schlechtes Gewissen bringt mich um. Ich glaube, Sie haben recht. Ihre Freundschaft bedeutet mit sehr viel, und Vertrauen ist ein entscheidender Teil einer jeden Freundschaft. Daher werde ich Ihnen vertrauen und als separaten Text den Namen des neuen Klienten senden, den Luke vor Ihnen verheimlicht (aus redlichen Gründen, wie ich Ihnen versichern kann).
Bitte löschen Sie den Text sofort, nachdem Sie ihn gelesen haben. Ich hoffe und glaube, Sie respektieren den Umstand, dass ich ein gewisses Risiko eingehe, indem ich diese Information preisgebe. Bitte versuchen Sie, Luke nicht wissen zu lassen, dass Sie davon Kenntnis haben. Sie werden sich in Selbstbeherrschung üben müssen.
Herzlichst
Ihre Freundin
Bonnie
Ich bin richtig gerührt, als ich das lese. Bonnie ist mir eine Freundin. Und ich bin ihre Freundin. Und nur das ist wichtig. Fast interessiert mich der Name des Kunden gar nicht mehr. Ich meine, wahrscheinlich ist es sowieso nur irgendein feister, langweiliger Finanztyp, von dem ich noch nie gehört habe.
Aber dass sie sagt, ich müsste mich in Selbstbeherrschung üben ... also echt! Manchmal scheint mir, die Leute in der PR-Branche fallen auf ihren eigenen Hype herein. Ich drücke »Antworten«, und fange an zu tippen:
Liebe Bonnie, ich danke Ihnen sehr. Sie sind mir eine wunderbare Freundin. Keine Sorge, ich werde Luke nie im Leben verraten, dass ich den Namen seines Kunden kenne, und Selbstbeherrschung ist nun wirklich kein Problem ...
Ein Piepen unterbricht mich. Oh, das könnte Bonnies zweite SMS sein. Vielleicht sollte ich mal kurz einen Blick darauf werfen, bevor ich weiterschreibe. Ich klicke sie an und warte, dass die Nachricht auf dem Bildschirm erscheint.
Sie besteht nur aus zwei Worten. Einen Moment lang stehe ich stocksteif da, blinzelnd, kann nicht so ganz verarbeiten, was ich da sehe.
Sage Seymour.