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»Kein Linksabbieger«, sagt Alf und schüttelt den Kopf.

Wir haben Alf die ganze Geschichte erzählt. Oder zumindest hat er sie sich zusammengereimt, nachdem Luke und der Makler sich angeschrien haben. (Glücklicherweise ist Minnie eingeschlafen. Zweijährige verschlafen einfach alles.« Luke hat angefangen, noch andere Immobilienmakler anzurufen, aber bisher hat niemand ein Haus zur Verfügung, in das man innerhalb der nächsten zwanzig Minuten einziehen könnte. Am liebsten würde ich schreien vor Frust. Wo sind die Häuser alle geblieben? Und wo ist der ganze Verkehr?

Ich blicke in den Rückspiegel, für den Fall, dass Mum und Dad ausgeschert sind oder sich verirrt haben, doch sie sind immer noch da, kleben an uns wie die Kletten. Luke lauscht seinem Telefon, und ich sehe ihm hoffnungsvoll in die Augen, aber er schüttelt nur den Kopf.

»Wohin soll ich denn jetzt fahren?« Alf bleibt an einer Kreuzung stehen, stützt sich mit den Armen auf das vibrierende Lenkrad und sieht mich an.

»Ich weiß nicht«; sage ich verzweifelt. »Könnten Sie einfach ... im Kreis fahren?« 

»Im Kreis?«Er wirft mir einen bissigen Blick zu. »Sehe ich aus wie ein Taxifahrer?«

»Bitte. Nur kurz.«

Kopfschüttelnd blinkt AIf links und biegt in eine Wohnstraße ein. Wir fahren an einem Kanal entlang, dann durch eine weitere Wohnstraße und sind mehr oder weniger sofort wieder da, woher wir gekommen sind.

»Das war zu schnell!«, sage ich bestürzt. Und natürlich kommt im nächsten Augenblick eine SMS von Mum:

Liebes, habt ihr euch verfahren? In dieser Straße waren wir schon. Dad fragt nach der Adresse, damit er sie in sein Navi eingeben kann.

»Becky.« Luke hat sein Handy ausgemacht. »Wir können nicht in Maida Vale herumgurken, bis wir ein Haus haben.« 

»Kein Glück, Chef?«, sagt AIf. Offenbar ist sein Respekt für Luke gewachsen, seit er mitanhören durfte, wie er den Makler zusammengefaltet hat. Offen gesagt, glaube ich, dass er bei allen bösen Blicken doch seinen Spaß an dem Drama hat.

»Nein«, antwortet Luke. »Becky, wir müssen reinen Tisch machen.« 

»Nein. Noch nicht. Lass uns ... lass uns Mittagspause machen!«, sage ich spontan. »Wir suchen uns einen Coffee Shop oder irgendwas. Luke, das ist mein Plan: Ich lenke Mum und Dad ab, und du fährst zum Makler und zwingst ihn, uns ein Haus zu geben.« 

Langmütig rollt Alf mit den Augen und versucht schon bald, den Laster in eine Parklücke gegenüber einem Cafe Rouge zu manövrieren. Ich sehe, wie auch die anderen halten, und Janice steigt aus, um Martin einzuweisen, mit viel Winken und Zeigen und »Vorsichtig, Martin!«.

Ich schnalle Minnie los, und wir steigen alle aus und strecken unsere Beine. Ich fühle mich, als hätten wir eine mörderische Tour hinter uns und wären nicht nur von Oxshott hergefahren.

»Hi.« Ich winke den anderen, versuche, heiter und entspannt zu wirken, als wäre das von Anfang an der Plan gewesen.

»Was ist los, Schätzchen?« Mum kommt als Erste bei uns an. »Sind wir da?« Sie mustert die Wohnungen über den Läden, als würde sich eine davon plötzlich als Wohnhaus mit Keller und Garten und zwei Stellplätzen entpuppen.

»Typisch Becky, über einem Shop einzuziehen.« Martin prustet über seinen eigenen Witz. »Nein, hier wohnen wir doch nicht!« Ich lache so natürlich, wie ich kann. »Wir machen Mittagspause.«

Alles schweigt perplex.

»Mittagspause, Liebchen?«, sagt Janice schließlich. »Aber es ist erst zwanzig nach zehn.«

»Ja, nun. Der ... äh ... Fahrer braucht sein Mittagessen. Gewerkschaftsvorschrift«, improvisiere ich und werfe Alf einen vielsagenden Blick zu. »Stimmt's nicht, Alf?«

»Aber wir müssen doch gleich da sein. Das ist doch Quatsch!« »Ich weiß«, sage ich eilig. »Trotzdem: Die Gewerkschaft ist echt streng. Wir haben keine Wahl.« »Ich kann nichts dafür«, sagt Alf, der mitspielt. »Ich hab mir das nicht ausgedacht.«

»Du meine Güte«, sagt Dad ungeduldig. »So einen Unsinn habe ich ja noch nie gehört.«  Er wendet sich Alf zu. »Hören Sie. Könnten Sie Becky nicht am Haus absetzen und dann Ihre Mittagspause machen?«

»Vorschrift ist Vorschrift«, sagt Alf und schüttelt unerbittlich den Kopf. »Wenn ich mich nicht daran halte, komme ich vor ein Disziplinargericht und bin meinen Job los. Ich gehe und mache meine wohlverdiente Pause, und Sie sagen mir Bescheid, wenn Sie so weit sind, dass wir weiterfahren können, okay?« Er zwinkert mir zu und geht in das Cafe Rouge.

Mein Gott, er ist fantastisch. Am liebsten würde ich ihn umarmen.

»Also wirklich!« Mum ist außer sich. »Jetzt wissen wir, was mit diesem Land nicht stimmt! Wer hat sich diese Vorschrift eigentlich ausgedacht? Ich werde an die Daily World schreiben, und an den Premierminister ... « Als wir ins Cafe Rouge marschieren, wirft sie Alf einen bösen Blick zu, und er winkt fröhlich zurück.

»Wir sollten alle ordentlich was bestellen“, sage ich, als wir einen Tisch finden. »Ich meine, wir werden eine ganze Weile hier sein und auf Alf warten. Nehmt ein Sandwich, ein Croissant, ein Steak ... geht alles auf meine Kappe ... Minnie, nein!« Eilig entferne ich die Zuckerwürfel, bevor sie alle nehmen kann.

»Wo ist Luke?«, sagt Mum plötzlich.

»Er ist beim Makler«, sage ich wahrheitsgemäß.

»Holt bestimmt die Schlüssel«, sagt Dad nickend. »Ich glaube, ich nehme ein Panino.« 

Ich versuche, die Mittagspause so lange wie möglich auszudehnen. Allerdings möchte niemand schon morgens um zwanzig nach zehn ein Steak, und man kann nicht unendlich viele Croissants essen. Jeder von uns hatte zwei Cappuccinos, und noch immer hat Luke keine gute Nachricht gesimst, und schon jetzt langweilt sich Minnie mit den Sachen aus der Spielzeugkiste. Und nun werden auch noch Mum und Dad zappelig.

»Das ist doch lächerlich!«, sagt Mum plötzlich, als sie sieht, wie sich Alf die nächste heiße Schokolade bestellt. »Ich werde nicht mehr länger darauf warten, dass irgendein Bürokrat von einem Lkw-Fahrer seine Mittagspause zu Ende bringt! Graham, du wartest hier, und Becky und ich gehen zu Fuß. Wir können doch von hier aus laufen, oder, Liebes?« 

Nackte Angst packt mich im Nacken.

»Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist, Mum«, sage ich hastig. »Ich denke, wir sollten auf Luke warten und dann alle gemeinsam mit dem Möbelwagen fahren.«

»Sei nicht albern! Wir rufen Luke an und sagen ihm, dass wir direkt hingehen. Auf dem Weg können wir die Schlüssel abholen. Wie ist die Adresse? Ist es weit von hier?« 

Mum sammelt schon ihre Sachen zusammen und nimmt Minnies Fäustlinge. Das ist nicht gut. Ich muss dafür sorgen, dass alle im Cafe Rouge bleiben.

»Ich weiß nicht genau, wo es ist«, sage ich eilig. »Wirklich, wir sollten lieber warten. Bestellen wir doch noch einen Kaffee ... «

»Kein Problem!« Janice hat ein kleines, in rotes Leder gebundenes Straßenverzeichnis. »Ich fahre nie ohne irgendwohin«, erklärt sie munter. »Also, wie heißt deine neue Straße, Becky? Ich finde sie im Handumdrehen!«

Mist. Alle starren mich erwartungsvoll an. Sobald ich den Straßennamen sage, laufen sie hin und finden alles raus. »Ich ... äh ...« Ich kratze mich an der Nase, um Zeit zu schinden. »Ich ... kann mich nicht erinnern.« »Du kannst dich nicht erinnern?«, sagt Janice unsicher. »Deine eigene Adresse?« »Schätzchen«, sagt Mum mit kaum verhohlener Ungeduld. »Du musst doch wissen, wo du wohnst!«

»Ich kann mich einfach nur nicht mehr an den genauen Namen der Straße erinnern! Ich glaube, er fangt an mit ... B an füge ich willkürlich hinzu.«